Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.pdi_353.001 Die zweite Classe dieser Vorgänge ist da wirksam, wo pdi_353.006 Erstes Gesetz. Wahrnehmungen und Vorstellungen oder pdi_353.026 pdi_353.001 Die zweite Classe dieser Vorgänge ist da wirksam, wo pdi_353.006 Erstes Gesetz. Wahrnehmungen und Vorstellungen oder pdi_353.026 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0055" n="353"/><lb n="pdi_353.001"/> werden. Und ein solches Innewerden in der Empfindung erfasst <lb n="pdi_353.002"/> dann weiter elementare Beziehungen zwischen diesen Wahrnehmungen <lb n="pdi_353.003"/> und Vorstellungen, wie sie in der Angrenzung im <lb n="pdi_353.004"/> Raum oder dem Aneinanderhaften in der Zeit vorliegen.</p> <lb n="pdi_353.005"/> <p> Die zweite Classe dieser Vorgänge ist da wirksam, wo <lb n="pdi_353.006"/> Wahrnehmungen und Vorstellungen oder deren Bestandtheile <lb n="pdi_353.007"/> von einander in das Bewusstsein gerufen werden. Hier regieren <lb n="pdi_353.008"/> das Gesetz der <hi rendition="#g">Verschmelzung</hi> und das der <hi rendition="#g">Association.</hi> <lb n="pdi_353.009"/> Die durchgreifende Bedeutung dieser beiden Gesetze für das <lb n="pdi_353.010"/> Seelenleben kann mit der verglichen werden, welche die Bewegungsgesetze <lb n="pdi_353.011"/> für unsere Erklärung der äusseren Natur haben. <lb n="pdi_353.012"/> Sie bezeichnen elementare Eigenschaften des Seelenlebens, welche <lb n="pdi_353.013"/> dasselbe durchgreifend von dem Lauf der Natur unterscheiden. <lb n="pdi_353.014"/> Daher wird jeder Versuch missglücken, diese Gesetze durch <lb n="pdi_353.015"/> die Analogien der Mechanik näher bestimmbar zu machen. Wohl <lb n="pdi_353.016"/> müssen von der Aussenwelt Bilder zur Bezeichnung seelischer <lb n="pdi_353.017"/> Vorgänge entlehnt werden, da diese letzteren spät erst zur Beobachtung <lb n="pdi_353.018"/> kamen und unter dem Eindruck der schon ausgebildeten <lb n="pdi_353.019"/> Naturerkenntniss zur Auffassung gelangt sind. Aber <lb n="pdi_353.020"/> dies darf nicht darüber täuschen, wie ungeeignet im Grunde <lb n="pdi_353.021"/> diese von dem Räumlichen und seinen Bewegungen entnommenen <lb n="pdi_353.022"/> Bilder zur Erfassung von Gesetzen sind, deren charakteristische <lb n="pdi_353.023"/> Merkmale eben durch die ganz abweichende Natur der seelischen <lb n="pdi_353.024"/> Vorgänge bedingt sind.</p> <lb n="pdi_353.025"/> <p> Erstes Gesetz. Wahrnehmungen und Vorstellungen oder <lb n="pdi_353.026"/> deren Bestandtheile, welche einander gleich oder ähnlich sind, <lb n="pdi_353.027"/> treten, unabhängig von der Stelle, welche sie im seelischen <lb n="pdi_353.028"/> Zusammenhang einnehmen, in einander und bilden Einen Inhalt, <lb n="pdi_353.029"/> der in der Regel mit dem Bewusstsein der verschiedenen Acte <lb n="pdi_353.030"/> verbunden ist und Verschiedenheiten zwischen den Inhalten, sofern <lb n="pdi_353.031"/> diese nicht vernachlässigt werden, einschliesst. Im Unterschied <lb n="pdi_353.032"/> von dem Causalzusammenhang der Aussenwelt sind für <lb n="pdi_353.033"/> diesen seelischen Vorgang alle Vorstellungen gleich nahe und gleich <lb n="pdi_353.034"/> fern von einander; auch die am weitesten im seelischen Zusammenhang <lb n="pdi_353.035"/> von einander abstehenden Vorstellungen treten in <lb n="pdi_353.036"/> einander, einfach weil sie verwandt sind. Indem dann die Bewusstseinserregung </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [353/0055]
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werden. Und ein solches Innewerden in der Empfindung erfasst pdi_353.002
dann weiter elementare Beziehungen zwischen diesen Wahrnehmungen pdi_353.003
und Vorstellungen, wie sie in der Angrenzung im pdi_353.004
Raum oder dem Aneinanderhaften in der Zeit vorliegen.
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Die zweite Classe dieser Vorgänge ist da wirksam, wo pdi_353.006
Wahrnehmungen und Vorstellungen oder deren Bestandtheile pdi_353.007
von einander in das Bewusstsein gerufen werden. Hier regieren pdi_353.008
das Gesetz der Verschmelzung und das der Association. pdi_353.009
Die durchgreifende Bedeutung dieser beiden Gesetze für das pdi_353.010
Seelenleben kann mit der verglichen werden, welche die Bewegungsgesetze pdi_353.011
für unsere Erklärung der äusseren Natur haben. pdi_353.012
Sie bezeichnen elementare Eigenschaften des Seelenlebens, welche pdi_353.013
dasselbe durchgreifend von dem Lauf der Natur unterscheiden. pdi_353.014
Daher wird jeder Versuch missglücken, diese Gesetze durch pdi_353.015
die Analogien der Mechanik näher bestimmbar zu machen. Wohl pdi_353.016
müssen von der Aussenwelt Bilder zur Bezeichnung seelischer pdi_353.017
Vorgänge entlehnt werden, da diese letzteren spät erst zur Beobachtung pdi_353.018
kamen und unter dem Eindruck der schon ausgebildeten pdi_353.019
Naturerkenntniss zur Auffassung gelangt sind. Aber pdi_353.020
dies darf nicht darüber täuschen, wie ungeeignet im Grunde pdi_353.021
diese von dem Räumlichen und seinen Bewegungen entnommenen pdi_353.022
Bilder zur Erfassung von Gesetzen sind, deren charakteristische pdi_353.023
Merkmale eben durch die ganz abweichende Natur der seelischen pdi_353.024
Vorgänge bedingt sind.
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Erstes Gesetz. Wahrnehmungen und Vorstellungen oder pdi_353.026
deren Bestandtheile, welche einander gleich oder ähnlich sind, pdi_353.027
treten, unabhängig von der Stelle, welche sie im seelischen pdi_353.028
Zusammenhang einnehmen, in einander und bilden Einen Inhalt, pdi_353.029
der in der Regel mit dem Bewusstsein der verschiedenen Acte pdi_353.030
verbunden ist und Verschiedenheiten zwischen den Inhalten, sofern pdi_353.031
diese nicht vernachlässigt werden, einschliesst. Im Unterschied pdi_353.032
von dem Causalzusammenhang der Aussenwelt sind für pdi_353.033
diesen seelischen Vorgang alle Vorstellungen gleich nahe und gleich pdi_353.034
fern von einander; auch die am weitesten im seelischen Zusammenhang pdi_353.035
von einander abstehenden Vorstellungen treten in pdi_353.036
einander, einfach weil sie verwandt sind. Indem dann die Bewusstseinserregung
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