Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.pdi_453.001 entweder hat die Structur der Fabel den Mittelpunkt pdi_453.035 pdi_453.001 entweder hat die Structur der Fabel den Mittelpunkt pdi_453.035 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0155" n="453"/><lb n="pdi_453.001"/> zu the fortunes of Nigel hervorzugehen. „Hauptmann: Wenigstens <lb n="pdi_453.002"/> sollen Sie sich Zeit nehmen, Ihre Geschichte zu ordnen. <lb n="pdi_453.003"/> Verfasser: Das ist ein harter Punkt für mich, mein Sohn. <lb n="pdi_453.004"/> Glauben Sie mir, ich bin nicht so thöricht gewesen, die gewöhnliche <lb n="pdi_453.005"/> Vorsicht zu vernachlässigen. Ich habe mein künftiges <lb n="pdi_453.006"/> Werk zu wiederholten Malen abgewogen, es in Bände und Capitel <lb n="pdi_453.007"/> eingetheilt und mich bemüht, eine Geschichte zusammenzufügen, <lb n="pdi_453.008"/> welche sich stufenweise und schlagend entwickelte, die <lb n="pdi_453.009"/> Spannung erhielt und die Neugier reizte und zuletzt in einer <lb n="pdi_453.010"/> packenden Katastrophe endigte. Aber ich glaube, ein böser <lb n="pdi_453.011"/> Geist setzt sich mir auf die Feder, wenn ich anfange zu schreiben <lb n="pdi_453.012"/> und lenkt sie anders, als ich will. Die Charaktere dehnen <lb n="pdi_453.013"/> sich unter der Hand, die Vorfälle mehren sich, die Geschichte <lb n="pdi_453.014"/> stockt, während der Stoff anschwillt; mein regelrechtes Haus <lb n="pdi_453.015"/> wird zu verschnörkelter Gothik und das Werk ist geschlossen, ehe <lb n="pdi_453.016"/> ich das Ziel erreiche, das ich mir vorgesteckt.“ ─ <hi rendition="#g">Balzac</hi> schrieb <lb n="pdi_453.017"/> nicht nur ein Scenarium nieder, sondern liess es in schmalen <lb n="pdi_453.018"/> Colonnen auf breiten Fahnen drucken. Aus den Erweiterungen <lb n="pdi_453.019"/> dieses Scenariums bildete sich in mindestens einem halben <lb n="pdi_453.020"/> Dutzend Drucken sein Roman (Gautier p. 73). ─ <hi rendition="#g">Spielhagen</hi> <lb n="pdi_453.021"/> erzählt Folgendes in seiner Technik des Romans (S. 26), welche <lb n="pdi_453.022"/> so reich an technischen Einsichten ist, wie eben nur Mittheilungen <lb n="pdi_453.023"/> eines Dichters es sein können. Vor der Ausarbeitung fertigt er <lb n="pdi_453.024"/> eine Liste der Personen an, soweit er sie schon kennt, und zwar <lb n="pdi_453.025"/> mit ihrem Signalement; ebenso entwirft er einen Aufriss des <lb n="pdi_453.026"/> Planes. Eine detaillirte Aufzeichnung wird dann bald durch <lb n="pdi_453.027"/> den unwiderstehlichen Drang, zur Ausführung selber überzugehen, <lb n="pdi_453.028"/> unterbrochen. Die Fabel der epischen Erzählung erfährt während <lb n="pdi_453.029"/> der Ausführung öfter Veränderungen, als die des Dramas, weil <lb n="pdi_453.030"/> ihre Glieder nicht so fest gefügt sind. ─ Da nun die Fabel aus <lb n="pdi_453.031"/> Charakteren und aus Handlungen oder Begebenheiten zusammengefügt <lb n="pdi_453.032"/> ist, entstehen <hi rendition="#g">zwei Grundformen ihrer Structur.</hi> <lb n="pdi_453.033"/> Wir stellen den Satz auf:</p> <lb n="pdi_453.034"/> <p> <hi rendition="#et">entweder hat die Structur der Fabel den Mittelpunkt <lb n="pdi_453.035"/> der ästhetischen Wirkung und demgemäss des Gefüges <lb n="pdi_453.036"/> in dem Vorgang innerhalb der Seele des </hi> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [453/0155]
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zu the fortunes of Nigel hervorzugehen. „Hauptmann: Wenigstens pdi_453.002
sollen Sie sich Zeit nehmen, Ihre Geschichte zu ordnen. pdi_453.003
Verfasser: Das ist ein harter Punkt für mich, mein Sohn. pdi_453.004
Glauben Sie mir, ich bin nicht so thöricht gewesen, die gewöhnliche pdi_453.005
Vorsicht zu vernachlässigen. Ich habe mein künftiges pdi_453.006
Werk zu wiederholten Malen abgewogen, es in Bände und Capitel pdi_453.007
eingetheilt und mich bemüht, eine Geschichte zusammenzufügen, pdi_453.008
welche sich stufenweise und schlagend entwickelte, die pdi_453.009
Spannung erhielt und die Neugier reizte und zuletzt in einer pdi_453.010
packenden Katastrophe endigte. Aber ich glaube, ein böser pdi_453.011
Geist setzt sich mir auf die Feder, wenn ich anfange zu schreiben pdi_453.012
und lenkt sie anders, als ich will. Die Charaktere dehnen pdi_453.013
sich unter der Hand, die Vorfälle mehren sich, die Geschichte pdi_453.014
stockt, während der Stoff anschwillt; mein regelrechtes Haus pdi_453.015
wird zu verschnörkelter Gothik und das Werk ist geschlossen, ehe pdi_453.016
ich das Ziel erreiche, das ich mir vorgesteckt.“ ─ Balzac schrieb pdi_453.017
nicht nur ein Scenarium nieder, sondern liess es in schmalen pdi_453.018
Colonnen auf breiten Fahnen drucken. Aus den Erweiterungen pdi_453.019
dieses Scenariums bildete sich in mindestens einem halben pdi_453.020
Dutzend Drucken sein Roman (Gautier p. 73). ─ Spielhagen pdi_453.021
erzählt Folgendes in seiner Technik des Romans (S. 26), welche pdi_453.022
so reich an technischen Einsichten ist, wie eben nur Mittheilungen pdi_453.023
eines Dichters es sein können. Vor der Ausarbeitung fertigt er pdi_453.024
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Planes. Eine detaillirte Aufzeichnung wird dann bald durch pdi_453.027
den unwiderstehlichen Drang, zur Ausführung selber überzugehen, pdi_453.028
unterbrochen. Die Fabel der epischen Erzählung erfährt während pdi_453.029
der Ausführung öfter Veränderungen, als die des Dramas, weil pdi_453.030
ihre Glieder nicht so fest gefügt sind. ─ Da nun die Fabel aus pdi_453.031
Charakteren und aus Handlungen oder Begebenheiten zusammengefügt pdi_453.032
ist, entstehen zwei Grundformen ihrer Structur. pdi_453.033
Wir stellen den Satz auf:
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der ästhetischen Wirkung und demgemäss des Gefüges pdi_453.036
in dem Vorgang innerhalb der Seele des
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