Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.die Kirche gehen, wir ins Haus über eine Schlippe und Planke stiegen. Und da finden wir in dem ausgestorbenen Haus: Speck, Butter, Mehl, Tier, Fleisch und alles gnung. So er auch wohl gewußt. Da ging es mit uns an ein Sieden und Braten, denn wir wurden gar knapp erhalten; wir buken so viel Pfannkuchen, Eierfladen etc. und schleppten's mit heim, daß wir wohl vierzehen Tage davon essen konnten. Und schadete uns, gottlob, nicht das Geringste, und wurde es auch niemand gewahr. Einsmals wurde ich wieder von bösen Buben, unter der Predigt auf Schrittschuh zu fahren, gelocket; denn sonst durften wir gar nicht aus dem Hause. Ich hatte mein Mäntelchen von Regen-Berkan umb und lief über Eis nach Gimritz, allwa ich hinbestellet war, aber meine Kompagnie nicht sahe. Daher ich weiter ging, übers Eis, und drüber neinfiel, bis über den Hals. Es ging kümmerlich zu, daß ich wieder rauskam. Doch alles pfützen-naß, daß's im Augenblick, wie ein Harnisch, gefroren. Ich legt es aufs Laufen, umb näher zu kommen über den Rechen. Allein die äußere Wachte hatte acht auf mich, und kriegte mich bald beim Leib. Und weil damals bei Überlaufen Lebensstrafe geleget, wurde ich in ihre Wachtstube gebracht, welches mir zwar eines Teils, wegen der warmen Stube, wohlgefiel, anders Teils mir Angst ausbrach, wann ich hörete, daß ich bald an'n Stab sollte gebracht werden. Ich sanne der Sache hin und her, konnte aber kein Mittel finden, los zu kommen. Endlich gab ich vor: meine Notdurft zu thun. Es wollte der Unteroffizier nichts hören. Endlich gab er's zu. Hieß aber zwei Soldaten, mich naus führen, welche sich nichts arges zu mir versahen und indeß ein Pfeifchen Toback anschlugen, derweil ich meine Reise mit dem Mantel so beschönigte; als flohe ich davon, immer nach der Stadt zu. Die Soldaten konnten die Kirche gehen, wir ins Haus über eine Schlippe und Planke stiegen. Und da finden wir in dem ausgestorbenen Haus: Speck, Butter, Mehl, Tier, Fleisch und alles gnung. So er auch wohl gewußt. Da ging es mit uns an ein Sieden und Braten, denn wir wurden gar knapp erhalten; wir buken so viel Pfannkuchen, Eierfladen etc. und schleppten’s mit heim, daß wir wohl vierzehen Tage davon essen konnten. Und schadete uns, gottlob, nicht das Geringste, und wurde es auch niemand gewahr. Einsmals wurde ich wieder von bösen Buben, unter der Predigt auf Schrittschuh zu fahren, gelocket; denn sonst durften wir gar nicht aus dem Hause. Ich hatte mein Mäntelchen von Regen-Berkan umb und lief über Eis nach Gimritz, allwa ich hinbestellet war, aber meine Kompagnie nicht sahe. Daher ich weiter ging, übers Eis, und drüber neinfiel, bis über den Hals. Es ging kümmerlich zu, daß ich wieder rauskam. Doch alles pfützen-naß, daß’s im Augenblick, wie ein Harnisch, gefroren. Ich legt es aufs Laufen, umb näher zu kommen über den Rechen. Allein die äußere Wachte hatte acht auf mich, und kriegte mich bald beim Leib. Und weil damals bei Überlaufen Lebensstrafe geleget, wurde ich in ihre Wachtstube gebracht, welches mir zwar eines Teils, wegen der warmen Stube, wohlgefiel, anders Teils mir Angst ausbrach, wann ich hörete, daß ich bald an’n Stab sollte gebracht werden. Ich sanne der Sache hin und her, konnte aber kein Mittel finden, los zu kommen. Endlich gab ich vor: meine Notdurft zu thun. Es wollte der Unteroffizier nichts hören. Endlich gab er’s zu. Hieß aber zwei Soldaten, mich naus führen, welche sich nichts arges zu mir versahen und indeß ein Pfeifchen Toback anschlugen, derweil ich meine Reise mit dem Mantel so beschönigte; als flohe ich davon, immer nach der Stadt zu. Die Soldaten konnten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0028"/> die Kirche gehen, wir ins Haus über eine Schlippe und Planke stiegen. Und da finden wir in dem ausgestorbenen Haus: Speck, Butter, Mehl, Tier, Fleisch und alles gnung. So er auch wohl gewußt. Da ging es mit uns an ein Sieden und Braten, denn wir wurden gar knapp erhalten; wir buken so viel Pfannkuchen, Eierfladen etc. und schleppten’s mit heim, daß wir wohl vierzehen Tage davon essen konnten. Und schadete uns, gottlob, nicht das Geringste, und wurde es auch niemand gewahr.</p> <p><hi rendition="#in">E</hi>insmals wurde ich wieder von bösen Buben, unter der Predigt auf Schrittschuh zu fahren, gelocket; denn sonst durften wir gar nicht aus dem Hause. Ich hatte mein Mäntelchen von Regen-Berkan umb und lief über Eis nach Gimritz, allwa ich hinbestellet war, aber meine Kompagnie nicht sahe. Daher ich weiter ging, übers Eis, und drüber neinfiel, bis über den Hals. Es ging kümmerlich zu, daß ich wieder rauskam. Doch alles pfützen-naß, daß’s im Augenblick, wie ein Harnisch, gefroren. Ich legt es aufs Laufen, umb näher zu kommen über den Rechen. Allein die äußere Wachte hatte acht auf mich, und kriegte mich bald beim Leib. Und weil damals bei Überlaufen Lebensstrafe geleget, wurde ich in ihre Wachtstube gebracht, welches mir zwar eines Teils, wegen der warmen Stube, wohlgefiel, anders Teils mir Angst ausbrach, wann ich hörete, daß ich bald an’n Stab sollte gebracht werden.</p> <p>Ich sanne der Sache hin und her, konnte aber kein Mittel finden, los zu kommen. Endlich gab ich vor: meine Notdurft zu thun. Es wollte der Unteroffizier nichts hören. Endlich gab er’s zu. Hieß aber zwei Soldaten, mich naus führen, welche sich nichts arges zu mir versahen und indeß ein Pfeifchen Toback anschlugen, derweil ich meine Reise mit dem Mantel so beschönigte; als flohe ich davon, immer nach der Stadt zu. Die Soldaten konnten </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
die Kirche gehen, wir ins Haus über eine Schlippe und Planke stiegen. Und da finden wir in dem ausgestorbenen Haus: Speck, Butter, Mehl, Tier, Fleisch und alles gnung. So er auch wohl gewußt. Da ging es mit uns an ein Sieden und Braten, denn wir wurden gar knapp erhalten; wir buken so viel Pfannkuchen, Eierfladen etc. und schleppten’s mit heim, daß wir wohl vierzehen Tage davon essen konnten. Und schadete uns, gottlob, nicht das Geringste, und wurde es auch niemand gewahr.
Einsmals wurde ich wieder von bösen Buben, unter der Predigt auf Schrittschuh zu fahren, gelocket; denn sonst durften wir gar nicht aus dem Hause. Ich hatte mein Mäntelchen von Regen-Berkan umb und lief über Eis nach Gimritz, allwa ich hinbestellet war, aber meine Kompagnie nicht sahe. Daher ich weiter ging, übers Eis, und drüber neinfiel, bis über den Hals. Es ging kümmerlich zu, daß ich wieder rauskam. Doch alles pfützen-naß, daß’s im Augenblick, wie ein Harnisch, gefroren. Ich legt es aufs Laufen, umb näher zu kommen über den Rechen. Allein die äußere Wachte hatte acht auf mich, und kriegte mich bald beim Leib. Und weil damals bei Überlaufen Lebensstrafe geleget, wurde ich in ihre Wachtstube gebracht, welches mir zwar eines Teils, wegen der warmen Stube, wohlgefiel, anders Teils mir Angst ausbrach, wann ich hörete, daß ich bald an’n Stab sollte gebracht werden.
Ich sanne der Sache hin und her, konnte aber kein Mittel finden, los zu kommen. Endlich gab ich vor: meine Notdurft zu thun. Es wollte der Unteroffizier nichts hören. Endlich gab er’s zu. Hieß aber zwei Soldaten, mich naus führen, welche sich nichts arges zu mir versahen und indeß ein Pfeifchen Toback anschlugen, derweil ich meine Reise mit dem Mantel so beschönigte; als flohe ich davon, immer nach der Stadt zu. Die Soldaten konnten
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Zitationshilfe: | Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/28>, abgerufen am 25.07.2024. |