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Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.

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Andere Stellung des Geistigen.
denknothwendigen Zusammenhang steht, in dem es bedingt ist und
bedingt, zu dem Umkreis der geistigen Thatsachen nie dieselbe
Stellung gehabt, welche er der Außenwelt gegenüber in Anspruch
nehmen darf. Er ist hier nicht das Gesetz, unter welchem jede
Vorstellung von Wirklichkeit steht. Nur sofern die Individuen
einen Raum in der Außenwelt einnehmen, an einem Zeitpunkt
auftreten und sinnfällige Wirkungen in der Außenwelt hervor-
bringen, werden sie in das Netz dieses Zusammenhangs mit ein-
gefügt. So setzt zwar die vollständige Vorstellung der geistigen
Thatsachen ihre äußere Einordnung in den von der Naturwissen-
schaft geschaffenen Zusammenhang voraus, aber unabhängig von
diesem Zusammenhang sind die geistigen Thatsachen als Wirklich-
keit da und haben die volle Realität derselben.

So haben wir in dem Satze vom Grunde die logische Wurzel
aller folgerichtigen Metaphysik d. h. der Vernunftwissenschaft und
in dem Verhältniß des so entstehenden logischen Ideals zur Wirk-
lichkeit den Ursprung der Schwierigkeiten dieser Vernunftwissen-
schaft erkannt. Dieses Verhältniß macht uns nunmehr einen großen
Theil der bisher dargelegten Phänomene der Metaphysik
unter einem allgemeinsten Gesichtspunkt begreiflich.
Folgerichtig ist nur die Metaphysik, welche ihrer Form nach Ver-
nunftwissenschaft ist d. h. einen logischen Weltzusammenhang auf-
zuzeigen sucht. Vernunftwissenschaft war daher gleichsam das
Rückgrat der europäischen Metaphysik. Aber das Gefühl des
Lebens in dem wahrhaftigen, natürlich starken Menschen und der
ihm gegebene Gehalt der Welt ließen sich nicht in dem logischen
Zusammenhang einer allgemeingültigen Wissenschaft erschöpfen.
Die einzelnen Inhalte der Erfahrung, die in ihrer Herkunft von
einander getrennt sind, ließen sich nicht durch Denken einer in den
anderen überführen. Jeder Versuch aber, einen anderen als einen
logischen Zusammenhang in der Wirklichkeit aufzuzeigen, hob die
Form der Wissenschaft zu Gunsten des Gehaltes auf.

Die ganze Phänomenologie der Metaphysik hat gezeigt, daß
die metaphysischen Begriffe und Sätze nicht aus der reinen Stellung
des Erkennens zur Wahrnehmung entsprangen, sondern aus der

Andere Stellung des Geiſtigen.
denknothwendigen Zuſammenhang ſteht, in dem es bedingt iſt und
bedingt, zu dem Umkreis der geiſtigen Thatſachen nie dieſelbe
Stellung gehabt, welche er der Außenwelt gegenüber in Anſpruch
nehmen darf. Er iſt hier nicht das Geſetz, unter welchem jede
Vorſtellung von Wirklichkeit ſteht. Nur ſofern die Individuen
einen Raum in der Außenwelt einnehmen, an einem Zeitpunkt
auftreten und ſinnfällige Wirkungen in der Außenwelt hervor-
bringen, werden ſie in das Netz dieſes Zuſammenhangs mit ein-
gefügt. So ſetzt zwar die vollſtändige Vorſtellung der geiſtigen
Thatſachen ihre äußere Einordnung in den von der Naturwiſſen-
ſchaft geſchaffenen Zuſammenhang voraus, aber unabhängig von
dieſem Zuſammenhang ſind die geiſtigen Thatſachen als Wirklich-
keit da und haben die volle Realität derſelben.

So haben wir in dem Satze vom Grunde die logiſche Wurzel
aller folgerichtigen Metaphyſik d. h. der Vernunftwiſſenſchaft und
in dem Verhältniß des ſo entſtehenden logiſchen Ideals zur Wirk-
lichkeit den Urſprung der Schwierigkeiten dieſer Vernunftwiſſen-
ſchaft erkannt. Dieſes Verhältniß macht uns nunmehr einen großen
Theil der bisher dargelegten Phänomene der Metaphyſik
unter einem allgemeinſten Geſichtspunkt begreiflich.
Folgerichtig iſt nur die Metaphyſik, welche ihrer Form nach Ver-
nunftwiſſenſchaft iſt d. h. einen logiſchen Weltzuſammenhang auf-
zuzeigen ſucht. Vernunftwiſſenſchaft war daher gleichſam das
Rückgrat der europäiſchen Metaphyſik. Aber das Gefühl des
Lebens in dem wahrhaftigen, natürlich ſtarken Menſchen und der
ihm gegebene Gehalt der Welt ließen ſich nicht in dem logiſchen
Zuſammenhang einer allgemeingültigen Wiſſenſchaft erſchöpfen.
Die einzelnen Inhalte der Erfahrung, die in ihrer Herkunft von
einander getrennt ſind, ließen ſich nicht durch Denken einer in den
anderen überführen. Jeder Verſuch aber, einen anderen als einen
logiſchen Zuſammenhang in der Wirklichkeit aufzuzeigen, hob die
Form der Wiſſenſchaft zu Gunſten des Gehaltes auf.

Die ganze Phänomenologie der Metaphyſik hat gezeigt, daß
die metaphyſiſchen Begriffe und Sätze nicht aus der reinen Stellung
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[503/0526] Andere Stellung des Geiſtigen. denknothwendigen Zuſammenhang ſteht, in dem es bedingt iſt und bedingt, zu dem Umkreis der geiſtigen Thatſachen nie dieſelbe Stellung gehabt, welche er der Außenwelt gegenüber in Anſpruch nehmen darf. Er iſt hier nicht das Geſetz, unter welchem jede Vorſtellung von Wirklichkeit ſteht. Nur ſofern die Individuen einen Raum in der Außenwelt einnehmen, an einem Zeitpunkt auftreten und ſinnfällige Wirkungen in der Außenwelt hervor- bringen, werden ſie in das Netz dieſes Zuſammenhangs mit ein- gefügt. So ſetzt zwar die vollſtändige Vorſtellung der geiſtigen Thatſachen ihre äußere Einordnung in den von der Naturwiſſen- ſchaft geſchaffenen Zuſammenhang voraus, aber unabhängig von dieſem Zuſammenhang ſind die geiſtigen Thatſachen als Wirklich- keit da und haben die volle Realität derſelben. So haben wir in dem Satze vom Grunde die logiſche Wurzel aller folgerichtigen Metaphyſik d. h. der Vernunftwiſſenſchaft und in dem Verhältniß des ſo entſtehenden logiſchen Ideals zur Wirk- lichkeit den Urſprung der Schwierigkeiten dieſer Vernunftwiſſen- ſchaft erkannt. Dieſes Verhältniß macht uns nunmehr einen großen Theil der bisher dargelegten Phänomene der Metaphyſik unter einem allgemeinſten Geſichtspunkt begreiflich. Folgerichtig iſt nur die Metaphyſik, welche ihrer Form nach Ver- nunftwiſſenſchaft iſt d. h. einen logiſchen Weltzuſammenhang auf- zuzeigen ſucht. Vernunftwiſſenſchaft war daher gleichſam das Rückgrat der europäiſchen Metaphyſik. Aber das Gefühl des Lebens in dem wahrhaftigen, natürlich ſtarken Menſchen und der ihm gegebene Gehalt der Welt ließen ſich nicht in dem logiſchen Zuſammenhang einer allgemeingültigen Wiſſenſchaft erſchöpfen. Die einzelnen Inhalte der Erfahrung, die in ihrer Herkunft von einander getrennt ſind, ließen ſich nicht durch Denken einer in den anderen überführen. Jeder Verſuch aber, einen anderen als einen logiſchen Zuſammenhang in der Wirklichkeit aufzuzeigen, hob die Form der Wiſſenſchaft zu Gunſten des Gehaltes auf. Die ganze Phänomenologie der Metaphyſik hat gezeigt, daß die metaphyſiſchen Begriffe und Sätze nicht aus der reinen Stellung des Erkennens zur Wahrnehmung entſprangen, ſondern aus der

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Zitationshilfe: Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_geisteswissenschaften_1883/526>, abgerufen am 22.11.2024.