Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.die Sache nicht viel zu bedeuten habe. Wieder wegreisete und mich bat, indeß resolventia aufzulegen. Alleine, es ward je länger, je schlimmer; welches ich berichte. Da kamen zwei alte Regiments-Feldscher nebenst noch einem und deliberierten: ob der Schaden zu öffnen oder nicht? Denn es war der Backen, salvo honore, wie eine Pauke, so dick und prallich. Die meisten resolvierten: den Schaden aufzuschneiden. So ich aber widerriete. Und sollten sie sich nicht die Verantwortung machen; denn, sobald sie das thun, würde der Patiente sterben. So auch geschahe. Aber ich wußte es daher, weil ich versucht hatte, mit einer Lanzett zu öffnen. Als mir aber heftiger Wind und Blut entgegenging, machte ich mein Loch geschwind wieder zu. Nun, es half nichts. Der Patient wurd auf den Tisch geleget, und mein Alter schnitte mit einem Messer eine viertel Ell tief den Schaden auf. Da war Wind und Blut, auch zugleich das Leben hin. Die Leute sahen einander an und wußten nicht, wie ihn'n geschehen. Doch hieß es, wie hie von einem französischen Herrn Doktor: "Ist er gestorben, so lasse man ihn begraben." Allein der Obrist hatte es von den dabeiseinden Offizieren erfahren, daß ein junger Feldscher solches widerraten und zuvor gesaget. Da wollte der Obriste mit einer Not von denen den Kerl bezahlet haben. - Wie es noch abgelaufen, habe ich nicht erfahren. Von da gingen wir nach Rendsburg, solches zu befestigen. Kampiereten in sandigtem Felde. Von dar nach Flensburg und endlich nach Kopenhagen. Nachdem aber das Holsteinische weg war, woraus wir unser beste Gelder zogen und den Monatsold richtig bekamen, fing es an, zu halten. Worauf ich meinen Adieu nahm und wieder nach Hamburg ging. die Sache nicht viel zu bedeuten habe. Wieder wegreisete und mich bat, indeß resolventia aufzulegen. Alleine, es ward je länger, je schlimmer; welches ich berichte. Da kamen zwei alte Regiments-Feldscher nebenst noch einem und deliberierten: ob der Schaden zu öffnen oder nicht? Denn es war der Backen, salvo honore, wie eine Pauke, so dick und prallich. Die meisten resolvierten: den Schaden aufzuschneiden. So ich aber widerriete. Und sollten sie sich nicht die Verantwortung machen; denn, sobald sie das thun, würde der Patiente sterben. So auch geschahe. Aber ich wußte es daher, weil ich versucht hatte, mit einer Lanzett zu öffnen. Als mir aber heftiger Wind und Blut entgegenging, machte ich mein Loch geschwind wieder zu. Nun, es half nichts. Der Patient wurd auf den Tisch geleget, und mein Alter schnitte mit einem Messer eine viertel Ell tief den Schaden auf. Da war Wind und Blut, auch zugleich das Leben hin. Die Leute sahen einander an und wußten nicht, wie ihn’n geschehen. Doch hieß es, wie hie von einem französischen Herrn Doktor: „Ist er gestorben, so lasse man ihn begraben.“ Allein der Obrist hatte es von den dabeiseinden Offizieren erfahren, daß ein junger Feldscher solches widerraten und zuvor gesaget. Da wollte der Obriste mit einer Not von denen den Kerl bezahlet haben. – Wie es noch abgelaufen, habe ich nicht erfahren. Von da gingen wir nach Rendsburg, solches zu befestigen. Kampiereten in sandigtem Felde. Von dar nach Flensburg und endlich nach Kopenhagen. Nachdem aber das Holsteinische weg war, woraus wir unser beste Gelder zogen und den Monatsold richtig bekamen, fing es an, zu halten. Worauf ich meinen Adieu nahm und wieder nach Hamburg ging. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0121"/> die Sache nicht viel zu bedeuten habe. 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Die Leute sahen einander an und wußten nicht, wie ihn’n geschehen. Doch hieß es, wie hie von einem französischen Herrn Doktor: „Ist er gestorben, so lasse man ihn begraben.“</p> <p>Allein der Obrist hatte es von den dabeiseinden Offizieren erfahren, daß ein junger Feldscher solches widerraten und zuvor gesaget. Da wollte der Obriste mit einer Not von denen den Kerl bezahlet haben. – Wie es noch abgelaufen, habe ich nicht erfahren.</p> <p><hi rendition="#in">V</hi>on da gingen wir nach Rendsburg, solches zu befestigen. Kampiereten in sandigtem Felde. Von dar nach Flensburg und endlich nach Kopenhagen.</p> <p>Nachdem aber das Holsteinische weg war, woraus wir unser beste Gelder zogen und den Monatsold richtig bekamen, fing es an, zu halten. Worauf ich meinen Adieu nahm und wieder nach Hamburg ging.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0121]
die Sache nicht viel zu bedeuten habe. Wieder wegreisete und mich bat, indeß resolventia aufzulegen.
Alleine, es ward je länger, je schlimmer; welches ich berichte.
Da kamen zwei alte Regiments-Feldscher nebenst noch einem und deliberierten: ob der Schaden zu öffnen oder nicht? Denn es war der Backen, salvo honore, wie eine Pauke, so dick und prallich. Die meisten resolvierten: den Schaden aufzuschneiden. So ich aber widerriete. Und sollten sie sich nicht die Verantwortung machen; denn, sobald sie das thun, würde der Patiente sterben. So auch geschahe. Aber ich wußte es daher, weil ich versucht hatte, mit einer Lanzett zu öffnen. Als mir aber heftiger Wind und Blut entgegenging, machte ich mein Loch geschwind wieder zu.
Nun, es half nichts. Der Patient wurd auf den Tisch geleget, und mein Alter schnitte mit einem Messer eine viertel Ell tief den Schaden auf. Da war Wind und Blut, auch zugleich das Leben hin. Die Leute sahen einander an und wußten nicht, wie ihn’n geschehen. Doch hieß es, wie hie von einem französischen Herrn Doktor: „Ist er gestorben, so lasse man ihn begraben.“
Allein der Obrist hatte es von den dabeiseinden Offizieren erfahren, daß ein junger Feldscher solches widerraten und zuvor gesaget. Da wollte der Obriste mit einer Not von denen den Kerl bezahlet haben. – Wie es noch abgelaufen, habe ich nicht erfahren.
Von da gingen wir nach Rendsburg, solches zu befestigen. Kampiereten in sandigtem Felde. Von dar nach Flensburg und endlich nach Kopenhagen.
Nachdem aber das Holsteinische weg war, woraus wir unser beste Gelder zogen und den Monatsold richtig bekamen, fing es an, zu halten. Worauf ich meinen Adieu nahm und wieder nach Hamburg ging.
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Zitationshilfe: | Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/121>, abgerufen am 16.02.2025. |