Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.würde, schon in grauen Haaren, noch erröthen über das Gebühren vornehmer Liebender. Es wäre Unrecht, berichten zu wollen, was Rolf und Anntrin an jenem Nachmittag redeten, er in seiner leichtlebigen Art, sie in ihrem tiefen, mächtigen Liebesbewußtsein! Die schneidende Stimme der Tante rief, nach langem, herzlichem Geplauder, die Liebenden aus ihrer Welt- und Tantenvergessenheit. Neben der Thür, welche von der Viehdiele in die Küche führt, ist stets ein kleines Fenster, um beide Räume mit einer Lampe erhellen zu können. Sieh, Anntrin, flüsterte Rolf, auf dieses Fenster zeigend, da fehlt eine Scheibe -- diesem Fenster und dieser Scheibe habe ich es zu danken, daß du heute meine Braut bist, ich trage das ganze Geheimniß in der Tasche! Dabei holte der Matrose zwei Holzkästen heraus, in deren einem sich ein Laternchen befand. Was hast du gethan, Rolf, Mar' Joseph, was hast du gethan? stieß das Mädchen zitternd und erbleichend hervor. Nun, Mädchen, erschrick nur nicht, ich habe der Alten da ein bischen vorgehext. Ich war nicht nach Amsterdam, sondern bei meinem Vetter in Waterput, von da kam ich dann und wann Nachts hierher, ging durch die Fallthür ins Haus, wenn Alles schlief, nahm meine brennende Laterne heraus, schob diese Glasbilder vor die Oeffnung und hielt sie an die würde, schon in grauen Haaren, noch erröthen über das Gebühren vornehmer Liebender. Es wäre Unrecht, berichten zu wollen, was Rolf und Anntrin an jenem Nachmittag redeten, er in seiner leichtlebigen Art, sie in ihrem tiefen, mächtigen Liebesbewußtsein! Die schneidende Stimme der Tante rief, nach langem, herzlichem Geplauder, die Liebenden aus ihrer Welt- und Tantenvergessenheit. Neben der Thür, welche von der Viehdiele in die Küche führt, ist stets ein kleines Fenster, um beide Räume mit einer Lampe erhellen zu können. Sieh, Anntrin, flüsterte Rolf, auf dieses Fenster zeigend, da fehlt eine Scheibe — diesem Fenster und dieser Scheibe habe ich es zu danken, daß du heute meine Braut bist, ich trage das ganze Geheimniß in der Tasche! Dabei holte der Matrose zwei Holzkästen heraus, in deren einem sich ein Laternchen befand. Was hast du gethan, Rolf, Mar' Joseph, was hast du gethan? stieß das Mädchen zitternd und erbleichend hervor. Nun, Mädchen, erschrick nur nicht, ich habe der Alten da ein bischen vorgehext. Ich war nicht nach Amsterdam, sondern bei meinem Vetter in Waterput, von da kam ich dann und wann Nachts hierher, ging durch die Fallthür ins Haus, wenn Alles schlief, nahm meine brennende Laterne heraus, schob diese Glasbilder vor die Oeffnung und hielt sie an die <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0040"/> würde, schon in grauen Haaren, noch erröthen über das Gebühren vornehmer Liebender.</p><lb/> <p>Es wäre Unrecht, berichten zu wollen, was Rolf und Anntrin an jenem Nachmittag redeten, er in seiner leichtlebigen Art, sie in ihrem tiefen, mächtigen Liebesbewußtsein!</p><lb/> <p>Die schneidende Stimme der Tante rief, nach langem, herzlichem Geplauder, die Liebenden aus ihrer Welt- und Tantenvergessenheit. Neben der Thür, welche von der Viehdiele in die Küche führt, ist stets ein kleines Fenster, um beide Räume mit einer Lampe erhellen zu können. Sieh, Anntrin, flüsterte Rolf, auf dieses Fenster zeigend, da fehlt eine Scheibe — diesem Fenster und dieser Scheibe habe ich es zu danken, daß du heute meine Braut bist, ich trage das ganze Geheimniß in der Tasche!</p><lb/> <p>Dabei holte der Matrose zwei Holzkästen heraus, in deren einem sich ein Laternchen befand.</p><lb/> <p>Was hast du gethan, Rolf, Mar' Joseph, was hast du gethan? stieß das Mädchen zitternd und erbleichend hervor.</p><lb/> <p>Nun, Mädchen, erschrick nur nicht, ich habe der Alten da ein bischen vorgehext. Ich war nicht nach Amsterdam, sondern bei meinem Vetter in Waterput, von da kam ich dann und wann Nachts hierher, ging durch die Fallthür ins Haus, wenn Alles schlief, nahm meine brennende Laterne heraus, schob diese Glasbilder vor die Oeffnung und hielt sie an die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
würde, schon in grauen Haaren, noch erröthen über das Gebühren vornehmer Liebender.
Es wäre Unrecht, berichten zu wollen, was Rolf und Anntrin an jenem Nachmittag redeten, er in seiner leichtlebigen Art, sie in ihrem tiefen, mächtigen Liebesbewußtsein!
Die schneidende Stimme der Tante rief, nach langem, herzlichem Geplauder, die Liebenden aus ihrer Welt- und Tantenvergessenheit. Neben der Thür, welche von der Viehdiele in die Küche führt, ist stets ein kleines Fenster, um beide Räume mit einer Lampe erhellen zu können. Sieh, Anntrin, flüsterte Rolf, auf dieses Fenster zeigend, da fehlt eine Scheibe — diesem Fenster und dieser Scheibe habe ich es zu danken, daß du heute meine Braut bist, ich trage das ganze Geheimniß in der Tasche!
Dabei holte der Matrose zwei Holzkästen heraus, in deren einem sich ein Laternchen befand.
Was hast du gethan, Rolf, Mar' Joseph, was hast du gethan? stieß das Mädchen zitternd und erbleichend hervor.
Nun, Mädchen, erschrick nur nicht, ich habe der Alten da ein bischen vorgehext. Ich war nicht nach Amsterdam, sondern bei meinem Vetter in Waterput, von da kam ich dann und wann Nachts hierher, ging durch die Fallthür ins Haus, wenn Alles schlief, nahm meine brennende Laterne heraus, schob diese Glasbilder vor die Oeffnung und hielt sie an die
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Zitationshilfe: | Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/40>, abgerufen am 16.02.2025. |