Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.pdi_408.001 Schliesslich mag solchen Selbstzeugnissen wahrer Dichter pdi_408.016 1) pdi_408.036
An Autobiography by Anthony Trollope, vol. I, p. 56. pdi_408.001 Schliesslich mag solchen Selbstzeugnissen wahrer Dichter pdi_408.016 1) pdi_408.036
An Autobiography by Anthony Trollope, vol. I, p. 56. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0110" n="408"/><lb n="pdi_408.001"/> aus, wie ein Hebbel'sches Stück, Alles ist abstract ausgesprochen, <lb n="pdi_408.002"/> jede Veränderung der Situation, jedes Stück Charakterentwicklung <lb n="pdi_408.003"/> gleichsam ein psychologisches Präparat, das Gespräch <lb n="pdi_408.004"/> ist nicht mehr wirkliches Gespräch, sondern eine Reihe von <lb n="pdi_408.005"/> psychologischen und charakteristischen Zügen, pragmatischen und <lb n="pdi_408.006"/> höheren Motiven. Ich könnte es nun so lassen, und vor <lb n="pdi_408.007"/> dem Verstande würde es so besser bestehen als nachher. <lb n="pdi_408.008"/> Auch an zeitgemässen Stellen fehlt es nicht, die dem Publicum <lb n="pdi_408.009"/> gefallen könnten. Aber ich kann mir nicht helfen, dergleichen <lb n="pdi_408.010"/> ist mir kein poetisches Kunstwerk, auch die Hebbel'schen Stücke <lb n="pdi_408.011"/> kommen mir immer nur vor wie der rohe Stoff zu einem Kunstwerk, <lb n="pdi_408.012"/> nicht wie ein solches selbst. Es ist noch kein Mensch <lb n="pdi_408.013"/> geworden, es ist ein Gerippe, etwas Fleisch darum, dem man <lb n="pdi_408.014"/> aber die Zusammensetzung noch anmerkt.“</p> <lb n="pdi_408.015"/> <p> Schliesslich mag solchen Selbstzeugnissen wahrer Dichter <lb n="pdi_408.016"/> das eines unterhaltenden Fabulanten folgen, wie ein Satyrspiel <lb n="pdi_408.017"/> auf den Ernst der tragischen Trilogie. Es zeigt, wie die Gestaltung <lb n="pdi_408.018"/> der Bilder von den Trieben und Begierden aus, die <lb n="pdi_408.019"/> uns als Wünsche und Hoffnungen umgaukeln, in der Jugend <lb n="pdi_408.020"/> zumal, der Ausgangspunkt einer geringeren Dichtungsweise <lb n="pdi_408.021"/> werden könne. Antony <hi rendition="#g">Trollope</hi> schreibt in seiner Selbstbiographie:<note xml:id="PDI_408_1" place="foot" n="1)"><lb n="pdi_408.036"/> An Autobiography by Anthony Trollope, vol. I, p. 56.</note> <lb n="pdi_408.022"/> „Hier gedenke ich nun einer anderen Gewohnheit, <lb n="pdi_408.023"/> mit mir von ganz frühen Jahren erwachsen, welche ich selbst <lb n="pdi_408.024"/> oft mit Missvergnügen betrachtete, gedachte ich der darauf <lb n="pdi_408.025"/> verschwendeten Stunden, welche jedoch, wie ich vermuthe, dahin <lb n="pdi_408.026"/> wirkte, mich zu dem zu machen, was ich bin. Als ein Knabe, <lb n="pdi_408.027"/> ja schon als ein Kind war ich viel auf mich selbst angewiesen. <lb n="pdi_408.028"/> Ich habe schon, als ich von meiner Schulzeit sprach, erwähnt, <lb n="pdi_408.029"/> wie es kam, dass andere Knaben nicht mit mir spielen wollten. <lb n="pdi_408.030"/> So war ich allein und hatte meine Spiele mir selbst zu schaffen. <lb n="pdi_408.031"/> Irgend ein Spiel war mir nothwendig, damals wie immer. Studiren <lb n="pdi_408.032"/> war nicht meine Neigung, und ganz müssig zu sein konnte mir <lb n="pdi_408.033"/> nicht gefallen. So kam es, dass ich immer umherging mit einem <lb n="pdi_408.034"/> Luftschloss, das sich in meinem Innern fest aufbaute. Weder <lb n="pdi_408.035"/> war diese Bauarbeit krampfhaft festgehalten, noch beständigem </p> </div> </body> </text> </TEI> [408/0110]
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aus, wie ein Hebbel'sches Stück, Alles ist abstract ausgesprochen, pdi_408.002
jede Veränderung der Situation, jedes Stück Charakterentwicklung pdi_408.003
gleichsam ein psychologisches Präparat, das Gespräch pdi_408.004
ist nicht mehr wirkliches Gespräch, sondern eine Reihe von pdi_408.005
psychologischen und charakteristischen Zügen, pragmatischen und pdi_408.006
höheren Motiven. Ich könnte es nun so lassen, und vor pdi_408.007
dem Verstande würde es so besser bestehen als nachher. pdi_408.008
Auch an zeitgemässen Stellen fehlt es nicht, die dem Publicum pdi_408.009
gefallen könnten. Aber ich kann mir nicht helfen, dergleichen pdi_408.010
ist mir kein poetisches Kunstwerk, auch die Hebbel'schen Stücke pdi_408.011
kommen mir immer nur vor wie der rohe Stoff zu einem Kunstwerk, pdi_408.012
nicht wie ein solches selbst. Es ist noch kein Mensch pdi_408.013
geworden, es ist ein Gerippe, etwas Fleisch darum, dem man pdi_408.014
aber die Zusammensetzung noch anmerkt.“
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Schliesslich mag solchen Selbstzeugnissen wahrer Dichter pdi_408.016
das eines unterhaltenden Fabulanten folgen, wie ein Satyrspiel pdi_408.017
auf den Ernst der tragischen Trilogie. Es zeigt, wie die Gestaltung pdi_408.018
der Bilder von den Trieben und Begierden aus, die pdi_408.019
uns als Wünsche und Hoffnungen umgaukeln, in der Jugend pdi_408.020
zumal, der Ausgangspunkt einer geringeren Dichtungsweise pdi_408.021
werden könne. Antony Trollope schreibt in seiner Selbstbiographie: 1) pdi_408.022
„Hier gedenke ich nun einer anderen Gewohnheit, pdi_408.023
mit mir von ganz frühen Jahren erwachsen, welche ich selbst pdi_408.024
oft mit Missvergnügen betrachtete, gedachte ich der darauf pdi_408.025
verschwendeten Stunden, welche jedoch, wie ich vermuthe, dahin pdi_408.026
wirkte, mich zu dem zu machen, was ich bin. Als ein Knabe, pdi_408.027
ja schon als ein Kind war ich viel auf mich selbst angewiesen. pdi_408.028
Ich habe schon, als ich von meiner Schulzeit sprach, erwähnt, pdi_408.029
wie es kam, dass andere Knaben nicht mit mir spielen wollten. pdi_408.030
So war ich allein und hatte meine Spiele mir selbst zu schaffen. pdi_408.031
Irgend ein Spiel war mir nothwendig, damals wie immer. Studiren pdi_408.032
war nicht meine Neigung, und ganz müssig zu sein konnte mir pdi_408.033
nicht gefallen. So kam es, dass ich immer umherging mit einem pdi_408.034
Luftschloss, das sich in meinem Innern fest aufbaute. Weder pdi_408.035
war diese Bauarbeit krampfhaft festgehalten, noch beständigem
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An Autobiography by Anthony Trollope, vol. I, p. 56.
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