Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.pdi_373.001 Die von Herbart aufgestellten sittlichen Ideen sind nur pdi_373.012 Die Gefühle, welche hier entstehen und in vielfachen pdi_373.022 1) pdi_373.033
Die Bedeutung des Lebensideals für den Dichter, wie von ihm aus pdi_373.034 erst dessen Weltansicht sich bildet, habe ich zuerst auseinandergesetzt: pdi_373.035 Lessing, pr. Jahrbücher 1867 S. 117-161, dazu: Scherer zum persönlichen pdi_373.036 Gedächtniss, Rundschau 1886 October. pdi_373.001 Die von Herbart aufgestellten sittlichen Ideen sind nur pdi_373.012 Die Gefühle, welche hier entstehen und in vielfachen pdi_373.022 1) pdi_373.033
Die Bedeutung des Lebensideals für den Dichter, wie von ihm aus pdi_373.034 erst dessen Weltansicht sich bildet, habe ich zuerst auseinandergesetzt: pdi_373.035 Lessing, pr. Jahrbücher 1867 S. 117–161, dazu: Scherer zum persönlichen pdi_373.036 Gedächtniss, Rundschau 1886 October. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0075" n="373"/><lb n="pdi_373.001"/> mir gegenüber als Selbstwerth anzuerkennen und in ihrer Sphäre <lb n="pdi_373.002"/> zu schützen: so entstehen Recht und Gerechtigkeit. Mannigfache <lb n="pdi_373.003"/> Gefühle schliessen sich hieran, von dem Antrieb zur Ahndung <lb n="pdi_373.004"/> des Unrechts bis zu dem der Billigkeit. Endlich ist in der Kraft <lb n="pdi_373.005"/> des Willens, als das Höchste, angelegt, dass die Person sich hingeben <lb n="pdi_373.006"/> und aufopfern kann für die Sache oder die Menschen, mit <lb n="pdi_373.007"/> denen sie durch starke Triebe verbunden ist: die höchste Eigenschaft <lb n="pdi_373.008"/> des Willens, seine eigentliche Transcendenz, da er dem <lb n="pdi_373.009"/> Gesetze der Erhaltung durch diese Eigenschaft entnommen und <lb n="pdi_373.010"/> über den ganzen Naturlauf durch sie erhoben ist.</p> <lb n="pdi_373.011"/> <p> Die von Herbart aufgestellten sittlichen Ideen sind nur <lb n="pdi_373.012"/> schattenhafte Abstracta, welche aus der Auffassung der Eigenschaften <lb n="pdi_373.013"/> und ihres Werthes an dieser dem Verstande nie ganz <lb n="pdi_373.014"/> durchdringlichen Lebendigkeit unseres Willens entspringen. Da <lb n="pdi_373.015"/> wir diese Lebendigkeit nur in solchen einzelnen Eigenschaften <lb n="pdi_373.016"/> auffassen und in ihrem Werthe schätzen können, da die innere <lb n="pdi_373.017"/> Structur, in welcher diese Eigenschaften verwebt sind, sehr schwer <lb n="pdi_373.018"/> und vielleicht nie ganz erkennbar ist: konnte bei Herbart die <lb n="pdi_373.019"/> Darstellung in elementaren Ideen entstehen, wie er sie am sittlichen <lb n="pdi_373.020"/> Urtheil aufgefasst hatte.</p> <lb n="pdi_373.021"/> <p> Die Gefühle, welche hier entstehen und in vielfachen <lb n="pdi_373.022"/> Brechungen bald als Bewusstsein eigenen Werthes, bald als <lb n="pdi_373.023"/> Urtheil über andere Personen, bald als Genuss der Anschauung <lb n="pdi_373.024"/> solcher Vollkommenheiten in reinen Typen auftreten, sind nun <lb n="pdi_373.025"/> für das dichterische Auffassen von sehr hervorragender Bedeutung. <lb n="pdi_373.026"/> Indem in dem Dichter die Bilder dieser grossen Eigenschaften <lb n="pdi_373.027"/> des Willens und die aus ihnen stammenden Gefühle <lb n="pdi_373.028"/> wirksam sind, wird ein Lebensideal die Seele seiner Dichtung<note xml:id="PDI_373_1" place="foot" n="1)"><lb n="pdi_373.033"/> Die Bedeutung des Lebensideals für den Dichter, wie von ihm aus <lb n="pdi_373.034"/> erst dessen Weltansicht sich bildet, habe ich zuerst auseinandergesetzt: <lb n="pdi_373.035"/> Lessing, pr. Jahrbücher 1867 S. 117–161, dazu: Scherer zum persönlichen <lb n="pdi_373.036"/> Gedächtniss, Rundschau 1886 October.</note>. <lb n="pdi_373.029"/> Dieser Vorgang der Idealisirung gestaltet Charaktere und Fabel. <lb n="pdi_373.030"/> Zugleich geht von hier eine Idealität in der Führung der <lb n="pdi_373.031"/> Handlung aus, die in dem Willen gegründet ist: sie giebt besonders <lb n="pdi_373.032"/> den Dramen Schillers den grossen gehaltenen Athem in </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [373/0075]
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mir gegenüber als Selbstwerth anzuerkennen und in ihrer Sphäre pdi_373.002
zu schützen: so entstehen Recht und Gerechtigkeit. Mannigfache pdi_373.003
Gefühle schliessen sich hieran, von dem Antrieb zur Ahndung pdi_373.004
des Unrechts bis zu dem der Billigkeit. Endlich ist in der Kraft pdi_373.005
des Willens, als das Höchste, angelegt, dass die Person sich hingeben pdi_373.006
und aufopfern kann für die Sache oder die Menschen, mit pdi_373.007
denen sie durch starke Triebe verbunden ist: die höchste Eigenschaft pdi_373.008
des Willens, seine eigentliche Transcendenz, da er dem pdi_373.009
Gesetze der Erhaltung durch diese Eigenschaft entnommen und pdi_373.010
über den ganzen Naturlauf durch sie erhoben ist.
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Die von Herbart aufgestellten sittlichen Ideen sind nur pdi_373.012
schattenhafte Abstracta, welche aus der Auffassung der Eigenschaften pdi_373.013
und ihres Werthes an dieser dem Verstande nie ganz pdi_373.014
durchdringlichen Lebendigkeit unseres Willens entspringen. Da pdi_373.015
wir diese Lebendigkeit nur in solchen einzelnen Eigenschaften pdi_373.016
auffassen und in ihrem Werthe schätzen können, da die innere pdi_373.017
Structur, in welcher diese Eigenschaften verwebt sind, sehr schwer pdi_373.018
und vielleicht nie ganz erkennbar ist: konnte bei Herbart die pdi_373.019
Darstellung in elementaren Ideen entstehen, wie er sie am sittlichen pdi_373.020
Urtheil aufgefasst hatte.
pdi_373.021
Die Gefühle, welche hier entstehen und in vielfachen pdi_373.022
Brechungen bald als Bewusstsein eigenen Werthes, bald als pdi_373.023
Urtheil über andere Personen, bald als Genuss der Anschauung pdi_373.024
solcher Vollkommenheiten in reinen Typen auftreten, sind nun pdi_373.025
für das dichterische Auffassen von sehr hervorragender Bedeutung. pdi_373.026
Indem in dem Dichter die Bilder dieser grossen Eigenschaften pdi_373.027
des Willens und die aus ihnen stammenden Gefühle pdi_373.028
wirksam sind, wird ein Lebensideal die Seele seiner Dichtung 1). pdi_373.029
Dieser Vorgang der Idealisirung gestaltet Charaktere und Fabel. pdi_373.030
Zugleich geht von hier eine Idealität in der Führung der pdi_373.031
Handlung aus, die in dem Willen gegründet ist: sie giebt besonders pdi_373.032
den Dramen Schillers den grossen gehaltenen Athem in
1) pdi_373.033
Die Bedeutung des Lebensideals für den Dichter, wie von ihm aus pdi_373.034
erst dessen Weltansicht sich bildet, habe ich zuerst auseinandergesetzt: pdi_373.035
Lessing, pr. Jahrbücher 1867 S. 117–161, dazu: Scherer zum persönlichen pdi_373.036
Gedächtniss, Rundschau 1886 October.
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