Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.zerbrochene Scheibe. Deine Tante schlief eben so fest als andere Menschen, ich mußte gehörig mit der Holzkette da am Nagel rasseln, damit sie aufwachte -- dann sah sie eine der Gestalten von meinen Glasbildern in Menschengröße an den Wänden entlang vor ihr Bett kommen. Griff sie darnach oder sagte sie etwas, so war Alles dunkel, aber nicht lange, so kam es zurück. -- Als Mutter Stine starb, dachte sie nicht anders, denn daß sie selbst nun daran müßte, und schnell schickte sie den Schneider, um die Hexenleute wieder gut zu machen. Begreifst du nun, Schatz, daß Alles natürlich zuging? -- O ja, ich begreife jetzt Alles! erwiderte Anntrin und trat in die Küche, wo die Tante schon wieder nach ihr rief und der Vater rauchend am Feuer saß. Na, na, -- na! empfing die Alte den Matrosen, so ist's recht, so ist's recht! Setz dich, Junge; Anntrin, trag auf was da ist, heute muß sie den Pfannkuchen allein backen, Rolf Evert. Nun, ich gebe mich gern in Gottes Willen! Die Männer redeten mit einander und bemerkten nicht, wie blaß und schmerzvoll Anntrin's Gesicht war. Sie besorgte geschäftig den Imbiß und backte die Pfannkuchen. Kommt jetzt, sagte sie mit etwas rauher Stimme; die tiefe Glut, welche dabei über Stirn und Wangen lief, mußte ein Wiederschein des Feuers sein. zerbrochene Scheibe. Deine Tante schlief eben so fest als andere Menschen, ich mußte gehörig mit der Holzkette da am Nagel rasseln, damit sie aufwachte — dann sah sie eine der Gestalten von meinen Glasbildern in Menschengröße an den Wänden entlang vor ihr Bett kommen. Griff sie darnach oder sagte sie etwas, so war Alles dunkel, aber nicht lange, so kam es zurück. — Als Mutter Stine starb, dachte sie nicht anders, denn daß sie selbst nun daran müßte, und schnell schickte sie den Schneider, um die Hexenleute wieder gut zu machen. Begreifst du nun, Schatz, daß Alles natürlich zuging? — O ja, ich begreife jetzt Alles! erwiderte Anntrin und trat in die Küche, wo die Tante schon wieder nach ihr rief und der Vater rauchend am Feuer saß. Na, na, — na! empfing die Alte den Matrosen, so ist's recht, so ist's recht! Setz dich, Junge; Anntrin, trag auf was da ist, heute muß sie den Pfannkuchen allein backen, Rolf Evert. Nun, ich gebe mich gern in Gottes Willen! Die Männer redeten mit einander und bemerkten nicht, wie blaß und schmerzvoll Anntrin's Gesicht war. Sie besorgte geschäftig den Imbiß und backte die Pfannkuchen. Kommt jetzt, sagte sie mit etwas rauher Stimme; die tiefe Glut, welche dabei über Stirn und Wangen lief, mußte ein Wiederschein des Feuers sein. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0041"/> zerbrochene Scheibe. Deine Tante schlief eben so fest als andere Menschen, ich mußte gehörig mit der Holzkette da am Nagel rasseln, damit sie aufwachte — dann sah sie eine der Gestalten von meinen Glasbildern in Menschengröße an den Wänden entlang vor ihr Bett kommen. Griff sie darnach oder sagte sie etwas, so war Alles dunkel, aber nicht lange, so kam es zurück. — Als Mutter Stine starb, dachte sie nicht anders, denn daß sie selbst nun daran müßte, und schnell schickte sie den Schneider, um die Hexenleute wieder gut zu machen. Begreifst du nun, Schatz, daß Alles natürlich zuging? — </p><lb/> <p>O ja, ich begreife jetzt Alles! erwiderte Anntrin und trat in die Küche, wo die Tante schon wieder nach ihr rief und der Vater rauchend am Feuer saß.</p><lb/> <p>Na, na, — na! empfing die Alte den Matrosen, so ist's recht, so ist's recht! Setz dich, Junge; Anntrin, trag auf was da ist, heute muß sie den Pfannkuchen allein backen, Rolf Evert. Nun, ich gebe mich gern in Gottes Willen!</p><lb/> <p>Die Männer redeten mit einander und bemerkten nicht, wie blaß und schmerzvoll Anntrin's Gesicht war. Sie besorgte geschäftig den Imbiß und backte die Pfannkuchen.</p><lb/> <p>Kommt jetzt, sagte sie mit etwas rauher Stimme; die tiefe Glut, welche dabei über Stirn und Wangen lief, mußte ein Wiederschein des Feuers sein.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
zerbrochene Scheibe. Deine Tante schlief eben so fest als andere Menschen, ich mußte gehörig mit der Holzkette da am Nagel rasseln, damit sie aufwachte — dann sah sie eine der Gestalten von meinen Glasbildern in Menschengröße an den Wänden entlang vor ihr Bett kommen. Griff sie darnach oder sagte sie etwas, so war Alles dunkel, aber nicht lange, so kam es zurück. — Als Mutter Stine starb, dachte sie nicht anders, denn daß sie selbst nun daran müßte, und schnell schickte sie den Schneider, um die Hexenleute wieder gut zu machen. Begreifst du nun, Schatz, daß Alles natürlich zuging? —
O ja, ich begreife jetzt Alles! erwiderte Anntrin und trat in die Küche, wo die Tante schon wieder nach ihr rief und der Vater rauchend am Feuer saß.
Na, na, — na! empfing die Alte den Matrosen, so ist's recht, so ist's recht! Setz dich, Junge; Anntrin, trag auf was da ist, heute muß sie den Pfannkuchen allein backen, Rolf Evert. Nun, ich gebe mich gern in Gottes Willen!
Die Männer redeten mit einander und bemerkten nicht, wie blaß und schmerzvoll Anntrin's Gesicht war. Sie besorgte geschäftig den Imbiß und backte die Pfannkuchen.
Kommt jetzt, sagte sie mit etwas rauher Stimme; die tiefe Glut, welche dabei über Stirn und Wangen lief, mußte ein Wiederschein des Feuers sein.
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Zitationshilfe: | Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/41>, abgerufen am 22.07.2024. |