Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dickens, Charles: Der Weihnachtsabend (Übers. Edward Aubrey Moriarty). Leipzig, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Farbe? ach, der arme Tiny Tim!

"Sie sind jetzt wieder besser," sagte Cratchit's Frau. "Die Farbe blendet sie bei Licht und ich möchte den Vater, wenn er heim kommt, nicht sehen lassen, daß ich schwache Augen habe. Es muß bald seine Zeit sein."

"Fast schon vorüber," erwiderte Peter, das Buch schließend. "Aber ich glaube, er geht jetzt ein wenig langsamer als gewöhnlich, Mutter."

Sie waren wieder sehr still. Endlich sagte sie mit einer ruhigen, heitern Stimme, die nur ein einziges Mal zitterte:

"Ich weiß, daß er mit - ich weiß, daß er mit Tiny Tim auf der Schulter sehr schnell ging."

"Und ich auch," rief Peter. "Oft."

"Und ich auch," riefen die Andern.

"Aber er war sehr leicht zu tragen," fing sie wieder an, fest auf ihre Arbeit sehend, "und der Vater liebte ihn so, daß es keine Beschwerde war - keine Beschwerde. Und da kommt der Vater."

Sie eilte ihm entgegen und Bob mit dem Shawl - er hatte ihn nöthig, der arme Kerl - trat herein. Sein Thee stand bereit und sie drängten sich Alle herbei, wer ihm am meisten helfen könne. Dann kletterten die beiden kleinen Cratchit's auf seine Kniee und jedes Kind legte eine kleine Wange an die seine, als wollten sie sagen: kümmere Dich nicht so sehr, Vater.

Bob war sehr heiter und sprach sehr munter mit der ganzen Familie. Er besah die Arbeit auf dem Tische und

Die Farbe? ach, der arme Tiny Tim!

„Sie sind jetzt wieder besser,“ sagte Cratchit’s Frau. „Die Farbe blendet sie bei Licht und ich möchte den Vater, wenn er heim kommt, nicht sehen lassen, daß ich schwache Augen habe. Es muß bald seine Zeit sein.“

„Fast schon vorüber,“ erwiderte Peter, das Buch schließend. „Aber ich glaube, er geht jetzt ein wenig langsamer als gewöhnlich, Mutter.“

Sie waren wieder sehr still. Endlich sagte sie mit einer ruhigen, heitern Stimme, die nur ein einziges Mal zitterte:

„Ich weiß, daß er mit – ich weiß, daß er mit Tiny Tim auf der Schulter sehr schnell ging.“

„Und ich auch,“ rief Peter. „Oft.“

„Und ich auch,“ riefen die Andern.

„Aber er war sehr leicht zu tragen,“ fing sie wieder an, fest auf ihre Arbeit sehend, „und der Vater liebte ihn so, daß es keine Beschwerde war – keine Beschwerde. Und da kommt der Vater.“

Sie eilte ihm entgegen und Bob mit dem Shawl – er hatte ihn nöthig, der arme Kerl – trat herein. Sein Thee stand bereit und sie drängten sich Alle herbei, wer ihm am meisten helfen könne. Dann kletterten die beiden kleinen Cratchit’s auf seine Kniee und jedes Kind legte eine kleine Wange an die seine, als wollten sie sagen: kümmere Dich nicht so sehr, Vater.

Bob war sehr heiter und sprach sehr munter mit der ganzen Familie. Er besah die Arbeit auf dem Tische und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0117" n="117"/>
        <p>Die Farbe? ach, der arme Tiny Tim!</p>
        <p>&#x201E;Sie sind jetzt wieder besser,&#x201C; sagte Cratchit&#x2019;s Frau. &#x201E;Die Farbe blendet sie bei Licht und ich möchte den Vater, wenn er heim kommt, nicht sehen lassen, daß ich schwache Augen habe. Es muß bald seine Zeit sein.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Fast schon vorüber,&#x201C; erwiderte Peter, das Buch schließend. &#x201E;Aber ich glaube, er geht jetzt ein wenig langsamer als gewöhnlich, Mutter.&#x201C;</p>
        <p>Sie waren wieder sehr still. Endlich sagte sie mit einer ruhigen, heitern Stimme, die nur ein einziges Mal zitterte:</p>
        <p>&#x201E;Ich weiß, daß er mit &#x2013; ich weiß, daß er mit Tiny Tim auf der Schulter sehr schnell ging.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Und ich auch,&#x201C; rief Peter. &#x201E;Oft.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Und ich auch,&#x201C; riefen die Andern.</p>
        <p>&#x201E;Aber er war sehr leicht zu tragen,&#x201C; fing sie wieder an, fest auf ihre Arbeit sehend, &#x201E;und der Vater liebte ihn so, daß es keine Beschwerde war &#x2013; keine Beschwerde. Und da kommt der Vater.&#x201C;</p>
        <p>Sie eilte ihm entgegen und Bob mit dem Shawl &#x2013; er hatte ihn nöthig, der arme Kerl &#x2013; trat herein. Sein Thee stand bereit und sie drängten sich Alle herbei, wer ihm am meisten helfen könne. Dann kletterten die beiden kleinen Cratchit&#x2019;s auf seine Kniee und jedes Kind legte eine kleine Wange an die seine, als wollten sie sagen: kümmere Dich nicht so sehr, Vater.</p>
        <p>Bob war sehr heiter und sprach sehr munter mit der ganzen Familie. Er besah die Arbeit auf dem Tische und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0117] Die Farbe? ach, der arme Tiny Tim! „Sie sind jetzt wieder besser,“ sagte Cratchit’s Frau. „Die Farbe blendet sie bei Licht und ich möchte den Vater, wenn er heim kommt, nicht sehen lassen, daß ich schwache Augen habe. Es muß bald seine Zeit sein.“ „Fast schon vorüber,“ erwiderte Peter, das Buch schließend. „Aber ich glaube, er geht jetzt ein wenig langsamer als gewöhnlich, Mutter.“ Sie waren wieder sehr still. Endlich sagte sie mit einer ruhigen, heitern Stimme, die nur ein einziges Mal zitterte: „Ich weiß, daß er mit – ich weiß, daß er mit Tiny Tim auf der Schulter sehr schnell ging.“ „Und ich auch,“ rief Peter. „Oft.“ „Und ich auch,“ riefen die Andern. „Aber er war sehr leicht zu tragen,“ fing sie wieder an, fest auf ihre Arbeit sehend, „und der Vater liebte ihn so, daß es keine Beschwerde war – keine Beschwerde. Und da kommt der Vater.“ Sie eilte ihm entgegen und Bob mit dem Shawl – er hatte ihn nöthig, der arme Kerl – trat herein. Sein Thee stand bereit und sie drängten sich Alle herbei, wer ihm am meisten helfen könne. Dann kletterten die beiden kleinen Cratchit’s auf seine Kniee und jedes Kind legte eine kleine Wange an die seine, als wollten sie sagen: kümmere Dich nicht so sehr, Vater. Bob war sehr heiter und sprach sehr munter mit der ganzen Familie. Er besah die Arbeit auf dem Tische und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-27T08:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-27T08:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-27T08:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dickens_weihnachtsabend_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dickens_weihnachtsabend_1844/117
Zitationshilfe: Dickens, Charles: Der Weihnachtsabend (Übers. Edward Aubrey Moriarty). Leipzig, 1844, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dickens_weihnachtsabend_1844/117>, abgerufen am 24.11.2024.