Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.in Halle, anführen könnte, wenn's meine Sache. Allein, wo sind itzo solche Leut? Hier wurd ein'm Kornett von unsern zwei Tambours alles gestohlen; in Hamburg verkauft. Und hatten sich nach Sachsen retirieret. Wovon sie den einen wiederbrachten. Er wurde nach Kriegesrecht ins Feld an'n Galgen gehenket, und mußte das ganze Regiment mit an die Hamburger Straße zur Exekution ausrücken. Da der Henker den Strick umb den Hals zu lang gemacht, wollte der Gehenkte wieder herunterfallen. Deshalb sie ihn wieder herunterließen und den Strick besser zurechtmachten. Da stund der arme Sünder unter dem Galgen und taumelte, wie ein Trunkener; war fast ganz tot und schon erstickt. Da schrieen die Kerl aufn Pferden und alle Draguner: "Ei, was ist das? - auf ihre nordische Sprache - er hat nun sein Recht ausgestanden!" Und wollten durchaus nicht zugeben, daß er wieder aufgezogen werden sollte; zogen die Pistolen und wollten den Henker totschießen. Da hatten die Oberoffizierer zu thun gnug, mit bloßem Degen die Leute in Ruhe zu bringen, daß der in Geschwindigkeit konnte wieder aufgezogen und gehänget werden. - Es kamen nachgehends noch zwei andere wegen Diebstahls an diesen Galgen. Er stund gleich am Hamburger Weg. Als ich nun meiner Verrichtung halber nach Hamburg geritten und mich bei guten Freunden bis Thorschließen verspätet hatte (weil mir der öftere Weg wohl bekannt), ritt ich fort, wider alle Warnung: daß es auf dem Wege unsicher war, weil vor kurzer Zeit da ein'm Barbiergesellen in dem beiliegenden Busch die Gurgel darumb abgeschnitten, weil ihn ein gewiß Frauenmensch nicht hatte heiraten wollen, und er mit ihr in Liebe gelebet. in Halle, anführen könnte, wenn’s meine Sache. Allein, wo sind itzo solche Leut? Hier wurd ein’m Kornett von unsern zwei Tambours alles gestohlen; in Hamburg verkauft. Und hatten sich nach Sachsen retirieret. Wovon sie den einen wiederbrachten. Er wurde nach Kriegesrecht ins Feld an’n Galgen gehenket, und mußte das ganze Regiment mit an die Hamburger Straße zur Exekution ausrücken. Da der Henker den Strick umb den Hals zu lang gemacht, wollte der Gehenkte wieder herunterfallen. Deshalb sie ihn wieder herunterließen und den Strick besser zurechtmachten. Da stund der arme Sünder unter dem Galgen und taumelte, wie ein Trunkener; war fast ganz tot und schon erstickt. Da schrieen die Kerl aufn Pferden und alle Draguner: „Ei, was ist das? – auf ihre nordische Sprache – er hat nun sein Recht ausgestanden!“ Und wollten durchaus nicht zugeben, daß er wieder aufgezogen werden sollte; zogen die Pistolen und wollten den Henker totschießen. Da hatten die Oberoffizierer zu thun gnug, mit bloßem Degen die Leute in Ruhe zu bringen, daß der in Geschwindigkeit konnte wieder aufgezogen und gehänget werden. – Es kamen nachgehends noch zwei andere wegen Diebstahls an diesen Galgen. Er stund gleich am Hamburger Weg. Als ich nun meiner Verrichtung halber nach Hamburg geritten und mich bei guten Freunden bis Thorschließen verspätet hatte (weil mir der öftere Weg wohl bekannt), ritt ich fort, wider alle Warnung: daß es auf dem Wege unsicher war, weil vor kurzer Zeit da ein’m Barbiergesellen in dem beiliegenden Busch die Gurgel darumb abgeschnitten, weil ihn ein gewiß Frauenmensch nicht hatte heiraten wollen, und er mit ihr in Liebe gelebet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0186"/> in Halle, anführen könnte, wenn’s meine Sache. Allein, wo sind itzo solche Leut?</p> <p><hi rendition="#in">H</hi>ier wurd ein’m Kornett von unsern zwei Tambours alles gestohlen; in Hamburg verkauft. Und hatten sich nach Sachsen retirieret. Wovon sie den einen wiederbrachten. Er wurde nach Kriegesrecht ins Feld an’n Galgen gehenket, und mußte das ganze Regiment mit an die Hamburger Straße zur Exekution ausrücken. Da der Henker den Strick umb den Hals zu lang gemacht, wollte der Gehenkte wieder herunterfallen. 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Er stund gleich am Hamburger Weg.</p> <p>Als ich nun meiner Verrichtung halber nach Hamburg geritten und mich bei guten Freunden bis Thorschließen verspätet hatte (weil mir der öftere Weg wohl bekannt), ritt ich fort, wider alle Warnung: daß es auf dem Wege unsicher war, weil vor kurzer Zeit da ein’m Barbiergesellen in dem beiliegenden Busch die Gurgel darumb abgeschnitten, weil ihn ein gewiß Frauenmensch nicht hatte heiraten wollen, und er mit ihr in Liebe gelebet. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0186]
in Halle, anführen könnte, wenn’s meine Sache. Allein, wo sind itzo solche Leut?
Hier wurd ein’m Kornett von unsern zwei Tambours alles gestohlen; in Hamburg verkauft. Und hatten sich nach Sachsen retirieret. Wovon sie den einen wiederbrachten. Er wurde nach Kriegesrecht ins Feld an’n Galgen gehenket, und mußte das ganze Regiment mit an die Hamburger Straße zur Exekution ausrücken. Da der Henker den Strick umb den Hals zu lang gemacht, wollte der Gehenkte wieder herunterfallen. Deshalb sie ihn wieder herunterließen und den Strick besser zurechtmachten.
Da stund der arme Sünder unter dem Galgen und taumelte, wie ein Trunkener; war fast ganz tot und schon erstickt.
Da schrieen die Kerl aufn Pferden und alle Draguner: „Ei, was ist das? – auf ihre nordische Sprache – er hat nun sein Recht ausgestanden!“ Und wollten durchaus nicht zugeben, daß er wieder aufgezogen werden sollte; zogen die Pistolen und wollten den Henker totschießen.
Da hatten die Oberoffizierer zu thun gnug, mit bloßem Degen die Leute in Ruhe zu bringen, daß der in Geschwindigkeit konnte wieder aufgezogen und gehänget werden. – Es kamen nachgehends noch zwei andere wegen Diebstahls an diesen Galgen. Er stund gleich am Hamburger Weg.
Als ich nun meiner Verrichtung halber nach Hamburg geritten und mich bei guten Freunden bis Thorschließen verspätet hatte (weil mir der öftere Weg wohl bekannt), ritt ich fort, wider alle Warnung: daß es auf dem Wege unsicher war, weil vor kurzer Zeit da ein’m Barbiergesellen in dem beiliegenden Busch die Gurgel darumb abgeschnitten, weil ihn ein gewiß Frauenmensch nicht hatte heiraten wollen, und er mit ihr in Liebe gelebet.
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Zitationshilfe: | Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/186>, abgerufen am 26.07.2024. |