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Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.

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gefälligst ein Kommachen. Nichts wird gehört, als das Kritzeln
der Federn. In gekrümmter Stellung legen sie so täglich vier
oder mehr Stunden sich Sammlungen von Heften an. Mit
Berserkerwuth schreiben sie Sachen auf, die in tausend Bü-
chern stehen, historischen Wust, gelehrten Kram, Minutien
und Quisquilien. Mit einem zerreißenden Gefühl, aus Mit-
leid und Abscheu gemischt, betrachte ich diesen staunenswürdi-
gen Vorgang. Mit Mitleiden -- diese armen Leute sind zur
abschwächendsten Sclavenarbeit verdammt; mit Abscheu, denn
sie hätten doch durch die Gymnasialbildung zu höherem Sinn
und höherem Streben gelangen können. Freilich wirft die
Denkscheu der Meisten und der Umstand, daß sie sich so all-
gemein das Vorsagen und das Diktiren gefallen lassen, ja oft
es verlangen, kein günstiges Licht auf die Leistungen der Gym-
nasien. *) Auch dort erliegen die armen Jungen oft dem ge-
lehrten Wuste. Aber auch mit Staunen betrachte ich das
Schauspiel. Ungeheure Fortschritte hat die Methodik des Un-
terrichts gemacht, seit drei Jahrhunderten; Tausende von Dorf-
schulen erfreuen sich einer belebenden Lehrmethode, -- unsere
Universitäten haben keine Notiz davon genommen, sie haben
sich unverändert erhalten trotz aller Reformen und Revolutio-
nen in dem Leben. Es ist eine lehrreiche Geschichte. Soll
es so fortgehen? -- Vernehmen wir über den geistigen Zu-
stand der Studirenden die Versicherungen eines Mannes, der
aus langer Erfahrung spricht.

*) Mit den Gymnasien wird es nicht eher gut, bis man für die
Bildung der Gymnasiallehrer solche Anstalten errichtet, wie für
die Elementarlehrer bestehen. Diese Wahrheit bedarf keines Be-
weises. Gebe Gott, daß mein Heimathland Preußen sich den
Ruhm erwirbt, auch in diesem Stücke voranzugehen! Dazu
möchte ich noch mitwirken.

gefaͤlligſt ein Kommachen. Nichts wird gehoͤrt, als das Kritzeln
der Federn. In gekruͤmmter Stellung legen ſie ſo taͤglich vier
oder mehr Stunden ſich Sammlungen von Heften an. Mit
Berſerkerwuth ſchreiben ſie Sachen auf, die in tauſend Buͤ-
chern ſtehen, hiſtoriſchen Wuſt, gelehrten Kram, Minutien
und Quisquilien. Mit einem zerreißenden Gefuͤhl, aus Mit-
leid und Abſcheu gemiſcht, betrachte ich dieſen ſtaunenswuͤrdi-
gen Vorgang. Mit Mitleiden — dieſe armen Leute ſind zur
abſchwaͤchendſten Sclavenarbeit verdammt; mit Abſcheu, denn
ſie haͤtten doch durch die Gymnaſialbildung zu hoͤherem Sinn
und hoͤherem Streben gelangen koͤnnen. Freilich wirft die
Denkſcheu der Meiſten und der Umſtand, daß ſie ſich ſo all-
gemein das Vorſagen und das Diktiren gefallen laſſen, ja oft
es verlangen, kein guͤnſtiges Licht auf die Leiſtungen der Gym-
naſien. *) Auch dort erliegen die armen Jungen oft dem ge-
lehrten Wuſte. Aber auch mit Staunen betrachte ich das
Schauſpiel. Ungeheure Fortſchritte hat die Methodik des Un-
terrichts gemacht, ſeit drei Jahrhunderten; Tauſende von Dorf-
ſchulen erfreuen ſich einer belebenden Lehrmethode, — unſere
Univerſitaͤten haben keine Notiz davon genommen, ſie haben
ſich unveraͤndert erhalten trotz aller Reformen und Revolutio-
nen in dem Leben. Es iſt eine lehrreiche Geſchichte. Soll
es ſo fortgehen? — Vernehmen wir uͤber den geiſtigen Zu-
ſtand der Studirenden die Verſicherungen eines Mannes, der
aus langer Erfahrung ſpricht.

*) Mit den Gymnaſien wird es nicht eher gut, bis man für die
Bildung der Gymnaſiallehrer ſolche Anſtalten errichtet, wie für
die Elementarlehrer beſtehen. Dieſe Wahrheit bedarf keines Be-
weiſes. Gebe Gott, daß mein Heimathland Preußen ſich den
Ruhm erwirbt, auch in dieſem Stücke voranzugehen! Dazu
möchte ich noch mitwirken.
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[41/0059] gefaͤlligſt ein Kommachen. Nichts wird gehoͤrt, als das Kritzeln der Federn. In gekruͤmmter Stellung legen ſie ſo taͤglich vier oder mehr Stunden ſich Sammlungen von Heften an. Mit Berſerkerwuth ſchreiben ſie Sachen auf, die in tauſend Buͤ- chern ſtehen, hiſtoriſchen Wuſt, gelehrten Kram, Minutien und Quisquilien. Mit einem zerreißenden Gefuͤhl, aus Mit- leid und Abſcheu gemiſcht, betrachte ich dieſen ſtaunenswuͤrdi- gen Vorgang. Mit Mitleiden — dieſe armen Leute ſind zur abſchwaͤchendſten Sclavenarbeit verdammt; mit Abſcheu, denn ſie haͤtten doch durch die Gymnaſialbildung zu hoͤherem Sinn und hoͤherem Streben gelangen koͤnnen. Freilich wirft die Denkſcheu der Meiſten und der Umſtand, daß ſie ſich ſo all- gemein das Vorſagen und das Diktiren gefallen laſſen, ja oft es verlangen, kein guͤnſtiges Licht auf die Leiſtungen der Gym- naſien. *) Auch dort erliegen die armen Jungen oft dem ge- lehrten Wuſte. Aber auch mit Staunen betrachte ich das Schauſpiel. Ungeheure Fortſchritte hat die Methodik des Un- terrichts gemacht, ſeit drei Jahrhunderten; Tauſende von Dorf- ſchulen erfreuen ſich einer belebenden Lehrmethode, — unſere Univerſitaͤten haben keine Notiz davon genommen, ſie haben ſich unveraͤndert erhalten trotz aller Reformen und Revolutio- nen in dem Leben. Es iſt eine lehrreiche Geſchichte. Soll es ſo fortgehen? — Vernehmen wir uͤber den geiſtigen Zu- ſtand der Studirenden die Verſicherungen eines Mannes, der aus langer Erfahrung ſpricht. *) Mit den Gymnaſien wird es nicht eher gut, bis man für die Bildung der Gymnaſiallehrer ſolche Anſtalten errichtet, wie für die Elementarlehrer beſtehen. Dieſe Wahrheit bedarf keines Be- weiſes. Gebe Gott, daß mein Heimathland Preußen ſich den Ruhm erwirbt, auch in dieſem Stücke voranzugehen! Dazu möchte ich noch mitwirken.

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Zitationshilfe: Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/59>, abgerufen am 22.11.2024.