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Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.

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Jahren verheirathet, das Jahr darauf mit einer Familie belastet, pdi_348.002
fast noch ein Knabe, hinter sich die Erfahrungen von Liebe und pdi_348.003
Ehe, in das Meer des Londoner Lebens geworfen, von da ab in pdi_348.004
höchst zusammengesetzten Lebenslagen als Schauspieler, Dichter, pdi_348.005
Theaterbesitzer, in schwierigen Verhältnissen zu Hof und Adel pdi_348.006
Englands, als ein Dreissiger auf der Höhe von Ruhm und Wohlstand, pdi_348.007
dann schon als ein Vierziger wohlhabender Landgentleman pdi_348.008
in Stratford und ausruhend in seinem stattlichen Hause von dem pdi_348.009
Sturm seines Lebens; das Alles im Zeitalter der Elisabeth, in jener pdi_348.010
heroischen Epoche Englands, die voll von mächtigen Charakteren pdi_348.011
und blutigen Staatsactionen war, durch welche alle hindurch England pdi_348.012
zum ersten Seestaate aufstieg; und zwar ereigneten sich pdi_348.013
diese Staatsactionen auf den Strassen Londons; das Auge des pdi_348.014
Betrachters aber war durch die Schriftsteller der Renaissance pdi_348.015
ganz unbefangen, hell und heiter geworden. So finden wir Cervantes pdi_348.016
in einer wechselvollen und von Abenteuern erfüllten pdi_348.017
Laufbahn als Secretair eines päpstlichen Legaten, als Soldaten pdi_348.018
in den verschiedensten Feldzügen, dann in Gefangenschaft. pdi_348.019
Aeschylos und Sophokles so gut als die grossen englischen Dichter pdi_348.020
haben im thätigen Leben ihr Verständniss der Welt erworben, pdi_348.021
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Hofe der Welt, heroische Gesinnung und tragische pdi_348.023
Schicksale von Königen und Fürsten so zu schildern, dass dies pdi_348.024
Zeitalter des Königthums darin seinen Spiegel sah. Auf typische pdi_348.025
Weise hat Goethe in Weimar die Freude eines wahren Dichters pdi_348.026
über die Erweiterung seiner Erfahrungen im thätigen Leben pdi_348.027
ausgesprochen. Und Dickens, der Schöpfer unseres gegenwärtigen pdi_348.028
Romans, hat als Lehrjunge, Advocatenschreiber, Reporter pdi_348.029
im Parlament und auf allen Strassen Englands, endlich pdi_348.030
auf weiten Reisen in zwei Welttheilen, die Gesellschaft und den pdi_348.031
Menschen überall von Schulen und Gefängnissen aufwärts bis pdi_348.032
zu den Palästen Italiens studirend, jene ungeheure Menge von pdi_348.033
Bildern und Erlebnissen angehäuft, über welche er dann so pdi_348.034
souverän verfügt hat, wie Rubens über die Farben seiner Palette.

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Andere Dichter haben in der Fülle innerer Erlebnisse pdi_348.036
ihre Existenz gehabt, das Auge nach innen gerichtet, auf

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souverän verfügt hat, wie Rubens über die Farben seiner Palette.

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Zitationshilfe: Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482, hier S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_poetik_1887/50>, abgerufen am 27.11.2024.