Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Ja, ja, Schmuck, das ist ein Geheimniß!

Hast du Geheimnisse vor mir, Rolf Evert?

O nein, Trinchen, Gott Dank keine; wenn ich mir meinen Striethast hole, sollst du es hören und erfahren, wie "klüftig" (schlau) die Liebe macht!

VI.
Der letzte Striethast.

Da es nun schon kälter ward, der vorgerückten Jahreszeit wegen, blieb Sanne Möhe ganz im Bette. An den Werktagen lenkte von dem Lugeck der Wandbettstelle aus ihre scharfe Stimme den Haushalt, und sie hatte nichts lieber, als wenn eine Menge Menschen in Bewegung waren und sie so recht in dem Bewußtsein schwelgen durfte: dies Alles ist mir unterthänig. Am Sonntag war es auf dem Brinkhofe, bis gegen Abend, wo die Nachbarn oder Besucher aus anderen Dörfern einsprachen, sehr still, und dann schlummerte die Alte gewöhnlich, so oft sie nicht nöthig hatte, sich, ihres wachsamen Rufes halber, aufzuraffen. Als Rolf Evert nach der Vesper ins Haus kam, trat ihm Anntrin, welche die Sonntagshauswache übernommen hatte, schon auf der Diele entgegen, und er sagte, er wäre jetzt da, sich seinen Striethast zu holen. Ach, seufzte die Erbin, ich wollte, meine Mutter selig hätte diesen Tag

Ja, ja, Schmuck, das ist ein Geheimniß!

Hast du Geheimnisse vor mir, Rolf Evert?

O nein, Trinchen, Gott Dank keine; wenn ich mir meinen Striethast hole, sollst du es hören und erfahren, wie „klüftig“ (schlau) die Liebe macht!

VI.
Der letzte Striethast.

Da es nun schon kälter ward, der vorgerückten Jahreszeit wegen, blieb Sanne Möhe ganz im Bette. An den Werktagen lenkte von dem Lugeck der Wandbettstelle aus ihre scharfe Stimme den Haushalt, und sie hatte nichts lieber, als wenn eine Menge Menschen in Bewegung waren und sie so recht in dem Bewußtsein schwelgen durfte: dies Alles ist mir unterthänig. Am Sonntag war es auf dem Brinkhofe, bis gegen Abend, wo die Nachbarn oder Besucher aus anderen Dörfern einsprachen, sehr still, und dann schlummerte die Alte gewöhnlich, so oft sie nicht nöthig hatte, sich, ihres wachsamen Rufes halber, aufzuraffen. Als Rolf Evert nach der Vesper ins Haus kam, trat ihm Anntrin, welche die Sonntagshauswache übernommen hatte, schon auf der Diele entgegen, und er sagte, er wäre jetzt da, sich seinen Striethast zu holen. Ach, seufzte die Erbin, ich wollte, meine Mutter selig hätte diesen Tag

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="5">
        <pb facs="#f0038"/>
        <p>Ja, ja, Schmuck, das ist ein Geheimniß<choice><sic/><corr>!</corr></choice></p><lb/>
        <p>Hast du Geheimnisse vor mir, Rolf Evert?</p><lb/>
        <p>O nein, Trinchen, Gott Dank keine; wenn ich mir meinen Striethast hole, sollst du es hören      und erfahren, wie &#x201E;klüftig&#x201C; (schlau) die Liebe macht!</p><lb/>
      </div>
      <div type="chapter" n="6">
        <head>VI.<lb/>
Der letzte Striethast.</head><lb/>
        <p>Da es nun schon kälter ward, der vorgerückten Jahreszeit wegen, blieb Sanne Möhe ganz im      Bette. An den Werktagen lenkte von dem Lugeck der Wandbettstelle aus ihre scharfe Stimme den      Haushalt, und sie hatte nichts lieber, als wenn eine Menge Menschen in Bewegung waren und sie      so recht in dem Bewußtsein schwelgen durfte: dies Alles ist mir unterthänig. Am Sonntag war es      auf dem Brinkhofe, bis gegen Abend, wo die Nachbarn oder Besucher aus anderen Dörfern      einsprachen, sehr still, und dann schlummerte die Alte gewöhnlich, so oft sie nicht nöthig      hatte, sich, ihres wachsamen Rufes halber, aufzuraffen. Als Rolf Evert nach der Vesper ins Haus      kam, trat ihm Anntrin, welche die Sonntagshauswache übernommen hatte, schon auf der Diele      entgegen, und er sagte, er wäre jetzt da, sich seinen Striethast zu holen. Ach, seufzte die      Erbin, ich wollte, meine Mutter selig hätte diesen Tag<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0038] Ja, ja, Schmuck, das ist ein Geheimniß! Hast du Geheimnisse vor mir, Rolf Evert? O nein, Trinchen, Gott Dank keine; wenn ich mir meinen Striethast hole, sollst du es hören und erfahren, wie „klüftig“ (schlau) die Liebe macht! VI. Der letzte Striethast. Da es nun schon kälter ward, der vorgerückten Jahreszeit wegen, blieb Sanne Möhe ganz im Bette. An den Werktagen lenkte von dem Lugeck der Wandbettstelle aus ihre scharfe Stimme den Haushalt, und sie hatte nichts lieber, als wenn eine Menge Menschen in Bewegung waren und sie so recht in dem Bewußtsein schwelgen durfte: dies Alles ist mir unterthänig. Am Sonntag war es auf dem Brinkhofe, bis gegen Abend, wo die Nachbarn oder Besucher aus anderen Dörfern einsprachen, sehr still, und dann schlummerte die Alte gewöhnlich, so oft sie nicht nöthig hatte, sich, ihres wachsamen Rufes halber, aufzuraffen. Als Rolf Evert nach der Vesper ins Haus kam, trat ihm Anntrin, welche die Sonntagshauswache übernommen hatte, schon auf der Diele entgegen, und er sagte, er wäre jetzt da, sich seinen Striethast zu holen. Ach, seufzte die Erbin, ich wollte, meine Mutter selig hätte diesen Tag

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:59:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:59:48Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/38
Zitationshilfe: Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/38>, abgerufen am 24.11.2024.