Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.löst wurde. Nur eine Auktorität ließ er gelten, und zwar die "Hic liber est, in quo quisquis sua dogmata quaerit, D. h.: dies ist das Buch, worin ein jeglicher sucht seinen Durch die Außerkurssetzung der christlichen Moral als Diefenbach, Reformation oder Revolution? 3
löſt wurde. Nur eine Auktorität ließ er gelten, und zwar die „Hic liber est, in quo quisquis sua dogmata quaerit, D. h.: dies iſt das Buch, worin ein jeglicher ſucht ſeinen Durch die Außerkursſetzung der chriſtlichen Moral als Diefenbach, Reformation oder Revolution? 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0045" n="33"/> löſt wurde. Nur eine Auktorität ließ er gelten, und zwar die<lb/> der heiligen Schrift. Dadurch aber, daß er jedem Chriſten<lb/> das Recht und die Pflicht zuerkannte, über den Lehrinhalt der<lb/> heiligen Schrift zu urteilen bezw. ſie auszulegen, hebt er ihre<lb/> Auktorität wieder auf, weil die heilige Schrift nicht über,<lb/> ſondern <hi rendition="#g">unter</hi> ihrem Richter ſteht. Durch eine ſolche Ver-<lb/> bindung von Freiheit und Auktorität geriet er in einen<lb/><hi rendition="#aq">circulus vitiosus,</hi> in eine Sackgaſſe! Dieſe Thatſache wird<lb/> in einem bekannten Diſtichon zum Ausdruck gebracht, welches<lb/> als Motto auf dem Titelblatte einer Bibel niedergeſchrieben<lb/> war:</p><lb/> <p> <hi rendition="#aq">„Hic liber est, in quo quisquis sua dogmata quaerit,<lb/> Quaerit et invenit dogmata quisque sua.‟</hi> </p><lb/> <p>D. h.: dies iſt das Buch, worin ein jeglicher ſucht ſeinen<lb/> Glauben; ſucht er und findet fürwahr alles, was er ſchon glaubt.</p><lb/> <p>Durch die Außerkursſetzung der chriſtlichen Moral als<lb/> Bedingung zur Seligkeit hatte Luther der Jmmoralität Thür<lb/> und Thor geöffnet. Er erzielte keine Reformation der Menſch-<lb/> heit, ſondern eine Deformation; keine Regeneration, ſondern<lb/> eine Degeneration. Wir werden die Beweiſe für dieſes Fak-<lb/> tum bald vernehmen. Zum Glücke haben ſeine Nachfolger<lb/> beim Anblicke des Sittenverderbniſſes auf Remedur geſonnen<lb/> und in drei Etappen dem großen Unheil abzuhelfen geſucht.<lb/> Der erſte Schritt geſchah zu Bergen bei Magdeburg 1580<lb/> durch Aufrichtung der ſog. <hi rendition="#g">Conkordienformel,</hi> laut wel-<lb/> cher die guten Werke wieder in ihr Recht eingeſetzt wurden,<lb/> doch nicht als notwendige Mittel zur Seligkeit, ſondern als<lb/> notwendige Mittel zur Bewährung des Glaubens und als von<lb/> Gott gegebenes Gebot. Dann folgte zweitens die Reaktion<lb/> gegen das Fundament der lutheriſchen Lehre, gegen die Theorie<lb/> von der Sola-Fides-Gerechtigkeit. Es geſchah dieſes durch<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Diefenbach,</hi> Reformation oder Revolution? 3</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [33/0045]
löſt wurde. Nur eine Auktorität ließ er gelten, und zwar die
der heiligen Schrift. Dadurch aber, daß er jedem Chriſten
das Recht und die Pflicht zuerkannte, über den Lehrinhalt der
heiligen Schrift zu urteilen bezw. ſie auszulegen, hebt er ihre
Auktorität wieder auf, weil die heilige Schrift nicht über,
ſondern unter ihrem Richter ſteht. Durch eine ſolche Ver-
bindung von Freiheit und Auktorität geriet er in einen
circulus vitiosus, in eine Sackgaſſe! Dieſe Thatſache wird
in einem bekannten Diſtichon zum Ausdruck gebracht, welches
als Motto auf dem Titelblatte einer Bibel niedergeſchrieben
war:
„Hic liber est, in quo quisquis sua dogmata quaerit,
Quaerit et invenit dogmata quisque sua.‟
D. h.: dies iſt das Buch, worin ein jeglicher ſucht ſeinen
Glauben; ſucht er und findet fürwahr alles, was er ſchon glaubt.
Durch die Außerkursſetzung der chriſtlichen Moral als
Bedingung zur Seligkeit hatte Luther der Jmmoralität Thür
und Thor geöffnet. Er erzielte keine Reformation der Menſch-
heit, ſondern eine Deformation; keine Regeneration, ſondern
eine Degeneration. Wir werden die Beweiſe für dieſes Fak-
tum bald vernehmen. Zum Glücke haben ſeine Nachfolger
beim Anblicke des Sittenverderbniſſes auf Remedur geſonnen
und in drei Etappen dem großen Unheil abzuhelfen geſucht.
Der erſte Schritt geſchah zu Bergen bei Magdeburg 1580
durch Aufrichtung der ſog. Conkordienformel, laut wel-
cher die guten Werke wieder in ihr Recht eingeſetzt wurden,
doch nicht als notwendige Mittel zur Seligkeit, ſondern als
notwendige Mittel zur Bewährung des Glaubens und als von
Gott gegebenes Gebot. Dann folgte zweitens die Reaktion
gegen das Fundament der lutheriſchen Lehre, gegen die Theorie
von der Sola-Fides-Gerechtigkeit. Es geſchah dieſes durch
Diefenbach, Reformation oder Revolution? 3
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