Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.nach Troppau zu. Ich lag eine Meil von Breslau zwei Tage in einem großen Dorf bei einem reichen Ochsenhändler im Quartier, welches unser Fourier vor sich und mich ausgemacht. Die Leute hatten kein Kind, sondern eine Schwesters-Tochter, ein fein Mägdlein. Und traktierten uns über allmaßen wohl mit Wildbret, ungrischen Wein und Konfekt. Und waren sehr liebreich mit mir, sonderlich die Jungfer, mit welcher ich spielete. Und glaube: wann ich länger dageblieben, ich hätte geheiratet; weil es die Alten wohl zufrieden waren und mir eine Barbierstube in Preßel (Breslau) erkauft hätten, wie es bereits geredet worden. Doch es mußte geschieden sein. Und wäre es bald so traurig zugegangen, als bei dem erstern Abmarsch aus Berlin, da ein gewiß Frauenzimmer, eines Predigers Tochter, so nachgehends einen vornehmen Bürger in Spandau geheiratet hat, mir ihr ganz Vermögen an goldenen Ketten, Perlen und Ringen zum Valet auf die Reise in der Hand anbote, mit Thränen bittend: ich sollte es ihrentwegen annehmen und mir dafür gutes thun. - O Thorheit von dem Frauenvolk über alle Thorheit! Es konnte ihr doch dafür nichtes werden, maßen ich dahin ging, und so ich ja wiederkäme, sie nicht heiraten konnte. Welches ich ihr oft gesaget. "O behüte GOtt, sagte ich, wie sollte ich eine Waise berauben, nehme sie ihre Sache, behalte sie und reise heim!" - Sie aber weinete. So sollte ich dach nur das grünseidenausgenähete Serviett zu ihrem Andenken mitnehmen. So ich endlich annehmen wollte. Aber unser Regiments-Bäcker riß mir's weg und schalt mich, daß ich das Gold nicht annahm. - Diese Person war diejenige, so mit bei der Lust auf dem kurfürstlichen Waldschloß gewesen. Und reisete wider meinen Willen bis Frankfurt. So groß waren ihre Affekten, daß sie sich nachgehends umb meinetwillen in einem Born ertränken wollen. nach Troppau zu. Ich lag eine Meil von Breslau zwei Tage in einem großen Dorf bei einem reichen Ochsenhändler im Quartier, welches unser Fourier vor sich und mich ausgemacht. Die Leute hatten kein Kind, sondern eine Schwesters-Tochter, ein fein Mägdlein. Und traktierten uns über allmaßen wohl mit Wildbret, ungrischen Wein und Konfekt. Und waren sehr liebreich mit mir, sonderlich die Jungfer, mit welcher ich spielete. Und glaube: wann ich länger dageblieben, ich hätte geheiratet; weil es die Alten wohl zufrieden waren und mir eine Barbierstube in Preßel (Breslau) erkauft hätten, wie es bereits geredet worden. Doch es mußte geschieden sein. Und wäre es bald so traurig zugegangen, als bei dem erstern Abmarsch aus Berlin, da ein gewiß Frauenzimmer, eines Predigers Tochter, so nachgehends einen vornehmen Bürger in Spandau geheiratet hat, mir ihr ganz Vermögen an goldenen Ketten, Perlen und Ringen zum Valet auf die Reise in der Hand anbote, mit Thränen bittend: ich sollte es ihrentwegen annehmen und mir dafür gutes thun. – O Thorheit von dem Frauenvolk über alle Thorheit! Es konnte ihr doch dafür nichtes werden, maßen ich dahin ging, und so ich ja wiederkäme, sie nicht heiraten konnte. Welches ich ihr oft gesaget. „O behüte GOtt, sagte ich, wie sollte ich eine Waise berauben, nehme sie ihre Sache, behalte sie und reise heim!“ – Sie aber weinete. So sollte ich dach nur das grünseidenausgenähete Serviett zu ihrem Andenken mitnehmen. So ich endlich annehmen wollte. Aber unser Regiments-Bäcker riß mir’s weg und schalt mich, daß ich das Gold nicht annahm. – Diese Person war diejenige, so mit bei der Lust auf dem kurfürstlichen Waldschloß gewesen. Und reisete wider meinen Willen bis Frankfurt. So groß waren ihre Affekten, daß sie sich nachgehends umb meinetwillen in einem Born ertränken wollen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0049"/> nach Troppau zu. Ich lag eine Meil von Breslau zwei Tage in einem großen Dorf bei einem reichen Ochsenhändler im Quartier, welches unser Fourier vor sich und mich ausgemacht. Die Leute hatten kein Kind, sondern eine Schwesters-Tochter, ein fein Mägdlein. Und traktierten uns über allmaßen wohl mit Wildbret, ungrischen Wein und Konfekt. Und waren sehr liebreich mit mir, sonderlich die Jungfer, mit welcher ich spielete. Und glaube: wann ich länger dageblieben, ich hätte geheiratet; weil es die Alten wohl zufrieden waren und mir eine Barbierstube in Preßel (Breslau) erkauft hätten, wie es bereits geredet worden.</p> <p>Doch es mußte geschieden sein. Und wäre es bald so traurig zugegangen, als bei dem erstern Abmarsch aus Berlin, da ein gewiß Frauenzimmer, eines Predigers Tochter, so nachgehends einen vornehmen Bürger in Spandau geheiratet hat, mir ihr ganz Vermögen an goldenen Ketten, Perlen und Ringen zum Valet auf die Reise in der Hand anbote, mit Thränen bittend: ich sollte es ihrentwegen annehmen und mir dafür gutes thun. – O Thorheit von dem Frauenvolk über alle Thorheit! Es konnte ihr doch dafür nichtes werden, maßen ich dahin ging, und so ich ja wiederkäme, sie nicht heiraten konnte. Welches ich ihr oft gesaget. „O behüte GOtt, sagte ich, wie sollte ich eine Waise berauben, nehme sie ihre Sache, behalte sie und reise heim!“ – Sie aber weinete. So sollte ich dach nur das grünseidenausgenähete Serviett zu ihrem Andenken mitnehmen. So ich endlich annehmen wollte. Aber unser Regiments-Bäcker riß mir’s weg und schalt mich, daß ich das Gold nicht annahm. – Diese Person war diejenige, so mit bei der Lust auf dem kurfürstlichen Waldschloß gewesen. Und reisete wider meinen Willen bis Frankfurt. So groß waren ihre Affekten, daß sie sich nachgehends umb meinetwillen in einem Born ertränken wollen.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
nach Troppau zu. Ich lag eine Meil von Breslau zwei Tage in einem großen Dorf bei einem reichen Ochsenhändler im Quartier, welches unser Fourier vor sich und mich ausgemacht. Die Leute hatten kein Kind, sondern eine Schwesters-Tochter, ein fein Mägdlein. Und traktierten uns über allmaßen wohl mit Wildbret, ungrischen Wein und Konfekt. Und waren sehr liebreich mit mir, sonderlich die Jungfer, mit welcher ich spielete. Und glaube: wann ich länger dageblieben, ich hätte geheiratet; weil es die Alten wohl zufrieden waren und mir eine Barbierstube in Preßel (Breslau) erkauft hätten, wie es bereits geredet worden.
Doch es mußte geschieden sein. Und wäre es bald so traurig zugegangen, als bei dem erstern Abmarsch aus Berlin, da ein gewiß Frauenzimmer, eines Predigers Tochter, so nachgehends einen vornehmen Bürger in Spandau geheiratet hat, mir ihr ganz Vermögen an goldenen Ketten, Perlen und Ringen zum Valet auf die Reise in der Hand anbote, mit Thränen bittend: ich sollte es ihrentwegen annehmen und mir dafür gutes thun. – O Thorheit von dem Frauenvolk über alle Thorheit! Es konnte ihr doch dafür nichtes werden, maßen ich dahin ging, und so ich ja wiederkäme, sie nicht heiraten konnte. Welches ich ihr oft gesaget. „O behüte GOtt, sagte ich, wie sollte ich eine Waise berauben, nehme sie ihre Sache, behalte sie und reise heim!“ – Sie aber weinete. So sollte ich dach nur das grünseidenausgenähete Serviett zu ihrem Andenken mitnehmen. So ich endlich annehmen wollte. Aber unser Regiments-Bäcker riß mir’s weg und schalt mich, daß ich das Gold nicht annahm. – Diese Person war diejenige, so mit bei der Lust auf dem kurfürstlichen Waldschloß gewesen. Und reisete wider meinen Willen bis Frankfurt. So groß waren ihre Affekten, daß sie sich nachgehends umb meinetwillen in einem Born ertränken wollen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/49 |
Zitationshilfe: | Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/49>, abgerufen am 25.07.2024. |