Dohm, Hedwig: Erziehung zum Stimmrecht der Frau. Berlin, 1910 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 6).ob so ein armer Wurm seine Verfehlung, nicht als Knabe ge- Jn den Freistunden Strümpfe stricken und sie stopfen! Je Ein Schlittern, etwa auf dem Rinnstein, war ein Bubenstreich. Mit unaussprechlicher Bitterkeit denke ich an jene Zeit Nur wer dieses Zeitalter als ein Schicksal erlebt hat, weiß Die Sports. Zu der Erziehung zum Stimmrecht - das heißt zu einem Eine Kraft- und Gesundheitsquelle sind die Sports. Das Die Sports setzen Schmerbäuche und Wespentaillen auf den Selbstverständlich werden Frauen nicht boxen und Ringkämpfe Und die Jagd? Jch denke, daß sie dieses blutlüsterne feudale Täusche ich mich, oder werden die Frauen seit Einführung Es ist dafür gesorgt, daß die Bäume - und die Frauen - ob so ein armer Wurm seine Verfehlung, nicht als Knabe ge- Jn den Freistunden Strümpfe stricken und sie stopfen! Je Ein Schlittern, etwa auf dem Rinnstein, war ein Bubenstreich. Mit unaussprechlicher Bitterkeit denke ich an jene Zeit Nur wer dieses Zeitalter als ein Schicksal erlebt hat, weiß Die Sports. Zu der Erziehung zum Stimmrecht – das heißt zu einem Eine Kraft- und Gesundheitsquelle sind die Sports. Das Die Sports setzen Schmerbäuche und Wespentaillen auf den Selbstverständlich werden Frauen nicht boxen und Ringkämpfe Und die Jagd? Jch denke, daß sie dieses blutlüsterne feudale Täusche ich mich, oder werden die Frauen seit Einführung Es ist dafür gesorgt, daß die Bäume – und die Frauen – <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0010" n="9"/> ob so ein armer Wurm seine Verfehlung, nicht als Knabe ge-<lb/> boren worden zu sein, absitzen müßte.</p><lb/> <p>Jn den Freistunden Strümpfe stricken und sie stopfen! Je<lb/> mehr Touren in einer bestimmten Zeit herumgestrickt wurden, je<lb/> braver war das Kind (erinnert an Aschenputtels Erbsenlesen).<lb/> Was für eine große Rolle die Strümpfe damals spielten! Noch<lb/> war die Strickmaschine nicht Allgemeingut, noch hatte kein Kneipp<lb/> die Barfüßigkeit – wenn auch nur zeitweise – entsündigt.</p><lb/> <p>Ein Schlittern, etwa auf dem Rinnstein, war ein Bubenstreich.<lb/> Selbst der Schneeball mußte verstohlen, mit bösem Gewissen,<lb/> von Mädchenhänden geworfen werden.</p><lb/> <p>Mit unaussprechlicher Bitterkeit denke ich an jene Zeit<lb/> physischer und geistiger Hemmungen zurück, die jedes begabtere<lb/> weibliche Geschöpf, das geboren wurde, ein ganzer Mensch zu<lb/> werden, zu einem automatenhaften Gebilde verkrümmten, zer-<lb/> mürbten.</p><lb/> <p>Nur wer dieses Zeitalter als ein Schicksal erlebt hat, weiß<lb/> von seiner Tragik.</p><lb/> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="1"> <head>Die Sports.</head><lb/> <p>Zu der Erziehung zum Stimmrecht – das heißt zu einem<lb/> reifen, vollwertigen Menschen – gehört auch die Entwicklung<lb/> von Körperkraft und Gesundheit.</p><lb/> <p>Eine Kraft- und Gesundheitsquelle sind die Sports. Das<lb/> weibliche Geschlecht bedarf ihrer vielleicht noch mehr als das<lb/> männliche. Sie sind die frischfröhlichen Sieger über Nerven,<lb/> Hysterie, Unnatur, Verweichlichung. Ein Leben ohne Gesundheit<lb/> ist wie eine Scheide ohne Klinge.</p><lb/> <p>Die Sports setzen Schmerbäuche und Wespentaillen auf den<lb/> Aussterbeetat. Sport und Hygiene begegnen sich. Die Hygiene<lb/> weist die anatomischen Mißbildungen infolge des Korsets nach.<lb/> Die Sports lassen die Geschnürtheit, die Lunge und Herz beengt,<lb/> nicht zu. Das Reformkleid ist ein Kind des Sports und der Hygiene.</p><lb/> <p>Selbstverständlich werden Frauen nicht boxen und Ringkämpfe<lb/> ausführen.</p><lb/> <p>Und die Jagd? Jch denke, daß sie dieses blutlüsterne feudale<lb/> Amüsement gern den Männern überlassen werden.</p><lb/> <p>Täusche ich mich, oder werden die Frauen seit Einführung<lb/> des Sports nicht allmählich größer? Walküren am Ende?</p><lb/> <p>Es ist dafür gesorgt, daß die Bäume – und die Frauen –<lb/> nicht in den Himmel wachsen. Die Natur liebt goldene Mittelstraßen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [9/0010]
ob so ein armer Wurm seine Verfehlung, nicht als Knabe ge-
boren worden zu sein, absitzen müßte.
Jn den Freistunden Strümpfe stricken und sie stopfen! Je
mehr Touren in einer bestimmten Zeit herumgestrickt wurden, je
braver war das Kind (erinnert an Aschenputtels Erbsenlesen).
Was für eine große Rolle die Strümpfe damals spielten! Noch
war die Strickmaschine nicht Allgemeingut, noch hatte kein Kneipp
die Barfüßigkeit – wenn auch nur zeitweise – entsündigt.
Ein Schlittern, etwa auf dem Rinnstein, war ein Bubenstreich.
Selbst der Schneeball mußte verstohlen, mit bösem Gewissen,
von Mädchenhänden geworfen werden.
Mit unaussprechlicher Bitterkeit denke ich an jene Zeit
physischer und geistiger Hemmungen zurück, die jedes begabtere
weibliche Geschöpf, das geboren wurde, ein ganzer Mensch zu
werden, zu einem automatenhaften Gebilde verkrümmten, zer-
mürbten.
Nur wer dieses Zeitalter als ein Schicksal erlebt hat, weiß
von seiner Tragik.
Die Sports.
Zu der Erziehung zum Stimmrecht – das heißt zu einem
reifen, vollwertigen Menschen – gehört auch die Entwicklung
von Körperkraft und Gesundheit.
Eine Kraft- und Gesundheitsquelle sind die Sports. Das
weibliche Geschlecht bedarf ihrer vielleicht noch mehr als das
männliche. Sie sind die frischfröhlichen Sieger über Nerven,
Hysterie, Unnatur, Verweichlichung. Ein Leben ohne Gesundheit
ist wie eine Scheide ohne Klinge.
Die Sports setzen Schmerbäuche und Wespentaillen auf den
Aussterbeetat. Sport und Hygiene begegnen sich. Die Hygiene
weist die anatomischen Mißbildungen infolge des Korsets nach.
Die Sports lassen die Geschnürtheit, die Lunge und Herz beengt,
nicht zu. Das Reformkleid ist ein Kind des Sports und der Hygiene.
Selbstverständlich werden Frauen nicht boxen und Ringkämpfe
ausführen.
Und die Jagd? Jch denke, daß sie dieses blutlüsterne feudale
Amüsement gern den Männern überlassen werden.
Täusche ich mich, oder werden die Frauen seit Einführung
des Sports nicht allmählich größer? Walküren am Ende?
Es ist dafür gesorgt, daß die Bäume – und die Frauen –
nicht in den Himmel wachsen. Die Natur liebt goldene Mittelstraßen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-09-14T13:15:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-09-14T13:15:52Z)
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja; /p>
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |