Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

pisten Bücher, höre ihre Predigten, so wirst du finden, daß
dies ihr einziger Grund ist, worauf sie stehen, wider uns
pochen und trotzen, da sie vorgeben, es sei nichts Gutes aus
unserer Lehre gekommen. Denn alsbald da unser Evange-
lium ausging und sich hören ließ, folgte der greuliche Auf-
ruhr, es erhuben sich in der Kirche Spaltung und Sekten,
es ward Ehrbarkeit, Disziplin und Zucht zerrüttet und jeder-
mann wollte vogelfrei sein und thun, was ihm gelüstet, nach
allem seinem Mutwillen und Gefallen, als wären alle Ge-
setze, Rechte und Ordnung gar aufgehoben; wie es denn lei-
der allzuwahr ist. Denn der Mutwille in allen Ständen,
mit allerlei Lastern, Sünden und Schanden, ist jetzt viel
größer denn zuvor, da die Leute, und sonderlich der Pöbel,
doch etlichermaßen in Furcht und Zaum gehalten wurden,
welches nun wie ein zaumloses Pferd lebt und thut alles,
was es nur gelüstet, ohne allen Scheu. Denn es verachtet
der Kirchen Bande, dadurch es zuvor gehalten ward, und
mißbraucht dazu die Nachlässigkeit weltlicher Obrigkeit1).

Später klagt Luther: "Da erstlich das Evangelium bei
uns aufging, war die Zeit noch erträglich genug, weil aber
jetzt und fast keine Gottesfurcht mehr ist und sich Schande
und Laster täglich mehren, also daß auch falsche Lehren dazu-
kommen, hat man sich nichts gewisseres zu versehen, denn daß
es dahin kommen wird, daß, nachdem unsere Sünden reif
geworden sind, entweder die Welt gar über einen Haufen
gehen
oder auf andere Gelegenheit Deutschland wird ge-
straft werden2)."

Aber die Klagen des "Reformators" häufen sich. "All

1) Ausleg. d. 2. Psalms, Walch V, 114.
2) Ausleg. des I. Buch. Mos. Walch 382.

piſten Bücher, höre ihre Predigten, ſo wirſt du finden, daß
dies ihr einziger Grund iſt, worauf ſie ſtehen, wider uns
pochen und trotzen, da ſie vorgeben, es ſei nichts Gutes aus
unſerer Lehre gekommen. Denn alsbald da unſer Evange-
lium ausging und ſich hören ließ, folgte der greuliche Auf-
ruhr, es erhuben ſich in der Kirche Spaltung und Sekten,
es ward Ehrbarkeit, Disziplin und Zucht zerrüttet und jeder-
mann wollte vogelfrei ſein und thun, was ihm gelüſtet, nach
allem ſeinem Mutwillen und Gefallen, als wären alle Ge-
ſetze, Rechte und Ordnung gar aufgehoben; wie es denn lei-
der allzuwahr iſt. Denn der Mutwille in allen Ständen,
mit allerlei Laſtern, Sünden und Schanden, iſt jetzt viel
größer denn zuvor, da die Leute, und ſonderlich der Pöbel,
doch etlichermaßen in Furcht und Zaum gehalten wurden,
welches nun wie ein zaumloſes Pferd lebt und thut alles,
was es nur gelüſtet, ohne allen Scheu. Denn es verachtet
der Kirchen Bande, dadurch es zuvor gehalten ward, und
mißbraucht dazu die Nachläſſigkeit weltlicher Obrigkeit1).

Später klagt Luther: „Da erſtlich das Evangelium bei
uns aufging, war die Zeit noch erträglich genug, weil aber
jetzt und faſt keine Gottesfurcht mehr iſt und ſich Schande
und Laſter täglich mehren, alſo daß auch falſche Lehren dazu-
kommen, hat man ſich nichts gewiſſeres zu verſehen, denn daß
es dahin kommen wird, daß, nachdem unſere Sünden reif
geworden ſind, entweder die Welt gar über einen Haufen
gehen
oder auf andere Gelegenheit Deutſchland wird ge-
ſtraft werden2).‟

Aber die Klagen des „Reformators‟ häufen ſich. „All

1) Ausleg. d. 2. Pſalms, Walch V, 114.
2) Ausleg. des I. Buch. Moſ. Walch 382.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0051" n="39"/>
pi&#x017F;ten Bücher, höre ihre Predigten, &#x017F;o wir&#x017F;t du finden, daß<lb/>
dies ihr einziger Grund i&#x017F;t, worauf &#x017F;ie &#x017F;tehen, wider uns<lb/>
pochen und trotzen, da &#x017F;ie vorgeben, es &#x017F;ei nichts Gutes aus<lb/>
un&#x017F;erer Lehre gekommen. Denn alsbald da un&#x017F;er Evange-<lb/>
lium ausging und &#x017F;ich hören ließ, folgte der greuliche Auf-<lb/>
ruhr, es erhuben &#x017F;ich in der Kirche Spaltung und Sekten,<lb/>
es ward Ehrbarkeit, Disziplin und Zucht zerrüttet und jeder-<lb/>
mann wollte vogelfrei &#x017F;ein und thun, was ihm gelü&#x017F;tet, nach<lb/>
allem &#x017F;einem Mutwillen und Gefallen, als wären alle Ge-<lb/>
&#x017F;etze, Rechte und Ordnung gar aufgehoben; wie es denn lei-<lb/>
der <hi rendition="#g">allzuwahr</hi> i&#x017F;t. Denn der Mutwille in allen Ständen,<lb/>
mit allerlei La&#x017F;tern, Sünden und Schanden, i&#x017F;t jetzt viel<lb/>
größer denn zuvor, da die Leute, und &#x017F;onderlich der Pöbel,<lb/>
doch etlichermaßen in Furcht und Zaum gehalten wurden,<lb/>
welches nun wie ein zaumlo&#x017F;es Pferd lebt und thut alles,<lb/>
was es nur gelü&#x017F;tet, ohne allen Scheu. Denn es verachtet<lb/>
der Kirchen Bande, dadurch es zuvor gehalten ward, und<lb/>
mißbraucht dazu die Nachlä&#x017F;&#x017F;igkeit weltlicher Obrigkeit<note place="foot" n="1)">Ausleg. d. 2. P&#x017F;alms, Walch <hi rendition="#aq">V,</hi> 114.</note>.</p><lb/>
        <p>Später klagt Luther: &#x201E;Da er&#x017F;tlich das Evangelium bei<lb/>
uns aufging, war die Zeit noch erträglich genug, weil aber<lb/>
jetzt und fa&#x017F;t keine Gottesfurcht mehr i&#x017F;t und &#x017F;ich Schande<lb/>
und La&#x017F;ter täglich mehren, al&#x017F;o daß auch fal&#x017F;che Lehren dazu-<lb/>
kommen, hat man &#x017F;ich nichts gewi&#x017F;&#x017F;eres zu ver&#x017F;ehen, denn daß<lb/>
es dahin kommen wird, daß, nachdem un&#x017F;ere Sünden reif<lb/>
geworden &#x017F;ind, entweder die <hi rendition="#g">Welt</hi> gar über <hi rendition="#g">einen Haufen<lb/>
gehen</hi> oder auf andere Gelegenheit Deut&#x017F;chland wird ge-<lb/>
&#x017F;traft werden<note place="foot" n="2)">Ausleg. des <hi rendition="#aq">I.</hi> Buch. Mo&#x017F;. Walch 382.</note>.&#x201F;</p><lb/>
        <p>Aber die Klagen des &#x201E;Reformators&#x201F; häufen &#x017F;ich. &#x201E;All<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0051] piſten Bücher, höre ihre Predigten, ſo wirſt du finden, daß dies ihr einziger Grund iſt, worauf ſie ſtehen, wider uns pochen und trotzen, da ſie vorgeben, es ſei nichts Gutes aus unſerer Lehre gekommen. Denn alsbald da unſer Evange- lium ausging und ſich hören ließ, folgte der greuliche Auf- ruhr, es erhuben ſich in der Kirche Spaltung und Sekten, es ward Ehrbarkeit, Disziplin und Zucht zerrüttet und jeder- mann wollte vogelfrei ſein und thun, was ihm gelüſtet, nach allem ſeinem Mutwillen und Gefallen, als wären alle Ge- ſetze, Rechte und Ordnung gar aufgehoben; wie es denn lei- der allzuwahr iſt. Denn der Mutwille in allen Ständen, mit allerlei Laſtern, Sünden und Schanden, iſt jetzt viel größer denn zuvor, da die Leute, und ſonderlich der Pöbel, doch etlichermaßen in Furcht und Zaum gehalten wurden, welches nun wie ein zaumloſes Pferd lebt und thut alles, was es nur gelüſtet, ohne allen Scheu. Denn es verachtet der Kirchen Bande, dadurch es zuvor gehalten ward, und mißbraucht dazu die Nachläſſigkeit weltlicher Obrigkeit 1). Später klagt Luther: „Da erſtlich das Evangelium bei uns aufging, war die Zeit noch erträglich genug, weil aber jetzt und faſt keine Gottesfurcht mehr iſt und ſich Schande und Laſter täglich mehren, alſo daß auch falſche Lehren dazu- kommen, hat man ſich nichts gewiſſeres zu verſehen, denn daß es dahin kommen wird, daß, nachdem unſere Sünden reif geworden ſind, entweder die Welt gar über einen Haufen gehen oder auf andere Gelegenheit Deutſchland wird ge- ſtraft werden 2).‟ Aber die Klagen des „Reformators‟ häufen ſich. „All 1) Ausleg. d. 2. Pſalms, Walch V, 114. 2) Ausleg. des I. Buch. Moſ. Walch 382.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/51
Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/51>, abgerufen am 18.12.2024.