Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.Hamburg einen gesehen, der mehr als sechszigtausend Thaler durch Spielen gewonnen. - Doch halte ich das gewinnsüchtige Spielen vor einen Diebstahl, auch wider das neunte und zehente Gebot: "Du solt nicht begehren etc." Darumb habe ich jeder Zeit die Jugend vor solcher bösen Gewohnheit gewarnet. Zwei von diesen Juden-Dienern wurden so treuherzig und bekannt mit mir, daß sie mich immer umb unsere christliche Lehre frageten. Und als ich denselbigen einfältig (so gut ich gewußt) die christliche Lehre anpreisete, aus dem Propheten Daniel und andern erwies, daß der verheißene Messias gekommen, und wie große Verheißung wir in unserm Herrn Christo hätten, und ich ihnen bewies aus der Schrift und Psalmen (darauf sie viel halten), insonderheit den Spruch: "Es wird das Zepter von Juda nicht entwendet werden, bis daß der Held kombt etc." - da huben sie an, bitterlich zu weinen und sagten: "O, was glückliche Leut seid ihr, da ihr von Jugend auf dies gelehret seid." Sie sagten mir im Vertrauen: sie wollten auch Christen werden. Wie sie es machen sollten? - Ich gab ihn'n den Rat: sie sollten zu dem Doktor N. N. gehen, der würde sie ferner sagen, was zu thun? - Nur baten sie: daß es verschwiegen blieb; denn sie gleich weggestossen und groß Drangsal leiden müßten! - Sie sind auch nachgehends, wie ich erfahren habe, beide getaufet worden. Ich ging fast täglich naus vor das Altonaer Thor und legte mich bei gutem Wetter auf die Reperbahn, umb das schöne Glockenspiel anzuhören. Da satzte sich zu mir ein Mann, dessen Name vergessen; er war sonst ein Handelsmann mit Hamburg einen gesehen, der mehr als sechszigtausend Thaler durch Spielen gewonnen. – Doch halte ich das gewinnsüchtige Spielen vor einen Diebstahl, auch wider das neunte und zehente Gebot: „Du solt nicht begehren etc.“ Darumb habe ich jeder Zeit die Jugend vor solcher bösen Gewohnheit gewarnet. Zwei von diesen Juden-Dienern wurden so treuherzig und bekannt mit mir, daß sie mich immer umb unsere christliche Lehre frageten. Und als ich denselbigen einfältig (so gut ich gewußt) die christliche Lehre anpreisete, aus dem Propheten Daniel und andern erwies, daß der verheißene Messias gekommen, und wie große Verheißung wir in unserm Herrn Christo hätten, und ich ihnen bewies aus der Schrift und Psalmen (darauf sie viel halten), insonderheit den Spruch: „Es wird das Zepter von Juda nicht entwendet werden, bis daß der Held kombt etc.“ – da huben sie an, bitterlich zu weinen und sagten: „O, was glückliche Leut seid ihr, da ihr von Jugend auf dies gelehret seid.“ Sie sagten mir im Vertrauen: sie wollten auch Christen werden. Wie sie es machen sollten? – Ich gab ihn’n den Rat: sie sollten zu dem Doktor N. N. gehen, der würde sie ferner sagen, was zu thun? – Nur baten sie: daß es verschwiegen blieb; denn sie gleich weggestossen und groß Drangsal leiden müßten! – Sie sind auch nachgehends, wie ich erfahren habe, beide getaufet worden. Ich ging fast täglich naus vor das Altonaer Thor und legte mich bei gutem Wetter auf die Reperbahn, umb das schöne Glockenspiel anzuhören. Da satzte sich zu mir ein Mann, dessen Name vergessen; er war sonst ein Handelsmann mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0194"/> Hamburg einen gesehen, der mehr als sechszigtausend Thaler durch Spielen gewonnen. – Doch halte ich das gewinnsüchtige Spielen vor einen Diebstahl, auch wider das neunte und zehente Gebot: „Du solt nicht begehren etc.“ Darumb habe ich jeder Zeit die Jugend vor solcher bösen Gewohnheit gewarnet.</p> <p><hi rendition="#in">Z</hi>wei von diesen Juden-Dienern wurden so treuherzig und bekannt mit mir, daß sie mich immer umb unsere christliche Lehre frageten. 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Hamburg einen gesehen, der mehr als sechszigtausend Thaler durch Spielen gewonnen. – Doch halte ich das gewinnsüchtige Spielen vor einen Diebstahl, auch wider das neunte und zehente Gebot: „Du solt nicht begehren etc.“ Darumb habe ich jeder Zeit die Jugend vor solcher bösen Gewohnheit gewarnet.
Zwei von diesen Juden-Dienern wurden so treuherzig und bekannt mit mir, daß sie mich immer umb unsere christliche Lehre frageten. Und als ich denselbigen einfältig (so gut ich gewußt) die christliche Lehre anpreisete, aus dem Propheten Daniel und andern erwies, daß der verheißene Messias gekommen, und wie große Verheißung wir in unserm Herrn Christo hätten, und ich ihnen bewies aus der Schrift und Psalmen (darauf sie viel halten), insonderheit den Spruch: „Es wird das Zepter von Juda nicht entwendet werden, bis daß der Held kombt etc.“ – da huben sie an, bitterlich zu weinen und sagten: „O, was glückliche Leut seid ihr, da ihr von Jugend auf dies gelehret seid.“
Sie sagten mir im Vertrauen: sie wollten auch Christen werden. Wie sie es machen sollten? – Ich gab ihn’n den Rat: sie sollten zu dem Doktor N. N. gehen, der würde sie ferner sagen, was zu thun? – Nur baten sie: daß es verschwiegen blieb; denn sie gleich weggestossen und groß Drangsal leiden müßten! – Sie sind auch nachgehends, wie ich erfahren habe, beide getaufet worden.
Ich ging fast täglich naus vor das Altonaer Thor und legte mich bei gutem Wetter auf die Reperbahn, umb das schöne Glockenspiel anzuhören.
Da satzte sich zu mir ein Mann, dessen Name vergessen; er war sonst ein Handelsmann mit
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Zitationshilfe: | Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/194>, abgerufen am 26.07.2024. |