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Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.

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So verlangt es das Leben, das auf den Hochschulen
herrschen soll, nicht der Tod, der durch die Isolirung entsteht.
Dieß führt uns zur folgenden Bedingung, die wir zu stellen
haben:

7) Bewegung und Erregung durch den Geist des
öffentlichen Lebens und lebendige Theil-
nahme an demselben
.

Wo öffentliches Leben ist und ein Geist desselben, da wird
von selbst jeder Einzelne von ihm erregt und ergriffen. Es
wirkt wie der Odem Gottes, der alle Kreatur durchdringt.
Für diese Erregung bedarf es keiner besonderen Veranstaltung.

Das öffentliche Leben bedarf bestimmter Organe und Ver-
richtungen, hervorgerufen durch die Organisation der Massen,
wie ich sie im "zweiten Beitrag zur Lebensfrage" verlangt
habe. Die Organisation geschieht nach doppeltem Princip,
weil Jeder von zwiefachem Interesse bestimmt wird. Die In-
teressen nämlich sind zu vertreten. Das erste ist das Stan-
desinteresse, das zweite ist das der Heimath, des Wohnortes,
des Viertels, der Straße u. s. w.

Die Beschäftigung des Mannes bestimmt den Stand,
dem er angehört, nichts Anderes. Er gehört zu den Genossen
desselben Standes, zur Erreichung der Zwecke desselben und
zur Vertretung seiner Interessen gegen die übrigen Stände.
So wie in der Natur die Pappeln zusammengehören und die
Eichen, so die Handwerker, die Kaufleute und die Gelehrten
u. s. w. Und so wie die Arten der Pappeln und der Eichen
eine Unterabtheilung unter sich bilden, so die Arten der Hand-
werker, der Kaufleute, der Gelehrten. Dadurch entsteht der
compacte Corporationsgeist der Stände, der ohnedieß da ist,
aber auch seine Anerkennung, seine Constitution verlangt. Noth-

So verlangt es das Leben, das auf den Hochſchulen
herrſchen ſoll, nicht der Tod, der durch die Iſolirung entſteht.
Dieß fuͤhrt uns zur folgenden Bedingung, die wir zu ſtellen
haben:

7) Bewegung und Erregung durch den Geiſt des
oͤffentlichen Lebens und lebendige Theil-
nahme an demſelben
.

Wo oͤffentliches Leben iſt und ein Geiſt deſſelben, da wird
von ſelbſt jeder Einzelne von ihm erregt und ergriffen. Es
wirkt wie der Odem Gottes, der alle Kreatur durchdringt.
Fuͤr dieſe Erregung bedarf es keiner beſonderen Veranſtaltung.

Das oͤffentliche Leben bedarf beſtimmter Organe und Ver-
richtungen, hervorgerufen durch die Organiſation der Maſſen,
wie ich ſie im „zweiten Beitrag zur Lebensfrage“ verlangt
habe. Die Organiſation geſchieht nach doppeltem Princip,
weil Jeder von zwiefachem Intereſſe beſtimmt wird. Die In-
tereſſen naͤmlich ſind zu vertreten. Das erſte iſt das Stan-
desintereſſe, das zweite iſt das der Heimath, des Wohnortes,
des Viertels, der Straße u. ſ. w.

Die Beſchaͤftigung des Mannes beſtimmt den Stand,
dem er angehoͤrt, nichts Anderes. Er gehoͤrt zu den Genoſſen
deſſelben Standes, zur Erreichung der Zwecke deſſelben und
zur Vertretung ſeiner Intereſſen gegen die uͤbrigen Staͤnde.
So wie in der Natur die Pappeln zuſammengehoͤren und die
Eichen, ſo die Handwerker, die Kaufleute und die Gelehrten
u. ſ. w. Und ſo wie die Arten der Pappeln und der Eichen
eine Unterabtheilung unter ſich bilden, ſo die Arten der Hand-
werker, der Kaufleute, der Gelehrten. Dadurch entſteht der
compacte Corporationsgeiſt der Staͤnde, der ohnedieß da iſt,
aber auch ſeine Anerkennung, ſeine Conſtitution verlangt. Noth-

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[27/0045] So verlangt es das Leben, das auf den Hochſchulen herrſchen ſoll, nicht der Tod, der durch die Iſolirung entſteht. Dieß fuͤhrt uns zur folgenden Bedingung, die wir zu ſtellen haben: 7) Bewegung und Erregung durch den Geiſt des oͤffentlichen Lebens und lebendige Theil- nahme an demſelben. Wo oͤffentliches Leben iſt und ein Geiſt deſſelben, da wird von ſelbſt jeder Einzelne von ihm erregt und ergriffen. Es wirkt wie der Odem Gottes, der alle Kreatur durchdringt. Fuͤr dieſe Erregung bedarf es keiner beſonderen Veranſtaltung. Das oͤffentliche Leben bedarf beſtimmter Organe und Ver- richtungen, hervorgerufen durch die Organiſation der Maſſen, wie ich ſie im „zweiten Beitrag zur Lebensfrage“ verlangt habe. Die Organiſation geſchieht nach doppeltem Princip, weil Jeder von zwiefachem Intereſſe beſtimmt wird. Die In- tereſſen naͤmlich ſind zu vertreten. Das erſte iſt das Stan- desintereſſe, das zweite iſt das der Heimath, des Wohnortes, des Viertels, der Straße u. ſ. w. Die Beſchaͤftigung des Mannes beſtimmt den Stand, dem er angehoͤrt, nichts Anderes. Er gehoͤrt zu den Genoſſen deſſelben Standes, zur Erreichung der Zwecke deſſelben und zur Vertretung ſeiner Intereſſen gegen die uͤbrigen Staͤnde. So wie in der Natur die Pappeln zuſammengehoͤren und die Eichen, ſo die Handwerker, die Kaufleute und die Gelehrten u. ſ. w. Und ſo wie die Arten der Pappeln und der Eichen eine Unterabtheilung unter ſich bilden, ſo die Arten der Hand- werker, der Kaufleute, der Gelehrten. Dadurch entſteht der compacte Corporationsgeiſt der Staͤnde, der ohnedieß da iſt, aber auch ſeine Anerkennung, ſeine Conſtitution verlangt. Noth-

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Zitationshilfe: Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/45>, abgerufen am 24.11.2024.