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Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

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der Christenheit zerstören möchte, um nur nicht mit
dem Nachbar in Gemeinschaft zu stehen1).

So stand es bereits 1828.

Wenn man nun bedenkt, welch gewaltigen Succurs und
Bestärkung in dieser vorgefaßten Meinung der Protestantis-
mus durch Wiederherstellung der deutschen Kaiserwürde zu
Gunsten einer protestantischen Dynastie gefunden hat; wenn
man bedenkt, welche politische Machtmittel ihm zugefallen sind
durch die Beseitigung Österreichs aus Deutschland und durch
die Besiegung Frankreichs: dann ist der Vorstoß des evange-
lischen Bundes, den er seit seiner Gründung 1888 gewagt,
nicht mehr überraschend.

Umgekehrt aber hat der unerwartete, mit so viel Hoffnungen
begleitete Ausgang des Kulturkampfes jene Partei mit nagen-
dem Kummer erfüllt, vollends, nachdem die Vertretung des
katholischen Teiles in der Zentrumsfraktion einen so ausschlag-
gebenden Einfluß auf die innere Entwickelung des deutschen
Volks gefunden hat. Der Jngrimm ist verständlich. Nicht
aber die innere, hervorgekehrte Angst vor dem Überwuchern
des sog. Ultramontanismus, die abergläubische Furcht vor seiner
Aggression. Wenn man die gegenseitige Stellung der beiden
Konfessionen im Reiche überblickt, dann ist die protestantische
Majorität, gegenüber der katholischen Minorität, mit solch
einem Übergewicht an weltlichen und staatlichen Machtmitteln
versehen, daß sie, wie weiland der Riese Goliath dem kleinen
David gegenübersteht. Wohl mag es sein, daß jene trotzdem
die fünf kleinen Kieselsteine fürchtet, welche dem ultramon-
tanen Hirtenknaben zu Gebote stehen: die Wahrheit, das

1) Vorrede zum Bd. II. S. 8.

der Chriſtenheit zerſtören möchte, um nur nicht mit
dem Nachbar in Gemeinſchaft zu ſtehen1).

So ſtand es bereits 1828.

Wenn man nun bedenkt, welch gewaltigen Succurs und
Beſtärkung in dieſer vorgefaßten Meinung der Proteſtantis-
mus durch Wiederherſtellung der deutſchen Kaiſerwürde zu
Gunſten einer proteſtantiſchen Dynaſtie gefunden hat; wenn
man bedenkt, welche politiſche Machtmittel ihm zugefallen ſind
durch die Beſeitigung Öſterreichs aus Deutſchland und durch
die Beſiegung Frankreichs: dann iſt der Vorſtoß des evange-
liſchen Bundes, den er ſeit ſeiner Gründung 1888 gewagt,
nicht mehr überraſchend.

Umgekehrt aber hat der unerwartete, mit ſo viel Hoffnungen
begleitete Ausgang des Kulturkampfes jene Partei mit nagen-
dem Kummer erfüllt, vollends, nachdem die Vertretung des
katholiſchen Teiles in der Zentrumsfraktion einen ſo ausſchlag-
gebenden Einfluß auf die innere Entwickelung des deutſchen
Volks gefunden hat. Der Jngrimm iſt verſtändlich. Nicht
aber die innere, hervorgekehrte Angſt vor dem Überwuchern
des ſog. Ultramontanismus, die abergläubiſche Furcht vor ſeiner
Aggreſſion. Wenn man die gegenſeitige Stellung der beiden
Konfeſſionen im Reiche überblickt, dann iſt die proteſtantiſche
Majorität, gegenüber der katholiſchen Minorität, mit ſolch
einem Übergewicht an weltlichen und ſtaatlichen Machtmitteln
verſehen, daß ſie, wie weiland der Rieſe Goliath dem kleinen
David gegenüberſteht. Wohl mag es ſein, daß jene trotzdem
die fünf kleinen Kieſelſteine fürchtet, welche dem ultramon-
tanen Hirtenknaben zu Gebote ſtehen: die Wahrheit, das

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[62/0074] der Chriſtenheit zerſtören möchte, um nur nicht mit dem Nachbar in Gemeinſchaft zu ſtehen 1). So ſtand es bereits 1828. Wenn man nun bedenkt, welch gewaltigen Succurs und Beſtärkung in dieſer vorgefaßten Meinung der Proteſtantis- mus durch Wiederherſtellung der deutſchen Kaiſerwürde zu Gunſten einer proteſtantiſchen Dynaſtie gefunden hat; wenn man bedenkt, welche politiſche Machtmittel ihm zugefallen ſind durch die Beſeitigung Öſterreichs aus Deutſchland und durch die Beſiegung Frankreichs: dann iſt der Vorſtoß des evange- liſchen Bundes, den er ſeit ſeiner Gründung 1888 gewagt, nicht mehr überraſchend. Umgekehrt aber hat der unerwartete, mit ſo viel Hoffnungen begleitete Ausgang des Kulturkampfes jene Partei mit nagen- dem Kummer erfüllt, vollends, nachdem die Vertretung des katholiſchen Teiles in der Zentrumsfraktion einen ſo ausſchlag- gebenden Einfluß auf die innere Entwickelung des deutſchen Volks gefunden hat. Der Jngrimm iſt verſtändlich. Nicht aber die innere, hervorgekehrte Angſt vor dem Überwuchern des ſog. Ultramontanismus, die abergläubiſche Furcht vor ſeiner Aggreſſion. Wenn man die gegenſeitige Stellung der beiden Konfeſſionen im Reiche überblickt, dann iſt die proteſtantiſche Majorität, gegenüber der katholiſchen Minorität, mit ſolch einem Übergewicht an weltlichen und ſtaatlichen Machtmitteln verſehen, daß ſie, wie weiland der Rieſe Goliath dem kleinen David gegenüberſteht. Wohl mag es ſein, daß jene trotzdem die fünf kleinen Kieſelſteine fürchtet, welche dem ultramon- tanen Hirtenknaben zu Gebote ſtehen: die Wahrheit, das 1) Vorrede zum Bd. II. S. 8.

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Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/74>, abgerufen am 12.12.2024.