Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.unschuldige Menschen ohne gnugsame Überzeugung lassen verbrennen und hinrichten. Und was auch wäre, daß sie durch die magia naturalis würkten und keine Verbindnis mit dem Teufel hätten - gnug, daß sie, die sogenannten Hexen, durch die Eingebung ihres innerlich bösen Geistes, die natürlichen Sachen zu ihres armen Nächsten Leib, Kinder und Viehe Schaden gebrauchen und deswegen den Tod verdienet haben. Also dürfte man den Hexenprozeß nicht gar wegwerfen. Meine obige Meinung zu beweisen, will ich dies mit anführen: Es ist in Giebichenstein allhie von den Dörfern eine beschuldigte Hexe ins Gefängnis geleget worden. Und als eben die Zeit umb Walpurgis mit eingelaufen, kombt der damalige Ambtmann mit andern in die Stube, da sie gefangen an Ketten lieget, und saget: "Marthe, Marthe, heute werdet ihr nicht mitkönnen auf den Blockersberg." - "Ju, ju, sagt die Frau, Herr Ambtmann, ich komme doch mit." - "Ihr dumme Frau, sagt der Ambtmann, ihr seid ja angeschlossen." - "Ich komme doch mit, sagt die Frau, umb zwölf Uhr!" Der Ambtmann und Konsorten setzen sich aus Kuriosität, rauchen Toback und gesehen genau: just umb die Zeit ist die Frau im Schlaf, daß sie schnarchet; und fänget auf dem Stroh an zu hüppeln und zu juchen, als wenn sie auf dem Tanz wäre und das treibet sie 'ne lange Weile, bis sie ermüdet aus dem Schlaf aufwacht. Der Ambtmann fraget sie: "Nun, seid ihr dagewesen?" - "Ja, spricht sie, ich bin dagewesen, recht lustig; die und die, der und der war auch da." Und hat da viel erzählet. - Also siehet man, daß alles in einer bösen und teufelischen Imagination und falschem, bösen Aberglauben bestehet. Diese Frau ist noch im Gefängnis, wegen langwüriger Inquisition, gestorben. unschuldige Menschen ohne gnugsame Überzeugung lassen verbrennen und hinrichten. Und was auch wäre, daß sie durch die magia naturalis würkten und keine Verbindnis mit dem Teufel hätten – gnug, daß sie, die sogenannten Hexen, durch die Eingebung ihres innerlich bösen Geistes, die natürlichen Sachen zu ihres armen Nächsten Leib, Kinder und Viehe Schaden gebrauchen und deswegen den Tod verdienet haben. Also dürfte man den Hexenprozeß nicht gar wegwerfen. Meine obige Meinung zu beweisen, will ich dies mit anführen: Es ist in Giebichenstein allhie von den Dörfern eine beschuldigte Hexe ins Gefängnis geleget worden. Und als eben die Zeit umb Walpurgis mit eingelaufen, kombt der damalige Ambtmann mit andern in die Stube, da sie gefangen an Ketten lieget, und saget: „Marthe, Marthe, heute werdet ihr nicht mitkönnen auf den Blockersberg.“ – „Ju, ju, sagt die Frau, Herr Ambtmann, ich komme doch mit.“ – „Ihr dumme Frau, sagt der Ambtmann, ihr seid ja angeschlossen.“ – „Ich komme doch mit, sagt die Frau, umb zwölf Uhr!“ Der Ambtmann und Konsorten setzen sich aus Kuriosität, rauchen Toback und gesehen genau: just umb die Zeit ist die Frau im Schlaf, daß sie schnarchet; und fänget auf dem Stroh an zu hüppeln und zu juchen, als wenn sie auf dem Tanz wäre und das treibet sie ’ne lange Weile, bis sie ermüdet aus dem Schlaf aufwacht. Der Ambtmann fraget sie: „Nun, seid ihr dagewesen?“ – „Ja, spricht sie, ich bin dagewesen, recht lustig; die und die, der und der war auch da.“ Und hat da viel erzählet. – Also siehet man, daß alles in einer bösen und teufelischen Imagination und falschem, bösen Aberglauben bestehet. Diese Frau ist noch im Gefängnis, wegen langwüriger Inquisition, gestorben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0183"/> unschuldige Menschen ohne gnugsame Überzeugung lassen verbrennen und hinrichten.</p> <p>Und was auch wäre, daß sie durch die <hi rendition="#aq">magia naturalis</hi> würkten und keine Verbindnis mit dem Teufel hätten – gnug, daß sie, die sogenannten Hexen, durch die Eingebung ihres innerlich bösen Geistes, die natürlichen Sachen zu ihres armen Nächsten Leib, Kinder und Viehe Schaden gebrauchen und deswegen den Tod verdienet haben. 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Der Ambtmann fraget sie: „Nun, seid ihr dagewesen?“ – „Ja, spricht sie, ich bin dagewesen, recht lustig; die und die, der und der war auch da.“ Und hat da viel erzählet. – Also siehet man, daß alles in einer bösen und teufelischen Imagination und falschem, bösen Aberglauben bestehet. Diese Frau ist noch im Gefängnis, wegen langwüriger Inquisition, gestorben.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0183]
unschuldige Menschen ohne gnugsame Überzeugung lassen verbrennen und hinrichten.
Und was auch wäre, daß sie durch die magia naturalis würkten und keine Verbindnis mit dem Teufel hätten – gnug, daß sie, die sogenannten Hexen, durch die Eingebung ihres innerlich bösen Geistes, die natürlichen Sachen zu ihres armen Nächsten Leib, Kinder und Viehe Schaden gebrauchen und deswegen den Tod verdienet haben. Also dürfte man den Hexenprozeß nicht gar wegwerfen.
Meine obige Meinung zu beweisen, will ich dies mit anführen: Es ist in Giebichenstein allhie von den Dörfern eine beschuldigte Hexe ins Gefängnis geleget worden. Und als eben die Zeit umb Walpurgis mit eingelaufen, kombt der damalige Ambtmann mit andern in die Stube, da sie gefangen an Ketten lieget, und saget: „Marthe, Marthe, heute werdet ihr nicht mitkönnen auf den Blockersberg.“ – „Ju, ju, sagt die Frau, Herr Ambtmann, ich komme doch mit.“ – „Ihr dumme Frau, sagt der Ambtmann, ihr seid ja angeschlossen.“ – „Ich komme doch mit, sagt die Frau, umb zwölf Uhr!“ Der Ambtmann und Konsorten setzen sich aus Kuriosität, rauchen Toback und gesehen genau: just umb die Zeit ist die Frau im Schlaf, daß sie schnarchet; und fänget auf dem Stroh an zu hüppeln und zu juchen, als wenn sie auf dem Tanz wäre und das treibet sie ’ne lange Weile, bis sie ermüdet aus dem Schlaf aufwacht. Der Ambtmann fraget sie: „Nun, seid ihr dagewesen?“ – „Ja, spricht sie, ich bin dagewesen, recht lustig; die und die, der und der war auch da.“ Und hat da viel erzählet. – Also siehet man, daß alles in einer bösen und teufelischen Imagination und falschem, bösen Aberglauben bestehet. Diese Frau ist noch im Gefängnis, wegen langwüriger Inquisition, gestorben.
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Zitationshilfe: | Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/183>, abgerufen am 26.07.2024. |