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Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.

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man wird zugeben, daß der Gedanke: sechshundert deutsche
Jünglinge haben sich in verbotene, zum Theil in verbrecheri-
sche Verbindungen eingelassen, und solche Plane geschmiedet,
die das Gesetz mit schwerem Arrest und mit dem Tode bestraft,
und sie büßen nun ihre Verirrungen und Verbrechen in den
Kerkern -- ich sage, dieser Gedanke rechtfertigt auch den glü-
hendsten Zorn über die, welche, wenn auch nur in negativer
Weise, davon die Schuld tragen. Ob die Universitätslehrer
mit Recht damit beladen werden können, wir lassen es dahin
gestellt, wir wollen hoffen, daß es nicht sei; aber das hätte
ihnen Ehre gebracht, wenn sie von allen Seiten und auf alle
mögliche Weise, wenigstens mehr als es geschehen, sich der
verirrten und verführten Jünglinge angenommen und Vor-
schläge gethan hätten, welche dieses Unheil mit der Wurzel
von den Universitäten hätte entfernen können. Ein treuer Hirte
bewacht die Heerde, damit der Wolf sie nicht fresse, und
wenn sich eins von hundert Schafen verirrt, so geht er ihm
in die Wüste nach, damit es nicht verloren gehe. Der ver-
irrten Jünglinge sind aber sechshundert! -- -- Diese
schreckliche Wahrheit sollte in der Seele jedes Lehrers derselben
wie ein Mordbrand wirken. Aber sie schweigen und lehren
ruhig fort ihren alten, abstracten Kram. Sind sie Mieth-
linge? Ist es Abgestorbenheit und Gleichgültigkeit, oder Feig-
heit
? Ihnen ähnlich verharren auch die Gymnasiallehrer in
absolutem Stillschweigen, bis die Steine darüber schreien wer-
den, daß manchem ihrer Schüler psychisch und physisch der
Geist ausgeht über den Massen, die zu lernen sind. --

Unsere Jünglinge bedürfen -- dafür sprechen Thatsachen --
der Leitung. Alle, ihre Verhältnisse erkennenden, strebenden
Jünglinge wünschen sie, würden dankbar sie annehmen. Wie
viele bedauern und betrauern nicht tief die Isolirung, die

man wird zugeben, daß der Gedanke: ſechshundert deutſche
Juͤnglinge haben ſich in verbotene, zum Theil in verbrecheri-
ſche Verbindungen eingelaſſen, und ſolche Plane geſchmiedet,
die das Geſetz mit ſchwerem Arreſt und mit dem Tode beſtraft,
und ſie buͤßen nun ihre Verirrungen und Verbrechen in den
Kerkern — ich ſage, dieſer Gedanke rechtfertigt auch den gluͤ-
hendſten Zorn uͤber die, welche, wenn auch nur in negativer
Weiſe, davon die Schuld tragen. Ob die Univerſitaͤtslehrer
mit Recht damit beladen werden koͤnnen, wir laſſen es dahin
geſtellt, wir wollen hoffen, daß es nicht ſei; aber das haͤtte
ihnen Ehre gebracht, wenn ſie von allen Seiten und auf alle
moͤgliche Weiſe, wenigſtens mehr als es geſchehen, ſich der
verirrten und verfuͤhrten Juͤnglinge angenommen und Vor-
ſchlaͤge gethan haͤtten, welche dieſes Unheil mit der Wurzel
von den Univerſitaͤten haͤtte entfernen koͤnnen. Ein treuer Hirte
bewacht die Heerde, damit der Wolf ſie nicht freſſe, und
wenn ſich eins von hundert Schafen verirrt, ſo geht er ihm
in die Wuͤſte nach, damit es nicht verloren gehe. Der ver-
irrten Juͤnglinge ſind aber ſechshundert! — — Dieſe
ſchreckliche Wahrheit ſollte in der Seele jedes Lehrers derſelben
wie ein Mordbrand wirken. Aber ſie ſchweigen und lehren
ruhig fort ihren alten, abſtracten Kram. Sind ſie Mieth-
linge? Iſt es Abgeſtorbenheit und Gleichguͤltigkeit, oder Feig-
heit
? Ihnen aͤhnlich verharren auch die Gymnaſiallehrer in
abſolutem Stillſchweigen, bis die Steine daruͤber ſchreien wer-
den, daß manchem ihrer Schuͤler pſychiſch und phyſiſch der
Geiſt ausgeht uͤber den Maſſen, die zu lernen ſind. —

Unſere Juͤnglinge beduͤrfen — dafuͤr ſprechen Thatſachen —
der Leitung. Alle, ihre Verhaͤltniſſe erkennenden, ſtrebenden
Juͤnglinge wuͤnſchen ſie, wuͤrden dankbar ſie annehmen. Wie
viele bedauern und betrauern nicht tief die Iſolirung, die

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[59/0077] man wird zugeben, daß der Gedanke: ſechshundert deutſche Juͤnglinge haben ſich in verbotene, zum Theil in verbrecheri- ſche Verbindungen eingelaſſen, und ſolche Plane geſchmiedet, die das Geſetz mit ſchwerem Arreſt und mit dem Tode beſtraft, und ſie buͤßen nun ihre Verirrungen und Verbrechen in den Kerkern — ich ſage, dieſer Gedanke rechtfertigt auch den gluͤ- hendſten Zorn uͤber die, welche, wenn auch nur in negativer Weiſe, davon die Schuld tragen. Ob die Univerſitaͤtslehrer mit Recht damit beladen werden koͤnnen, wir laſſen es dahin geſtellt, wir wollen hoffen, daß es nicht ſei; aber das haͤtte ihnen Ehre gebracht, wenn ſie von allen Seiten und auf alle moͤgliche Weiſe, wenigſtens mehr als es geſchehen, ſich der verirrten und verfuͤhrten Juͤnglinge angenommen und Vor- ſchlaͤge gethan haͤtten, welche dieſes Unheil mit der Wurzel von den Univerſitaͤten haͤtte entfernen koͤnnen. Ein treuer Hirte bewacht die Heerde, damit der Wolf ſie nicht freſſe, und wenn ſich eins von hundert Schafen verirrt, ſo geht er ihm in die Wuͤſte nach, damit es nicht verloren gehe. Der ver- irrten Juͤnglinge ſind aber ſechshundert! — — Dieſe ſchreckliche Wahrheit ſollte in der Seele jedes Lehrers derſelben wie ein Mordbrand wirken. Aber ſie ſchweigen und lehren ruhig fort ihren alten, abſtracten Kram. Sind ſie Mieth- linge? Iſt es Abgeſtorbenheit und Gleichguͤltigkeit, oder Feig- heit? Ihnen aͤhnlich verharren auch die Gymnaſiallehrer in abſolutem Stillſchweigen, bis die Steine daruͤber ſchreien wer- den, daß manchem ihrer Schuͤler pſychiſch und phyſiſch der Geiſt ausgeht uͤber den Maſſen, die zu lernen ſind. — Unſere Juͤnglinge beduͤrfen — dafuͤr ſprechen Thatſachen — der Leitung. Alle, ihre Verhaͤltniſſe erkennenden, ſtrebenden Juͤnglinge wuͤnſchen ſie, wuͤrden dankbar ſie annehmen. Wie viele bedauern und betrauern nicht tief die Iſolirung, die

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Zitationshilfe: Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/77>, abgerufen am 22.11.2024.