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Dohm, Hedwig: Erziehung zum Stimmrecht der Frau. Berlin, 1910 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 6).

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rhetorische Begabungen erwecken und entwickeln, sie bilden recht
eigentlich eine Vorschule für parlamentarische Tätigkeit.

Aus den Reihen der akademisch gebildeten Frauen werden
uns vielleicht die ersten Volksvertreterinnen erstehen.

Die Kameradschaft zwischen Knaben und Mädchen, die ein
gleicher Bildungsgang in den Schulen anbahnte, sie ist zwischen
Jünglingen und Jungfrauen auf der Universität, in Ateliers und
Werkstätten zu lebendiger Wirklichkeit geworden.

Hier wird unter anderm dem weiblichen Geschlecht die Auf-
gabe zufallen, die noch immer zu rauhen Universitätssitten ein
wenig zu glätten, dem niederziehenden Einfluß, der oft genug dem
Studententum mit seinen Paukereien, Kneipereien Korpsgebräuchen
(wenn ich auch einige Vorzüge des Korpswesens nicht verkenne,
seine Schattenseiten aber überwiegen) seinem Dirnenkultus anhaftet,
entgegen zu wirken.

Wie muß das männliche Geschlecht seine Begriffe vom Weibe
korrigieren, wenn der Jüngling auf der Universität das Mädchen,
das bis dahin für ihn nur eine Mitliebende war, als eine Mit-
denkende, Mitstrebende, Mitarbeitende kennen lernt.

Und das studierende junge Mädchen? Man befrage sie um
die Eindrücke ihrer Universitätszeit.

Sie wird einen Hymnus singen, denn in einem Rausch lebt
sie, der zugleich idealistisch und sinnlich ist. Jdealistisch, in der
stolzen geläuterten Freude Mitschaffende zu sein an ewigen Werten.
Jdealistisch, weil der Glaube dieser weiblichen Jugend an die
Wissenschaft eine Art Religion ist. Es ist der Glaube an einen
Himmel, der intime geistige Entzückungen erschließt.

Eine Sinnenfreude aber ist das Schwelgen in den Gefühlen
der jungen Freiheit, des Sichselbstgehörens, der sympatischen Be-
ziehungen zu den Jünglingen.

Es ist, als wollte die Studentin alle Lebensinhalte, die den
früheren Frauengenerationen vorenthalten wurden, konzentriert in
sich aufnehmen. Jch habe nie beglücktere weibliche Geschöpfe
gesehen, als unter den studierenden Jungfrauen.

Und in dem wetteifernden Arbeiten und Streben mit den
Studenten, wandeln sich allmählich ihre Gewohnheiten und Sitten,
mag immerhin dabei eine gewisse Absichtlichkeit in der Betonung
ihrer neuen jungen Würde, die Drolligkeiten nicht ausschließt,
mitunterlaufen.

Elegante Kostüme, Toilettenfirlefanz sind gewesen. Einfaches
Wollenkleid. Kurzer Rock. Lodenmantel. Unbewimpeltes Stroh-
oder Filzhütchen. Keine Handschuhe. Keusche Menüs bis zur
vegetarischen Studentenkneipe herunter. Tüchtige Märsche an
freien Tagen.

rhetorische Begabungen erwecken und entwickeln, sie bilden recht
eigentlich eine Vorschule für parlamentarische Tätigkeit.

Aus den Reihen der akademisch gebildeten Frauen werden
uns vielleicht die ersten Volksvertreterinnen erstehen.

Die Kameradschaft zwischen Knaben und Mädchen, die ein
gleicher Bildungsgang in den Schulen anbahnte, sie ist zwischen
Jünglingen und Jungfrauen auf der Universität, in Ateliers und
Werkstätten zu lebendiger Wirklichkeit geworden.

Hier wird unter anderm dem weiblichen Geschlecht die Auf-
gabe zufallen, die noch immer zu rauhen Universitätssitten ein
wenig zu glätten, dem niederziehenden Einfluß, der oft genug dem
Studententum mit seinen Paukereien, Kneipereien Korpsgebräuchen
(wenn ich auch einige Vorzüge des Korpswesens nicht verkenne,
seine Schattenseiten aber überwiegen) seinem Dirnenkultus anhaftet,
entgegen zu wirken.

Wie muß das männliche Geschlecht seine Begriffe vom Weibe
korrigieren, wenn der Jüngling auf der Universität das Mädchen,
das bis dahin für ihn nur eine Mitliebende war, als eine Mit-
denkende, Mitstrebende, Mitarbeitende kennen lernt.

Und das studierende junge Mädchen? Man befrage sie um
die Eindrücke ihrer Universitätszeit.

Sie wird einen Hymnus singen, denn in einem Rausch lebt
sie, der zugleich idealistisch und sinnlich ist. Jdealistisch, in der
stolzen geläuterten Freude Mitschaffende zu sein an ewigen Werten.
Jdealistisch, weil der Glaube dieser weiblichen Jugend an die
Wissenschaft eine Art Religion ist. Es ist der Glaube an einen
Himmel, der intime geistige Entzückungen erschließt.

Eine Sinnenfreude aber ist das Schwelgen in den Gefühlen
der jungen Freiheit, des Sichselbstgehörens, der sympatischen Be-
ziehungen zu den Jünglingen.

Es ist, als wollte die Studentin alle Lebensinhalte, die den
früheren Frauengenerationen vorenthalten wurden, konzentriert in
sich aufnehmen. Jch habe nie beglücktere weibliche Geschöpfe
gesehen, als unter den studierenden Jungfrauen.

Und in dem wetteifernden Arbeiten und Streben mit den
Studenten, wandeln sich allmählich ihre Gewohnheiten und Sitten,
mag immerhin dabei eine gewisse Absichtlichkeit in der Betonung
ihrer neuen jungen Würde, die Drolligkeiten nicht ausschließt,
mitunterlaufen.

Elegante Kostüme, Toilettenfirlefanz sind gewesen. Einfaches
Wollenkleid. Kurzer Rock. Lodenmantel. Unbewimpeltes Stroh-
oder Filzhütchen. Keine Handschuhe. Keusche Menüs bis zur
vegetarischen Studentenkneipe herunter. Tüchtige Märsche an
freien Tagen.

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[11/0012] rhetorische Begabungen erwecken und entwickeln, sie bilden recht eigentlich eine Vorschule für parlamentarische Tätigkeit. Aus den Reihen der akademisch gebildeten Frauen werden uns vielleicht die ersten Volksvertreterinnen erstehen. Die Kameradschaft zwischen Knaben und Mädchen, die ein gleicher Bildungsgang in den Schulen anbahnte, sie ist zwischen Jünglingen und Jungfrauen auf der Universität, in Ateliers und Werkstätten zu lebendiger Wirklichkeit geworden. Hier wird unter anderm dem weiblichen Geschlecht die Auf- gabe zufallen, die noch immer zu rauhen Universitätssitten ein wenig zu glätten, dem niederziehenden Einfluß, der oft genug dem Studententum mit seinen Paukereien, Kneipereien Korpsgebräuchen (wenn ich auch einige Vorzüge des Korpswesens nicht verkenne, seine Schattenseiten aber überwiegen) seinem Dirnenkultus anhaftet, entgegen zu wirken. Wie muß das männliche Geschlecht seine Begriffe vom Weibe korrigieren, wenn der Jüngling auf der Universität das Mädchen, das bis dahin für ihn nur eine Mitliebende war, als eine Mit- denkende, Mitstrebende, Mitarbeitende kennen lernt. Und das studierende junge Mädchen? Man befrage sie um die Eindrücke ihrer Universitätszeit. Sie wird einen Hymnus singen, denn in einem Rausch lebt sie, der zugleich idealistisch und sinnlich ist. Jdealistisch, in der stolzen geläuterten Freude Mitschaffende zu sein an ewigen Werten. Jdealistisch, weil der Glaube dieser weiblichen Jugend an die Wissenschaft eine Art Religion ist. Es ist der Glaube an einen Himmel, der intime geistige Entzückungen erschließt. Eine Sinnenfreude aber ist das Schwelgen in den Gefühlen der jungen Freiheit, des Sichselbstgehörens, der sympatischen Be- ziehungen zu den Jünglingen. Es ist, als wollte die Studentin alle Lebensinhalte, die den früheren Frauengenerationen vorenthalten wurden, konzentriert in sich aufnehmen. Jch habe nie beglücktere weibliche Geschöpfe gesehen, als unter den studierenden Jungfrauen. Und in dem wetteifernden Arbeiten und Streben mit den Studenten, wandeln sich allmählich ihre Gewohnheiten und Sitten, mag immerhin dabei eine gewisse Absichtlichkeit in der Betonung ihrer neuen jungen Würde, die Drolligkeiten nicht ausschließt, mitunterlaufen. Elegante Kostüme, Toilettenfirlefanz sind gewesen. Einfaches Wollenkleid. Kurzer Rock. Lodenmantel. Unbewimpeltes Stroh- oder Filzhütchen. Keine Handschuhe. Keusche Menüs bis zur vegetarischen Studentenkneipe herunter. Tüchtige Märsche an freien Tagen.

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-09-14T13:15:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-09-14T13:15:52Z)

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Erziehung zum Stimmrecht der Frau. Berlin, 1910 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 6), S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_erziehung_1910/12>, abgerufen am 27.11.2024.