lung und Ausbildung des Leibes zum freien Dienst für den Geist.
Scheuen wir uns nicht, mißdeutete Wörter zu gebrau- chen, deren Bedeutung aber einen guten Klang hat, wir mei- nen Gymnastik und Turnkunst.
Nicht bloß in die Reitbahn, sondern auch auf die Renn- bahn gehört der Jüngling. Seinen Leib soll er nach altgrie- chischem Ideale tüchtig machen in allerhand Künsten und Uebungen. Es ist nicht genug, daß er fechten, hauen oder stechen lerne, oft nur um eitler Ehre willen, sondern er soll seinen Leib überhaupt gewandt und stark machen. Auch der einjährige Kriegsdienst bringt nicht, was wir verlangen: freie gesellig-gymnastische Uebungen und Spiele.
Wie, Ihr glaubt, das sei gesunde, allseitige Bildung, wenn Ihr den Jüngling täglich vier, sechs, acht Stunden auf die Bank in dem Hörsaale fesselt, wenn er keine andre Waffe ergreift als die Feder, und seine Kraft nur übt in dem Tra- gen der Mappe?
Unselig sind die Folgen körperlicher Verwahrlosung in den Jahren, in welchen der Leib seiner Vollendung entgegen reift, strotzend von gährenden Säften. Einen Ausweg, eine An- wendung verlangen, suchen und finden sie. Sollen sie sich auf's Gehirn, in den Unterleib werfen, dort Ueberreizung und Nervenschwäche, hier Entmannung bewirken? Tretet Ihr nicht mit Euch selbst in Widerspruch, wenn Ihr in den Bil- dungsanstalten der Jugend für die Entwickelung der Leiber in keiner Art Sorge traget? Denn wir sagen es Euch, eine Hochschule, die nicht für die Körperbildung vollkommene Ver- anstaltungen trifft, leidet und siecht an einem unverzeihlichen Mangel. Nicht um ihrer selbst willen verlangen wir Gym-
lung und Ausbildung des Leibes zum freien Dienſt fuͤr den Geiſt.
Scheuen wir uns nicht, mißdeutete Woͤrter zu gebrau- chen, deren Bedeutung aber einen guten Klang hat, wir mei- nen Gymnaſtik und Turnkunſt.
Nicht bloß in die Reitbahn, ſondern auch auf die Renn- bahn gehoͤrt der Juͤngling. Seinen Leib ſoll er nach altgrie- chiſchem Ideale tuͤchtig machen in allerhand Kuͤnſten und Uebungen. Es iſt nicht genug, daß er fechten, hauen oder ſtechen lerne, oft nur um eitler Ehre willen, ſondern er ſoll ſeinen Leib uͤberhaupt gewandt und ſtark machen. Auch der einjaͤhrige Kriegsdienſt bringt nicht, was wir verlangen: freie geſellig-gymnaſtiſche Uebungen und Spiele.
Wie, Ihr glaubt, das ſei geſunde, allſeitige Bildung, wenn Ihr den Juͤngling taͤglich vier, ſechs, acht Stunden auf die Bank in dem Hoͤrſaale feſſelt, wenn er keine andre Waffe ergreift als die Feder, und ſeine Kraft nur uͤbt in dem Tra- gen der Mappe?
Unſelig ſind die Folgen koͤrperlicher Verwahrloſung in den Jahren, in welchen der Leib ſeiner Vollendung entgegen reift, ſtrotzend von gaͤhrenden Saͤften. Einen Ausweg, eine An- wendung verlangen, ſuchen und finden ſie. Sollen ſie ſich auf’s Gehirn, in den Unterleib werfen, dort Ueberreizung und Nervenſchwaͤche, hier Entmannung bewirken? Tretet Ihr nicht mit Euch ſelbſt in Widerſpruch, wenn Ihr in den Bil- dungsanſtalten der Jugend fuͤr die Entwickelung der Leiber in keiner Art Sorge traget? Denn wir ſagen es Euch, eine Hochſchule, die nicht fuͤr die Koͤrperbildung vollkommene Ver- anſtaltungen trifft, leidet und ſiecht an einem unverzeihlichen Mangel. Nicht um ihrer ſelbſt willen verlangen wir Gym-
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lung und Ausbildung des Leibes zum freien
Dienſt fuͤr den Geiſt.
Scheuen wir uns nicht, mißdeutete Woͤrter zu gebrau-
chen, deren Bedeutung aber einen guten Klang hat, wir mei-
nen Gymnaſtik und Turnkunſt.
Nicht bloß in die Reitbahn, ſondern auch auf die Renn-
bahn gehoͤrt der Juͤngling. Seinen Leib ſoll er nach altgrie-
chiſchem Ideale tuͤchtig machen in allerhand Kuͤnſten und
Uebungen. Es iſt nicht genug, daß er fechten, hauen oder
ſtechen lerne, oft nur um eitler Ehre willen, ſondern er ſoll
ſeinen Leib uͤberhaupt gewandt und ſtark machen. Auch der
einjaͤhrige Kriegsdienſt bringt nicht, was wir verlangen: freie
geſellig-gymnaſtiſche Uebungen und Spiele.
Wie, Ihr glaubt, das ſei geſunde, allſeitige Bildung,
wenn Ihr den Juͤngling taͤglich vier, ſechs, acht Stunden auf
die Bank in dem Hoͤrſaale feſſelt, wenn er keine andre Waffe
ergreift als die Feder, und ſeine Kraft nur uͤbt in dem Tra-
gen der Mappe?
Unſelig ſind die Folgen koͤrperlicher Verwahrloſung in den
Jahren, in welchen der Leib ſeiner Vollendung entgegen reift,
ſtrotzend von gaͤhrenden Saͤften. Einen Ausweg, eine An-
wendung verlangen, ſuchen und finden ſie. Sollen ſie ſich
auf’s Gehirn, in den Unterleib werfen, dort Ueberreizung und
Nervenſchwaͤche, hier Entmannung bewirken? Tretet Ihr
nicht mit Euch ſelbſt in Widerſpruch, wenn Ihr in den Bil-
dungsanſtalten der Jugend fuͤr die Entwickelung der Leiber in
keiner Art Sorge traget? Denn wir ſagen es Euch, eine
Hochſchule, die nicht fuͤr die Koͤrperbildung vollkommene Ver-
anſtaltungen trifft, leidet und ſiecht an einem unverzeihlichen
Mangel. Nicht um ihrer ſelbſt willen verlangen wir Gym-
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Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/37>, abgerufen am 19.02.2025.
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