Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.pdi_463.001 So entsteht die schöne Aufgabe, in diesem Gebiete auf der pdi_463.006 Wir erläutern dies zunächst an den Tropen. Der reale pdi_463.017 Liegt doch das oberste Princip des Weltverständnisses in der pdi_463.025 pdi_463.001 So entsteht die schöne Aufgabe, in diesem Gebiete auf der pdi_463.006 Wir erläutern dies zunächst an den Tropen. Der reale pdi_463.017 Liegt doch das oberste Princip des Weltverständnisses in der pdi_463.025 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0165" n="463"/><lb n="pdi_463.001"/> Poetik Scaligers verhält sich in ihrer ausserordentlich spitzfindigen <lb n="pdi_463.002"/> Durcharbeitung dieser Formen zu der Lehre der Alten <lb n="pdi_463.003"/> wie die classische französische Theorie von der tragischen Handlung <lb n="pdi_463.004"/> zu Aristoteles.</p> <lb n="pdi_463.005"/> <p> So entsteht die schöne Aufgabe, in diesem Gebiete auf der <lb n="pdi_463.006"/> Grundlage der Sprachwissenschaft Causalerkenntniss, gleichsam <lb n="pdi_463.007"/> eine <hi rendition="#g">dynamische Betrachtungsweise,</hi> durchzuführen. <lb n="pdi_463.008"/> Die Principien für die Lösung dieser Aufgabe wurden in der <lb n="pdi_463.009"/> psychologischen Grundlegung entwickelt. Ihre Anwendung wird <lb n="pdi_463.010"/> von dem Satz geregelt: Die Natur des dichterischen Schaffens, die <lb n="pdi_463.011"/> Motive, Fabel, Personen und Handlung aus dem Stoff gestaltet, <lb n="pdi_463.012"/> wirkt auch in den einzelnen Mitteln der Darstellung, ja bis <lb n="pdi_463.013"/> in jeden Laut derselben, und aus ihr müssen die Formen, <lb n="pdi_463.014"/> welche die classische Rhetorik und Poetik aufzählt, interpretirt <lb n="pdi_463.015"/> werden.</p> <lb n="pdi_463.016"/> <p> Wir erläutern dies zunächst an den <hi rendition="#g">Tropen.</hi> Der reale <lb n="pdi_463.017"/> Kern der Poesie, das Erlebniss, enthält eine Beziehung des <lb n="pdi_463.018"/> Innen und Aussen. „Geist und Kleid“, Beseelung und Versinnlichung, <lb n="pdi_463.019"/> die Bedeutsamkeit der Gestalt oder Lautfolge und <lb n="pdi_463.020"/> die bildliche Sichtbarkeit für das flüchtige Seelische: so sieht <lb n="pdi_463.021"/> überall ein Künstlerauge. Im Stein, in der Blume gewahrt und <lb n="pdi_463.022"/> liebt es das stille schaffende Leben, das ruhige Wirken aus <lb n="pdi_463.023"/> sich selbst.</p> <lb n="pdi_463.024"/> <p> Liegt doch das oberste Princip des Weltverständnisses in der <lb n="pdi_463.025"/> psychophysischen Natur des Menschen, welche er auf die ganze Welt <lb n="pdi_463.026"/> überträgt. Und zwar bestehen im Traum und Wahnsinn so gut <lb n="pdi_463.027"/> als in Sprache, Mythos und metaphysischer Begriffsdichtung <hi rendition="#g">feste</hi> <lb n="pdi_463.028"/> gesetzmässige <hi rendition="#g">Beziehungen</hi> zwischen <hi rendition="#g">inneren Zuständen</hi> <lb n="pdi_463.029"/> und <hi rendition="#g">äusseren Bildern.</hi> Versteht man unter einem natürlichen <lb n="pdi_463.030"/> Symbol das Bildliche, das in fester, gesetzlicher Beziehung <lb n="pdi_463.031"/> zu einem inneren Zustande steht, so zeigt die vergleichende <lb n="pdi_463.032"/> Betrachtung, dass auf Grund unseres psychophysischen <lb n="pdi_463.033"/> Wesens ein Kreis natürlicher Symbole für Traum und Wahnsinn, <lb n="pdi_463.034"/> wie für Sprache, Mythos und Dichtung besteht. Wenn <lb n="pdi_463.035"/> eine Seite durch Druck beim Liegen taub geworden ist, so stellt <lb n="pdi_463.036"/> der Träumer sich einen neben ihm Liegenden vor, oder wenn </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [463/0165]
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Poetik Scaligers verhält sich in ihrer ausserordentlich spitzfindigen pdi_463.002
Durcharbeitung dieser Formen zu der Lehre der Alten pdi_463.003
wie die classische französische Theorie von der tragischen Handlung pdi_463.004
zu Aristoteles.
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So entsteht die schöne Aufgabe, in diesem Gebiete auf der pdi_463.006
Grundlage der Sprachwissenschaft Causalerkenntniss, gleichsam pdi_463.007
eine dynamische Betrachtungsweise, durchzuführen. pdi_463.008
Die Principien für die Lösung dieser Aufgabe wurden in der pdi_463.009
psychologischen Grundlegung entwickelt. Ihre Anwendung wird pdi_463.010
von dem Satz geregelt: Die Natur des dichterischen Schaffens, die pdi_463.011
Motive, Fabel, Personen und Handlung aus dem Stoff gestaltet, pdi_463.012
wirkt auch in den einzelnen Mitteln der Darstellung, ja bis pdi_463.013
in jeden Laut derselben, und aus ihr müssen die Formen, pdi_463.014
welche die classische Rhetorik und Poetik aufzählt, interpretirt pdi_463.015
werden.
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Wir erläutern dies zunächst an den Tropen. Der reale pdi_463.017
Kern der Poesie, das Erlebniss, enthält eine Beziehung des pdi_463.018
Innen und Aussen. „Geist und Kleid“, Beseelung und Versinnlichung, pdi_463.019
die Bedeutsamkeit der Gestalt oder Lautfolge und pdi_463.020
die bildliche Sichtbarkeit für das flüchtige Seelische: so sieht pdi_463.021
überall ein Künstlerauge. Im Stein, in der Blume gewahrt und pdi_463.022
liebt es das stille schaffende Leben, das ruhige Wirken aus pdi_463.023
sich selbst.
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Liegt doch das oberste Princip des Weltverständnisses in der pdi_463.025
psychophysischen Natur des Menschen, welche er auf die ganze Welt pdi_463.026
überträgt. Und zwar bestehen im Traum und Wahnsinn so gut pdi_463.027
als in Sprache, Mythos und metaphysischer Begriffsdichtung feste pdi_463.028
gesetzmässige Beziehungen zwischen inneren Zuständen pdi_463.029
und äusseren Bildern. Versteht man unter einem natürlichen pdi_463.030
Symbol das Bildliche, das in fester, gesetzlicher Beziehung pdi_463.031
zu einem inneren Zustande steht, so zeigt die vergleichende pdi_463.032
Betrachtung, dass auf Grund unseres psychophysischen pdi_463.033
Wesens ein Kreis natürlicher Symbole für Traum und Wahnsinn, pdi_463.034
wie für Sprache, Mythos und Dichtung besteht. Wenn pdi_463.035
eine Seite durch Druck beim Liegen taub geworden ist, so stellt pdi_463.036
der Träumer sich einen neben ihm Liegenden vor, oder wenn
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