Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.Zur Befestigung dieses höchst wichtigen Unterschiedes hat, 1) Es würden nicht Männer zum akademischen Lehramte berufen werden, die weder inneren Beruf, noch äußeres Talent zum Lehren be- sitzen. Welche Marter ist es für die Studenten, tagtäglich zu Zur Befeſtigung dieſes hoͤchſt wichtigen Unterſchiedes hat, 1) Es wuͤrden nicht Maͤnner zum akademiſchen Lehramte berufen werden, die weder inneren Beruf, noch aͤußeres Talent zum Lehren be- ſitzen. Welche Marter iſt es fuͤr die Studenten, tagtaͤglich zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0024" n="6"/> <p>Zur Befeſtigung dieſes hoͤchſt wichtigen Unterſchiedes hat,<lb/> wenn ich nicht irre, Jemand den Vorſchlag gethan, die <hi rendition="#g">Aka-<lb/> demien</hi> von den <hi rendition="#g">Univerſitaͤten</hi> zu ſcheiden, jenen die<lb/> eigentlichen gelehrten <hi rendition="#g">Forſcher</hi>, dieſen die eigentlichen <hi rendition="#g">Leh-<lb/> rer</hi> der Wiſſenſchaften zuzuweiſen. Ein Vorſchlag, welcher<lb/> im hoͤchſten Grade der weiteren Ueberlegung wuͤrdig iſt. Vie-<lb/> len großen Uebeln der heutigen Univerſitaͤten wuͤrde dadurch<lb/> vorgebeugt werden. Ich mache nur auf folgende aufmerkſam:</p><lb/> <list> <item>1) <hi rendition="#g">Es wuͤrden nicht Maͤnner zum akademiſchen<lb/> Lehramte berufen werden, die weder inneren<lb/> Beruf, noch aͤußeres Talent zum Lehren be-<lb/> ſitzen</hi>.</item> </list><lb/> <p>Welche Marter iſt es fuͤr die Studenten, tagtaͤglich zu<lb/> den Fuͤßen eines Mannes zu ſitzen, der die Gabe des Lehrens<lb/> nicht beſitzt, ſelbſt wenn er der ausgezeichneteſte, beruͤhmteſte<lb/> Gelehrte ſein ſollte. Sie ſitzen da mit lernbegierigen Ohren,<lb/> ſie ſchreiben die Worte nach, die ſie hoͤren, aber ſie verſtehen<lb/> den Mann nicht. Leider gilt dieß in Deutſchland noch fuͤr<lb/> den Beweis der Meiſterſchaft, fuͤr einen untruͤglichen Beweis<lb/> der Gruͤndlichkeit und der Tiefe. Von <hi rendition="#g">Hegel</hi> hat man ge-<lb/> ſagt, daß ihn <hi rendition="#g">Einer</hi> verſtanden habe. Doch wir wollen hof-<lb/> fen, daß ihn in jedem Semeſter zehn verſtanden haben. Aber<lb/> ſtets hoͤrten ihn Hunderte! Was iſt nun aus dieſen gewor-<lb/> den? Welchen Gewinn haben ſie gezogen von den Stunden,<lb/> die ſie aufopferten, von der Geiſtesqual, die ſie empfunden?<lb/> Oder wird man etwa dadurch fuͤr die Wiſſenſchaften, fuͤr die<lb/> Wiſſenſchaft der Wiſſenſchaften, die Philoſophie, oder fuͤr phi-<lb/> loſophiſche Behandlung gewonnen, wenn man nichts verſteht?<lb/> So viel iſt gewiß, Hegel mag ein tiefer Forſcher geweſen ſein,<lb/> er war einer der ſchlechteſten Lehrer, die es jemals gegeben<lb/> hat. Jenes kann ich nicht beurtheilen, denn ich gehoͤre auch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [6/0024]
Zur Befeſtigung dieſes hoͤchſt wichtigen Unterſchiedes hat,
wenn ich nicht irre, Jemand den Vorſchlag gethan, die Aka-
demien von den Univerſitaͤten zu ſcheiden, jenen die
eigentlichen gelehrten Forſcher, dieſen die eigentlichen Leh-
rer der Wiſſenſchaften zuzuweiſen. Ein Vorſchlag, welcher
im hoͤchſten Grade der weiteren Ueberlegung wuͤrdig iſt. Vie-
len großen Uebeln der heutigen Univerſitaͤten wuͤrde dadurch
vorgebeugt werden. Ich mache nur auf folgende aufmerkſam:
1) Es wuͤrden nicht Maͤnner zum akademiſchen
Lehramte berufen werden, die weder inneren
Beruf, noch aͤußeres Talent zum Lehren be-
ſitzen.
Welche Marter iſt es fuͤr die Studenten, tagtaͤglich zu
den Fuͤßen eines Mannes zu ſitzen, der die Gabe des Lehrens
nicht beſitzt, ſelbſt wenn er der ausgezeichneteſte, beruͤhmteſte
Gelehrte ſein ſollte. Sie ſitzen da mit lernbegierigen Ohren,
ſie ſchreiben die Worte nach, die ſie hoͤren, aber ſie verſtehen
den Mann nicht. Leider gilt dieß in Deutſchland noch fuͤr
den Beweis der Meiſterſchaft, fuͤr einen untruͤglichen Beweis
der Gruͤndlichkeit und der Tiefe. Von Hegel hat man ge-
ſagt, daß ihn Einer verſtanden habe. Doch wir wollen hof-
fen, daß ihn in jedem Semeſter zehn verſtanden haben. Aber
ſtets hoͤrten ihn Hunderte! Was iſt nun aus dieſen gewor-
den? Welchen Gewinn haben ſie gezogen von den Stunden,
die ſie aufopferten, von der Geiſtesqual, die ſie empfunden?
Oder wird man etwa dadurch fuͤr die Wiſſenſchaften, fuͤr die
Wiſſenſchaft der Wiſſenſchaften, die Philoſophie, oder fuͤr phi-
loſophiſche Behandlung gewonnen, wenn man nichts verſteht?
So viel iſt gewiß, Hegel mag ein tiefer Forſcher geweſen ſein,
er war einer der ſchlechteſten Lehrer, die es jemals gegeben
hat. Jenes kann ich nicht beurtheilen, denn ich gehoͤre auch
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