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Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.

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Schema der dramatischen Form abgeleitet. Das Drama hat pdi_472.003
einen pyramidalen Bau: es steigt von der Einleitung ab durch pdi_472.004
die wachsende Wirksamkeit des erregenden Moments bis zum pdi_472.005
Höhepunkt und fällt von diesem ab bis zur Katastrophe. So pdi_472.006
treten zwischen die drei ursprünglichen Theile, das Aufsteigen, pdi_472.007
den Höhepunkt und die Katastrophe, zwei andere, Steigerung pdi_472.008
und Fallen. Diese fünf Theile gliedern sich wieder in pdi_472.009
Scenen und Scenengruppen, nur dass der Höhepunkt gewöhnlich pdi_472.010
in eine Hauptscene gefasst ist. Zwischen diese fünf Theile pdi_472.011
treten sondernd und verbindend drei wichtige scenische Punkte: pdi_472.012
nämlich zwischen Einleitung und Steigerung das erregende pdi_472.013
Moment, zwischen Höhepunkt und Umkehr das tragische Moment, pdi_472.014
endlich zwischen Umkehr und Katastrophe als Hülfsmittel pdi_472.015
des Baus das Moment der letzten Spannung. So sind pdi_472.016
acht Stellen des Dramas zu unterscheiden. Und zwar hat eine pdi_472.017
jede dieser acht Stellen wiederum nach ihrer Lage in dem pdi_472.018
Ganzen der dramatischen Structur ihre besondere Gestaltung. pdi_472.019
Mit dem Behagen des bühnenerfahrenen Technikers und des pdi_472.020
scharfen Kopfes hat Gustav Freytag in diesem Formgesetz die pdi_472.021
dynamischen Verhältnisse in einer Handlung entwickelt, welche pdi_472.022
von einer Leidenschaft aufwärts getrieben wird, dann eine pdi_472.023
Gegenwirkung erfährt und so einer Katastrophe entgegeneilt. pdi_472.024
Das sind aber nicht die Bedingungen des grossen Dramas überhaupt, pdi_472.025
sondern nur eines bestimmten Typus desselben.

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Die Technik des griechischen Dramas ist ebenso pdi_472.027
von einem geschichtlichen Lebensgehalt bestimmt, als die des pdi_472.028
spanischen oder des englischen. Von dem Dithyrambos der pdi_472.029
Dionysosfeste her ist der ergreifende Gehalt der attischen Tragödie, pdi_472.030
dass der innerste heilige Kern des Glaubens einem damaligen pdi_472.031
attischen Menschen hier plötzlich in sinnlicher Wirklichkeit pdi_472.032
und Gefühlsmacht gegenübertrat. Und da nun Stammes- und pdi_472.033
Göttersagen ihre Handlung durch mehrere Geschlechter hindurchführten, pdi_472.034
entstand auf der Grundlage der Bühneneinrichtung, pdi_472.035
der Mitwirkung des Musikalischen, der Gewohnheiten der Redekunst, pdi_472.036
aus diesem Allen in dem schöpferischen Kopfe des

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von einem geschichtlichen Lebensgehalt bestimmt, als die des pdi_472.028
spanischen oder des englischen. Von dem Dithyrambos der pdi_472.029
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Zitationshilfe: Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482, hier S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_poetik_1887/174>, abgerufen am 27.11.2024.