Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.Ich kam und sprach meinem alten Patron wieder zu, wie verlassen. Allein hier war es ganz anders. Die Tochter verheiratet, an einen Kaufmannsdiener. Und die Eltern hatten nun keine Lust, zu übergeben, sondern die Barbierstube mit allem zu verkaufen. Bedaureten auch mich, daß ich nicht mehr in dem Stande und so sein, wo ich denn meine schöne Haar, welche mir sonst, wie eine Parück gekrauset, bis in'n Rücken gegangen, hingethan? und was mehr war. - Ich sagte: unter Soldaten, da ging es nicht anders zu. Macht kurz mein'n Abschied und legte mich auf Vorsatzen in einen Keller, da täglich viel Frembde und Holländer speiseten, und sie logiereten oben. Da hatte ich gnug zu thun mit Barbieren, Verbinden und Aderlassen, daß ich nicht alles verzehrete und gut lebete. In diesem Wirtshaus logiereten drei Holländer aus Rotterdam, so leibliche Brüder waren und Johann Pitersen, Piter Pitersen und Karsten Pitersen hießen, führeten des Lord Wilhelms Bastiaenszen Schiffe von Rotterdam. Diese hatten Kommission, in Hamburg Leute anzunehmen und Provisie vor die drei Schiff zu kaufen. Weil ich aber sie barbierete und abends eine Pfeif Tobak mit ihn'n rauchte, boten sie mir an: ob ich wollte mit zu schiff reisen, vorn Meister? Sie wollten mir monatlich zwölf Thaler, freie Kost und Kiste geben. Ich resolvieret gleich und nahm es an. Sie zahleten mir auch gleich zwölf Thaler voraus, dafür ich eine Kiste mit Medikamenten kaufte. Damit ging es los in acht Tagen immer die Elbe nauf nach Rotterdam zu. Von dar ins Eismeer. Ehe wir aber dahin kamen, kriegeten wir in der Nordsee ein'n erschröcklichen Sturm,' also, daß alles über Ich kam und sprach meinem alten Patron wieder zu, wie verlassen. Allein hier war es ganz anders. Die Tochter verheiratet, an einen Kaufmannsdiener. Und die Eltern hatten nun keine Lust, zu übergeben, sondern die Barbierstube mit allem zu verkaufen. Bedaureten auch mich, daß ich nicht mehr in dem Stande und so sein, wo ich denn meine schöne Haar, welche mir sonst, wie eine Parück gekrauset, bis in’n Rücken gegangen, hingethan? und was mehr war. – Ich sagte: unter Soldaten, da ging es nicht anders zu. Macht kurz mein’n Abschied und legte mich auf Vorsatzen in einen Keller, da täglich viel Frembde und Holländer speiseten, und sie logiereten oben. Da hatte ich gnug zu thun mit Barbieren, Verbinden und Aderlassen, daß ich nicht alles verzehrete und gut lebete. In diesem Wirtshaus logiereten drei Holländer aus Rotterdam, so leibliche Brüder waren und Johann Pitersen, Piter Pitersen und Karsten Pitersen hießen, führeten des Lord Wilhelms Bastiaenszen Schiffe von Rotterdam. Diese hatten Kommission, in Hamburg Leute anzunehmen und Provisie vor die drei Schiff zu kaufen. Weil ich aber sie barbierete und abends eine Pfeif Tobak mit ihn’n rauchte, boten sie mir an: ob ich wollte mit zu schiff reisen, vorn Meister? Sie wollten mir monatlich zwölf Thaler, freie Kost und Kiste geben. Ich resolvieret gleich und nahm es an. Sie zahleten mir auch gleich zwölf Thaler voraus, dafür ich eine Kiste mit Medikamenten kaufte. Damit ging es los in acht Tagen immer die Elbe nauf nach Rotterdam zu. Von dar ins Eismeer. Ehe wir aber dahin kamen, kriegeten wir in der Nordsee ein’n erschröcklichen Sturm,’ also, daß alles über <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <pb facs="#f0123"/> <p><hi rendition="#in">I</hi>ch kam und sprach meinem alten Patron wieder zu, wie verlassen. Allein hier war es ganz anders. Die Tochter verheiratet, an einen Kaufmannsdiener. Und die Eltern hatten nun keine Lust, zu übergeben, sondern die Barbierstube mit allem zu verkaufen. Bedaureten auch mich, daß ich nicht mehr in dem Stande und so sein, wo ich denn meine schöne Haar, welche mir sonst, wie eine Parück gekrauset, bis in’n Rücken gegangen, hingethan? und was mehr war. – Ich sagte: unter Soldaten, da ging es nicht anders zu.</p> <p>Macht kurz mein’n Abschied und legte mich auf Vorsatzen in einen Keller, da täglich viel Frembde und Holländer speiseten, und sie logiereten oben. Da hatte ich gnug zu thun mit Barbieren, Verbinden und Aderlassen, daß ich nicht alles verzehrete und gut lebete.</p> <p><hi rendition="#in">I</hi>n diesem Wirtshaus logiereten drei Holländer aus Rotterdam, so leibliche Brüder waren und Johann Pitersen, Piter Pitersen und Karsten Pitersen hießen, führeten des Lord Wilhelms Bastiaenszen Schiffe von Rotterdam. Diese hatten Kommission, in Hamburg Leute anzunehmen und Provisie vor die drei Schiff zu kaufen. Weil ich aber sie barbierete und abends eine Pfeif Tobak mit ihn’n rauchte, boten sie mir an: ob ich wollte mit zu schiff reisen, vorn Meister? Sie wollten mir monatlich zwölf Thaler, freie Kost und Kiste geben.</p> <p>Ich resolvieret gleich und nahm es an. Sie zahleten mir auch gleich zwölf Thaler voraus, dafür ich eine Kiste mit Medikamenten kaufte.</p> <p>Damit ging es los in acht Tagen immer die Elbe nauf nach Rotterdam zu. Von dar ins Eismeer.</p> <p>Ehe wir aber dahin kamen, kriegeten wir in der Nordsee ein’n erschröcklichen Sturm,’ also, daß alles über </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0123]
Ich kam und sprach meinem alten Patron wieder zu, wie verlassen. Allein hier war es ganz anders. Die Tochter verheiratet, an einen Kaufmannsdiener. Und die Eltern hatten nun keine Lust, zu übergeben, sondern die Barbierstube mit allem zu verkaufen. Bedaureten auch mich, daß ich nicht mehr in dem Stande und so sein, wo ich denn meine schöne Haar, welche mir sonst, wie eine Parück gekrauset, bis in’n Rücken gegangen, hingethan? und was mehr war. – Ich sagte: unter Soldaten, da ging es nicht anders zu.
Macht kurz mein’n Abschied und legte mich auf Vorsatzen in einen Keller, da täglich viel Frembde und Holländer speiseten, und sie logiereten oben. Da hatte ich gnug zu thun mit Barbieren, Verbinden und Aderlassen, daß ich nicht alles verzehrete und gut lebete.
In diesem Wirtshaus logiereten drei Holländer aus Rotterdam, so leibliche Brüder waren und Johann Pitersen, Piter Pitersen und Karsten Pitersen hießen, führeten des Lord Wilhelms Bastiaenszen Schiffe von Rotterdam. Diese hatten Kommission, in Hamburg Leute anzunehmen und Provisie vor die drei Schiff zu kaufen. Weil ich aber sie barbierete und abends eine Pfeif Tobak mit ihn’n rauchte, boten sie mir an: ob ich wollte mit zu schiff reisen, vorn Meister? Sie wollten mir monatlich zwölf Thaler, freie Kost und Kiste geben.
Ich resolvieret gleich und nahm es an. Sie zahleten mir auch gleich zwölf Thaler voraus, dafür ich eine Kiste mit Medikamenten kaufte.
Damit ging es los in acht Tagen immer die Elbe nauf nach Rotterdam zu. Von dar ins Eismeer.
Ehe wir aber dahin kamen, kriegeten wir in der Nordsee ein’n erschröcklichen Sturm,’ also, daß alles über
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Zitationshilfe: | Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/123>, abgerufen am 16.02.2025. |