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Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.

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des Gedankens nicht erwehren, daß in ihnen Manches
schlecht bestellt sein müsse, weil ein Institut wie die
Universität, das von den öffentlichen Angelegenheiten
bestimmt und geregelt wird, an so großen Gebrechen
leidet. Ich meine, daß wenn jene Quelle reines Was-
ser lieferte, sich hier nicht so viel Schlamm abgesetzt
haben könnte. Denn von den öffentlichen Angelegen-
heiten gilt doch auch als Maßstab das Wort: "an
ihren Werken sollt ihr sie erkennen!" Darum und
auch aus einigen andern Gründen, deren Aufzählung
nicht dieses Ortes ist, schließe ich, daß das Verderben
eine größere Sphäre habe, als die Universitäten. Dies
sage ich offen, weil ich es denke. Wenn Jemand, so
wünschte ich, daß es anders sich verhalten, daß ich
im Irrthum befangen sein möchte. Denn ich wünsche
das Bessere, und dieses Verlangen führt mir die Fe-
der. Es ist schmerzlich, Wunden berühren, und sich
der Gefahr preis geben zu müssen, sich, trotz des lau-
teren Willens, Feinde zu erwecken. Aber die Ueber-
zeugung ist mächtiger als alle diese Hindernisse. Es
ist möglich, daß man mir, wenn ich von der Noth-
wendigkeit der Umänderung der Universitäten und des-
sen, was seitwärts und darüber hinaus liegt, rede,
demagogische Absichten zutraut. Aber meine Rede ist
ja der Censur unterworfen. Streiche sie, was ihr
nicht gefällt! Ich will nichts sagen, was Schaden
stiften kann; ich will nützen. Und die Censur soll

des Gedankens nicht erwehren, daß in ihnen Manches
ſchlecht beſtellt ſein muͤſſe, weil ein Inſtitut wie die
Univerſitaͤt, das von den oͤffentlichen Angelegenheiten
beſtimmt und geregelt wird, an ſo großen Gebrechen
leidet. Ich meine, daß wenn jene Quelle reines Waſ-
ſer lieferte, ſich hier nicht ſo viel Schlamm abgeſetzt
haben koͤnnte. Denn von den oͤffentlichen Angelegen-
heiten gilt doch auch als Maßſtab das Wort: „an
ihren Werken ſollt ihr ſie erkennen!“ Darum und
auch aus einigen andern Gruͤnden, deren Aufzaͤhlung
nicht dieſes Ortes iſt, ſchließe ich, daß das Verderben
eine groͤßere Sphaͤre habe, als die Univerſitaͤten. Dies
ſage ich offen, weil ich es denke. Wenn Jemand, ſo
wuͤnſchte ich, daß es anders ſich verhalten, daß ich
im Irrthum befangen ſein moͤchte. Denn ich wuͤnſche
das Beſſere, und dieſes Verlangen fuͤhrt mir die Fe-
der. Es iſt ſchmerzlich, Wunden beruͤhren, und ſich
der Gefahr preis geben zu muͤſſen, ſich, trotz des lau-
teren Willens, Feinde zu erwecken. Aber die Ueber-
zeugung iſt maͤchtiger als alle dieſe Hinderniſſe. Es
iſt moͤglich, daß man mir, wenn ich von der Noth-
wendigkeit der Umaͤnderung der Univerſitaͤten und deſ-
ſen, was ſeitwaͤrts und daruͤber hinaus liegt, rede,
demagogiſche Abſichten zutraut. Aber meine Rede iſt
ja der Cenſur unterworfen. Streiche ſie, was ihr
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ſtiften kann; ich will nuͤtzen. Und die Cenſur ſoll

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[IX/0015] des Gedankens nicht erwehren, daß in ihnen Manches ſchlecht beſtellt ſein muͤſſe, weil ein Inſtitut wie die Univerſitaͤt, das von den oͤffentlichen Angelegenheiten beſtimmt und geregelt wird, an ſo großen Gebrechen leidet. Ich meine, daß wenn jene Quelle reines Waſ- ſer lieferte, ſich hier nicht ſo viel Schlamm abgeſetzt haben koͤnnte. Denn von den oͤffentlichen Angelegen- heiten gilt doch auch als Maßſtab das Wort: „an ihren Werken ſollt ihr ſie erkennen!“ Darum und auch aus einigen andern Gruͤnden, deren Aufzaͤhlung nicht dieſes Ortes iſt, ſchließe ich, daß das Verderben eine groͤßere Sphaͤre habe, als die Univerſitaͤten. Dies ſage ich offen, weil ich es denke. Wenn Jemand, ſo wuͤnſchte ich, daß es anders ſich verhalten, daß ich im Irrthum befangen ſein moͤchte. Denn ich wuͤnſche das Beſſere, und dieſes Verlangen fuͤhrt mir die Fe- der. Es iſt ſchmerzlich, Wunden beruͤhren, und ſich der Gefahr preis geben zu muͤſſen, ſich, trotz des lau- teren Willens, Feinde zu erwecken. Aber die Ueber- zeugung iſt maͤchtiger als alle dieſe Hinderniſſe. Es iſt moͤglich, daß man mir, wenn ich von der Noth- wendigkeit der Umaͤnderung der Univerſitaͤten und deſ- ſen, was ſeitwaͤrts und daruͤber hinaus liegt, rede, demagogiſche Abſichten zutraut. Aber meine Rede iſt ja der Cenſur unterworfen. Streiche ſie, was ihr nicht gefaͤllt! Ich will nichts ſagen, was Schaden ſtiften kann; ich will nuͤtzen. Und die Cenſur ſoll

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Zitationshilfe: Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/15>, abgerufen am 21.11.2024.