Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.Psychologische Grundlagen d. äuß. Organisation d. Gesellschaft. wirkt als die Motive, welche ihn zu bleiben bestimmen. DasQuantitative in diesem Verhältniß der Intensitäten, dessen Ergeb- niß die äußere Bindung eines Willens in einer Steigerung bis zu dem Punkte, daß kein gegenwirkendes Motiv Aussicht auf Er- folg hat, d. h. der äußere Zwang ist, der Zusammenhang dieser quan- titativen Beziehungen mit dem Begriff einer Mechanik der Gesell- schaft machen diese Begriffsreihe zu einer der fruchtbarsten in der von uns als Begriffe zweiter Ordnung bezeichneten Classe. -- So- fern ein Wille nicht äußerlich gebunden ist, nennen wir seinen Zustand Freiheit. Hier nehmen wir die Folgerungen wieder auf, welche zu der Pſychologiſche Grundlagen d. äuß. Organiſation d. Geſellſchaft. wirkt als die Motive, welche ihn zu bleiben beſtimmen. DasQuantitative in dieſem Verhältniß der Intenſitäten, deſſen Ergeb- niß die äußere Bindung eines Willens in einer Steigerung bis zu dem Punkte, daß kein gegenwirkendes Motiv Ausſicht auf Er- folg hat, d. h. der äußere Zwang iſt, der Zuſammenhang dieſer quan- titativen Beziehungen mit dem Begriff einer Mechanik der Geſell- ſchaft machen dieſe Begriffsreihe zu einer der fruchtbarſten in der von uns als Begriffe zweiter Ordnung bezeichneten Claſſe. — So- fern ein Wille nicht äußerlich gebunden iſt, nennen wir ſeinen Zuſtand Freiheit. Hier nehmen wir die Folgerungen wieder auf, welche zu der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0108" n="85"/><fw place="top" type="header">Pſychologiſche Grundlagen d. äuß. Organiſation d. Geſellſchaft.</fw><lb/> wirkt als die Motive, welche ihn zu bleiben beſtimmen. Das<lb/> Quantitative in dieſem Verhältniß der Intenſitäten, deſſen Ergeb-<lb/> niß die äußere Bindung eines Willens in einer Steigerung bis<lb/> zu dem Punkte, daß kein gegenwirkendes Motiv Ausſicht auf Er-<lb/> folg hat, d. h. der äußere Zwang iſt, der Zuſammenhang dieſer quan-<lb/> titativen Beziehungen mit dem Begriff einer Mechanik der Geſell-<lb/> ſchaft machen dieſe Begriffsreihe zu einer der fruchtbarſten in der<lb/> von uns als Begriffe zweiter Ordnung bezeichneten Claſſe. — So-<lb/> fern ein Wille nicht äußerlich gebunden iſt, nennen wir ſeinen<lb/> Zuſtand Freiheit.</p><lb/> <p>Hier nehmen wir die Folgerungen wieder auf, welche zu der<lb/> Einſicht in die Beſchaffenheit der Grundlegung für die Geiſtes-<lb/> wiſſenſchaften hinleiten. Es ſtand zu vermuthen, daß den Wiſſen-<lb/> ſchaften von der äußeren Organiſation der Menſchheit Begriffe von<lb/> pſychiſchen oder pſychophyſiſchen Thatſachen und Sätze über ſie<lb/> zu Grunde liegen würden, welche denen entſprechen, auf denen<lb/> die Wiſſenſchaften von den Syſtemen der Kultur gegründet ſind.<lb/> Gemeingefühl, Gefühl des Fürſichſeins (eine Thatſache, für die<lb/> wir kein Wort haben), Herrſchaft, Abhängigkeit, Freiheit, Zwang:<lb/> das ſind ſolche pſychiſche und pſychophyſiſche Thatſachen zweiter<lb/> Ordnung, deren Erkenntniß in Begriffen und Sätzen dem Studium<lb/> der äußeren Organiſation der Geſellſchaft zu Grunde liegt. Hier<lb/> fragt ſich zunächſt, welches das Verhältniß dieſer Thatſachen zu<lb/> einander ſei. Iſt z. B. Gefühl der Gemeinſchaft nicht auflösbar in das<lb/> gegenſeitiger Abhängigkeit? Es fragt ſich dann, in welchem Um-<lb/> fang die Analyſis dieſer Thatſachen, ihre Zurückführung auf die<lb/> pſychiſchen Thatſachen erſter Ordnung möglich ſei. So ſchließen<lb/> wir nunmehr: den beiden Claſſen der theoretiſchen Wiſſenſchaften<lb/> der Geſellſchaft liegen Thatſachen zu Grunde, welche nur vermittelſt<lb/> der pſychologiſchen Begriffe und Sätze analyſirt werden können.<lb/> Das Centrum aller Probleme einer ſolchen Grundlegung der<lb/> Geiſteswiſſenſchaft iſt ſonach: die Möglichkeit einer Erkenntniß der<lb/> pſychiſchen Lebenseinheiten und die Grenzen einer ſolchen Erkennt-<lb/> niß; es handelt ſich dann um die Beziehung der pſychologiſchen<lb/> Erkenntniß zu den Thatſachen zweiter Ordnung, durch welche über<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [85/0108]
Pſychologiſche Grundlagen d. äuß. Organiſation d. Geſellſchaft.
wirkt als die Motive, welche ihn zu bleiben beſtimmen. Das
Quantitative in dieſem Verhältniß der Intenſitäten, deſſen Ergeb-
niß die äußere Bindung eines Willens in einer Steigerung bis
zu dem Punkte, daß kein gegenwirkendes Motiv Ausſicht auf Er-
folg hat, d. h. der äußere Zwang iſt, der Zuſammenhang dieſer quan-
titativen Beziehungen mit dem Begriff einer Mechanik der Geſell-
ſchaft machen dieſe Begriffsreihe zu einer der fruchtbarſten in der
von uns als Begriffe zweiter Ordnung bezeichneten Claſſe. — So-
fern ein Wille nicht äußerlich gebunden iſt, nennen wir ſeinen
Zuſtand Freiheit.
Hier nehmen wir die Folgerungen wieder auf, welche zu der
Einſicht in die Beſchaffenheit der Grundlegung für die Geiſtes-
wiſſenſchaften hinleiten. Es ſtand zu vermuthen, daß den Wiſſen-
ſchaften von der äußeren Organiſation der Menſchheit Begriffe von
pſychiſchen oder pſychophyſiſchen Thatſachen und Sätze über ſie
zu Grunde liegen würden, welche denen entſprechen, auf denen
die Wiſſenſchaften von den Syſtemen der Kultur gegründet ſind.
Gemeingefühl, Gefühl des Fürſichſeins (eine Thatſache, für die
wir kein Wort haben), Herrſchaft, Abhängigkeit, Freiheit, Zwang:
das ſind ſolche pſychiſche und pſychophyſiſche Thatſachen zweiter
Ordnung, deren Erkenntniß in Begriffen und Sätzen dem Studium
der äußeren Organiſation der Geſellſchaft zu Grunde liegt. Hier
fragt ſich zunächſt, welches das Verhältniß dieſer Thatſachen zu
einander ſei. Iſt z. B. Gefühl der Gemeinſchaft nicht auflösbar in das
gegenſeitiger Abhängigkeit? Es fragt ſich dann, in welchem Um-
fang die Analyſis dieſer Thatſachen, ihre Zurückführung auf die
pſychiſchen Thatſachen erſter Ordnung möglich ſei. So ſchließen
wir nunmehr: den beiden Claſſen der theoretiſchen Wiſſenſchaften
der Geſellſchaft liegen Thatſachen zu Grunde, welche nur vermittelſt
der pſychologiſchen Begriffe und Sätze analyſirt werden können.
Das Centrum aller Probleme einer ſolchen Grundlegung der
Geiſteswiſſenſchaft iſt ſonach: die Möglichkeit einer Erkenntniß der
pſychiſchen Lebenseinheiten und die Grenzen einer ſolchen Erkennt-
niß; es handelt ſich dann um die Beziehung der pſychologiſchen
Erkenntniß zu den Thatſachen zweiter Ordnung, durch welche über
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