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Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.

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Erstes einleitendes Buch.
hunderts. Aber das Problem der Methodenlehre empfängt durch
den Zusammenhang, in welchem es in der neueren deutschen Philo-
sophie auftritt, eine besondere Form. Diese Form der Aufgabe
ist in dem ganzen Zusammenhang unserer Philosophie objektiv ange-
legt und muß jede Methodenlehre, die unter uns auftritt, unter-
scheiden von den Arbeiten eines Stuart Mill, Whewell oder Jevons.

Die Analysis der Bedingungen des Bewußtseins hat die un-
mittelbare Gewißheit der Außenwelt, die objektive Wahrheit der
Wahrnehmung, alsdann der Sätze, welche die Eigenschaften des
Räumlichen ausdrücken, sowie der Begriffe von Substanz und Ur-
sache, welche die Natur des Wirklichen aussprechen, aufgelöst,
und zwar wurde sie theils getragen, theils bestätigt durch die Er-
gebnisse der Physik und Physiologie: so entsteht die Aufgabe, die
einzelnen Wissenschaften mit diesem kritischen Bewußtsein zu er-
füllen. Den Anforderungen an Evidenz, in welchen die positiven
Wissenschaften der früheren Zeit zusammentrafen mit der formalen
Logik jener Tage, wurde genuggethan, indem die im Bewußtsein
als unmittelbar gewiß auftretenden Thatsachen und Sätze unter
die Gesetze des diskursiven Denkens gestellt wurden. Nunmehr
aber, vom kritischen Standpunkte aus, sind an die Gestaltung
eines seiner Sicherheit klar bewußten Denkzusammenhangs inner-
halb der einzelnen Wissenschaften andere Anforderungen zu stellen.
Hieraus entspringt für die Logik die Aufgabe, diese Anforderungen
zu entwickeln, wie sie der kritische Standpunkt an die Gestaltung
eines seiner Sicherheit klar bewußten Denkzusammenhangs innerhalb
der einzelnen Wissenschaften machen muß.

Eine Logik, welche diese Anforderungen erfüllt, bildet das
Mittelglied zwischen dem Standpunkt, welchen die kritische Philo-
sophie errungen hat, und den fundamentalen Begriffen und Sätzen
der einzelnen Wissenschaften. Denn die Regeln, welche diese Logik
entwirft, wollen die Sicherheit von Sätzen der Einzelwissenschaften
durch einen Zusammenhang gewährleisten, welcher auf die Elemente
gegründet ist, bis zu denen die Analysis des Bewußtseins die
Sicherheit des Wissens zurückführt. Es ist auch hier die nicht
aufzuhaltende Bewegung in der Wissenschaft unseres Jahrhunderts,

Erſtes einleitendes Buch.
hunderts. Aber das Problem der Methodenlehre empfängt durch
den Zuſammenhang, in welchem es in der neueren deutſchen Philo-
ſophie auftritt, eine beſondere Form. Dieſe Form der Aufgabe
iſt in dem ganzen Zuſammenhang unſerer Philoſophie objektiv ange-
legt und muß jede Methodenlehre, die unter uns auftritt, unter-
ſcheiden von den Arbeiten eines Stuart Mill, Whewell oder Jevons.

Die Analyſis der Bedingungen des Bewußtſeins hat die un-
mittelbare Gewißheit der Außenwelt, die objektive Wahrheit der
Wahrnehmung, alsdann der Sätze, welche die Eigenſchaften des
Räumlichen ausdrücken, ſowie der Begriffe von Subſtanz und Ur-
ſache, welche die Natur des Wirklichen ausſprechen, aufgelöſt,
und zwar wurde ſie theils getragen, theils beſtätigt durch die Er-
gebniſſe der Phyſik und Phyſiologie: ſo entſteht die Aufgabe, die
einzelnen Wiſſenſchaften mit dieſem kritiſchen Bewußtſein zu er-
füllen. Den Anforderungen an Evidenz, in welchen die poſitiven
Wiſſenſchaften der früheren Zeit zuſammentrafen mit der formalen
Logik jener Tage, wurde genuggethan, indem die im Bewußtſein
als unmittelbar gewiß auftretenden Thatſachen und Sätze unter
die Geſetze des diskurſiven Denkens geſtellt wurden. Nunmehr
aber, vom kritiſchen Standpunkte aus, ſind an die Geſtaltung
eines ſeiner Sicherheit klar bewußten Denkzuſammenhangs inner-
halb der einzelnen Wiſſenſchaften andere Anforderungen zu ſtellen.
Hieraus entſpringt für die Logik die Aufgabe, dieſe Anforderungen
zu entwickeln, wie ſie der kritiſche Standpunkt an die Geſtaltung
eines ſeiner Sicherheit klar bewußten Denkzuſammenhangs innerhalb
der einzelnen Wiſſenſchaften machen muß.

Eine Logik, welche dieſe Anforderungen erfüllt, bildet das
Mittelglied zwiſchen dem Standpunkt, welchen die kritiſche Philo-
ſophie errungen hat, und den fundamentalen Begriffen und Sätzen
der einzelnen Wiſſenſchaften. Denn die Regeln, welche dieſe Logik
entwirft, wollen die Sicherheit von Sätzen der Einzelwiſſenſchaften
durch einen Zuſammenhang gewährleiſten, welcher auf die Elemente
gegründet iſt, bis zu denen die Analyſis des Bewußtſeins die
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[146/0169] Erſtes einleitendes Buch. hunderts. Aber das Problem der Methodenlehre empfängt durch den Zuſammenhang, in welchem es in der neueren deutſchen Philo- ſophie auftritt, eine beſondere Form. Dieſe Form der Aufgabe iſt in dem ganzen Zuſammenhang unſerer Philoſophie objektiv ange- legt und muß jede Methodenlehre, die unter uns auftritt, unter- ſcheiden von den Arbeiten eines Stuart Mill, Whewell oder Jevons. Die Analyſis der Bedingungen des Bewußtſeins hat die un- mittelbare Gewißheit der Außenwelt, die objektive Wahrheit der Wahrnehmung, alsdann der Sätze, welche die Eigenſchaften des Räumlichen ausdrücken, ſowie der Begriffe von Subſtanz und Ur- ſache, welche die Natur des Wirklichen ausſprechen, aufgelöſt, und zwar wurde ſie theils getragen, theils beſtätigt durch die Er- gebniſſe der Phyſik und Phyſiologie: ſo entſteht die Aufgabe, die einzelnen Wiſſenſchaften mit dieſem kritiſchen Bewußtſein zu er- füllen. Den Anforderungen an Evidenz, in welchen die poſitiven Wiſſenſchaften der früheren Zeit zuſammentrafen mit der formalen Logik jener Tage, wurde genuggethan, indem die im Bewußtſein als unmittelbar gewiß auftretenden Thatſachen und Sätze unter die Geſetze des diskurſiven Denkens geſtellt wurden. Nunmehr aber, vom kritiſchen Standpunkte aus, ſind an die Geſtaltung eines ſeiner Sicherheit klar bewußten Denkzuſammenhangs inner- halb der einzelnen Wiſſenſchaften andere Anforderungen zu ſtellen. Hieraus entſpringt für die Logik die Aufgabe, dieſe Anforderungen zu entwickeln, wie ſie der kritiſche Standpunkt an die Geſtaltung eines ſeiner Sicherheit klar bewußten Denkzuſammenhangs innerhalb der einzelnen Wiſſenſchaften machen muß. Eine Logik, welche dieſe Anforderungen erfüllt, bildet das Mittelglied zwiſchen dem Standpunkt, welchen die kritiſche Philo- ſophie errungen hat, und den fundamentalen Begriffen und Sätzen der einzelnen Wiſſenſchaften. Denn die Regeln, welche dieſe Logik entwirft, wollen die Sicherheit von Sätzen der Einzelwiſſenſchaften durch einen Zuſammenhang gewährleiſten, welcher auf die Elemente gegründet iſt, bis zu denen die Analyſis des Bewußtſeins die Sicherheit des Wiſſens zurückführt. Es iſt auch hier die nicht aufzuhaltende Bewegung in der Wiſſenſchaft unſeres Jahrhunderts,

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Zitationshilfe: Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_geisteswissenschaften_1883/169>, abgerufen am 25.11.2024.