Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.Wir gingen fast den Weg zurück, welchen wir hinaus gezogen. In Mähren war es sehr unsicher. Und durfte sich keiner zwanzig Schritt aus dem Wege machen, ward befohlen; denn die Leute gleich totgeschossen und ausgezogen worden. Wie nicht weniger bei dem Fouragieren es gefährlich herging, da wohl zwanzig Schüsse nach uns geschahen, als ich einsmals mit gewesen. Deswegen auch die Galgen überall vollhingen; alle nackend und bloß. Wir kamen wieder vor Breslau in eben das vorige Dorf zu liegen, wo mir's so wohl gegangen. Und waren diese guten Leut uns weit entgegen gegangen. Derer erste Frage gewesen: ob ich, der Feldscher, noch lebete? Und als sie mich sahen, erfreueten sie sich sehr. Doch beklageten sie mich auch, daß ich nicht mehr in dem Stande, wollten mich gerne wieder ins Quartier haben. Allein der Obristleutenant behielt es vor sich. Doch baten sie sich bei selbigem aus, daß ich mit ihnen speisen mußte. Und thaten mir alles Gutes. Es blieb auch die Abrede, daß ich wiederkommen sollte, welches auch in etlichen Jahren geschähe, - aber zu späte, - denn die Jungfer schon geheiratet hatte. Hinter Krossen, und also zehen Meiln von Frankfurt, mußten wir in großen Dörfern ganzer vier Wochen liegen, und Quarantäne halten. Durften in keine Stadt. Denn wir hatten die ungrische Krankheit gleich einer Peste an'n Hals. Und sturben täglich viel Leute von uns, daß erbärmlich war unser Zustand. Denn Geld kriegeten wir nicht. Kleider und Hembden waren abgerissen bei mir. Ob ich gleich die Kranken warten und ihn'n eingeben mußte und sie gesund machen, war ich doch so voll Ungeziefer, daß ich des Nachtes keine Ruhe hatte. Wir gingen fast den Weg zurück, welchen wir hinaus gezogen. In Mähren war es sehr unsicher. Und durfte sich keiner zwanzig Schritt aus dem Wege machen, ward befohlen; denn die Leute gleich totgeschossen und ausgezogen worden. Wie nicht weniger bei dem Fouragieren es gefährlich herging, da wohl zwanzig Schüsse nach uns geschahen, als ich einsmals mit gewesen. Deswegen auch die Galgen überall vollhingen; alle nackend und bloß. Wir kamen wieder vor Breslau in eben das vorige Dorf zu liegen, wo mir’s so wohl gegangen. Und waren diese guten Leut uns weit entgegen gegangen. Derer erste Frage gewesen: ob ich, der Feldscher, noch lebete? Und als sie mich sahen, erfreueten sie sich sehr. Doch beklageten sie mich auch, daß ich nicht mehr in dem Stande, wollten mich gerne wieder ins Quartier haben. Allein der Obristleutenant behielt es vor sich. Doch baten sie sich bei selbigem aus, daß ich mit ihnen speisen mußte. Und thaten mir alles Gutes. Es blieb auch die Abrede, daß ich wiederkommen sollte, welches auch in etlichen Jahren geschähe, – aber zu späte, – denn die Jungfer schon geheiratet hatte. Hinter Krossen, und also zehen Meiln von Frankfurt, mußten wir in großen Dörfern ganzer vier Wochen liegen, und Quarantäne halten. Durften in keine Stadt. Denn wir hatten die ungrische Krankheit gleich einer Peste an’n Hals. Und sturben täglich viel Leute von uns, daß erbärmlich war unser Zustand. Denn Geld kriegeten wir nicht. Kleider und Hembden waren abgerissen bei mir. Ob ich gleich die Kranken warten und ihn’n eingeben mußte und sie gesund machen, war ich doch so voll Ungeziefer, daß ich des Nachtes keine Ruhe hatte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <pb facs="#f0088"/> <p><hi rendition="#in">W</hi>ir gingen fast den Weg zurück, welchen wir hinaus gezogen. In Mähren war es sehr unsicher. 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Es blieb auch die Abrede, daß ich wiederkommen sollte, welches auch in etlichen Jahren geschähe, – aber zu späte, – denn die Jungfer schon geheiratet hatte.</p> <p><hi rendition="#in">H</hi>inter Krossen, und also zehen Meiln von Frankfurt, mußten wir in großen Dörfern ganzer vier Wochen liegen, und Quarantäne halten. Durften in keine Stadt. Denn wir hatten die ungrische Krankheit gleich einer Peste an’n Hals. Und sturben täglich viel Leute von uns, daß erbärmlich war unser Zustand. Denn Geld kriegeten wir nicht. Kleider und Hembden waren abgerissen bei mir. Ob ich gleich die Kranken warten und ihn’n eingeben mußte und sie gesund machen, war ich doch so voll Ungeziefer, daß ich des Nachtes keine Ruhe hatte. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0088]
Wir gingen fast den Weg zurück, welchen wir hinaus gezogen. In Mähren war es sehr unsicher. Und durfte sich keiner zwanzig Schritt aus dem Wege machen, ward befohlen; denn die Leute gleich totgeschossen und ausgezogen worden. Wie nicht weniger bei dem Fouragieren es gefährlich herging, da wohl zwanzig Schüsse nach uns geschahen, als ich einsmals mit gewesen. Deswegen auch die Galgen überall vollhingen; alle nackend und bloß.
Wir kamen wieder vor Breslau in eben das vorige Dorf zu liegen, wo mir’s so wohl gegangen. Und waren diese guten Leut uns weit entgegen gegangen. Derer erste Frage gewesen: ob ich, der Feldscher, noch lebete? Und als sie mich sahen, erfreueten sie sich sehr. Doch beklageten sie mich auch, daß ich nicht mehr in dem Stande, wollten mich gerne wieder ins Quartier haben. Allein der Obristleutenant behielt es vor sich. Doch baten sie sich bei selbigem aus, daß ich mit ihnen speisen mußte. Und thaten mir alles Gutes. Es blieb auch die Abrede, daß ich wiederkommen sollte, welches auch in etlichen Jahren geschähe, – aber zu späte, – denn die Jungfer schon geheiratet hatte.
Hinter Krossen, und also zehen Meiln von Frankfurt, mußten wir in großen Dörfern ganzer vier Wochen liegen, und Quarantäne halten. Durften in keine Stadt. Denn wir hatten die ungrische Krankheit gleich einer Peste an’n Hals. Und sturben täglich viel Leute von uns, daß erbärmlich war unser Zustand. Denn Geld kriegeten wir nicht. Kleider und Hembden waren abgerissen bei mir. Ob ich gleich die Kranken warten und ihn’n eingeben mußte und sie gesund machen, war ich doch so voll Ungeziefer, daß ich des Nachtes keine Ruhe hatte.
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Zitationshilfe: | Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/88>, abgerufen am 26.07.2024. |