Noth haben. Und im Fall/ da es gleich bisweilen etlichen geräth/ daß böse Leute/ die ihre Lebtage übel zubracht haben/ Christlich ster- ben/ als dem Schecher am Creutz wiederfahren/ so ists doch darauf nicht zu wagen/ denn Poenitentiae sera, sagt Augustinus, raro vera, Spate Buß/ selten wahre Buß. Und solt wol dem hunder- ten nicht gerathen/ sonderlich dem/ der auf Gnad und muthwillig gesündiget hat. Denn es stehet geschrieben: Qvia repulistiscien- tiam meam, repellam te. Jtem/ Clamabunt, & non exaudi- am. Und wie das Sprichwort lautet: Wer auf Gnad sündiget/ dem soll mit Unbarmhertzigkeit gelohnet werden. Und der alte Leh- rer Bernhardus saget: Sero qvaeritur salutis remedium, cum mortis imminet periculum.
Was hat denn ein Christ für Nutz davon/ wenn er also in täglicher Bußfertiger Bereitschafft stehet?
Daß er sich ob des Todesbild nicht entsetzet/ sondern gern stirbet/ und das zeitliche Leben willig und mit Freuden übergiebt. Das ist zwar gewis/ das keiner unter uns gern stirbet/ und ob wol viel Leute sagen: Ach wer nur gestorben wäre/ ich wol- te gerne sterben: So ist doch dasselbe Schimpff/ kein Ernst dabey/ wir fürchten uns fürm Todt/ wenn wir davon hören reden/ oder sehen eine todte Leich/ und dörffen wol die jenigen/ welche das sagen/ wo der Todt käme/ so wol thun/ wie jener bey dem Eso- po/ der sich mit Holtze und Wassertragen sehr abar- beitet/ darüm er ihm oft den Todt wünschet/ da er aber kam/ wolte lieber länger Stein tragen/ damit er ein Zeitlang noch leben möchte.
Also
Die ſelige Sterb-Kunſt.
Noth haben. Und im Fall/ da es gleich bisweilen etlichen geräth/ daß böſe Leute/ die ihre Lebtage übel zubracht haben/ Chriſtlich ſter- ben/ als dem Schecher am Creutz wiederfahren/ ſo iſts doch darauf nicht zu wagen/ denn Pœnitentiæ ſera, ſagt Auguſtinus, rarò vera, Spate Buß/ ſelten wahre Buß. Und ſolt wol dem hunder- ten nicht gerathen/ ſonderlich dem/ der auf Gnad und muthwillig geſündiget hat. Denn es ſtehet geſchrieben: Qvia repuliſtiſcien- tiam meam, repellam te. Jtem/ Clamabunt, & non exaudi- am. Und wie das Sprichwort lautet: Wer auf Gnad ſündiget/ dem ſoll mit Unbarmhertzigkeit gelohnet werden. Und der alte Leh- rer Bernhardus ſaget: Serò qværitur ſalutis remedium, cum mortis imminet periculum.
Was hat denn ein Chriſt für Nutz davon/ wenn er alſo in täglicher Bußfertiger Bereitſchafft ſtehet?
Daß er ſich ob des Todesbild nicht entſetzet/ ſondern gern ſtirbet/ und das zeitliche Leben willig und mit Freuden übergiebt. Das iſt zwar gewis/ das keiner unter uns gern ſtirbet/ und ob wol viel Leute ſagen: Ach wer nur geſtorben wäre/ ich wol- te gerne ſterben: So iſt doch daſſelbe Schimpff/ kein Ernſt dabey/ wir fürchten uns fürm Todt/ weñ wir davon hören reden/ oder ſehen eine todte Leich/ und dörffen wol die jenigen/ welche das ſagen/ wo der Todt käme/ ſo wol thun/ wie jener bey dem Eſo- po/ der ſich mit Holtze und Waſſertragen ſehr abar- beitet/ darüm er ihm oft den Todt wünſchet/ da er aber kam/ wolte lieber länger Stein tragen/ damit er ein Zeitlang noch leben möchte.
Alſo
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Die ſelige Sterb-Kunſt.
Noth haben. Und im Fall/ da es gleich bisweilen etlichen geräth/
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ben/ als dem Schecher am Creutz wiederfahren/ ſo iſts doch darauf
nicht zu wagen/ denn Pœnitentiæ ſera, ſagt Auguſtinus, rarò
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ten nicht gerathen/ ſonderlich dem/ der auf Gnad und muthwillig
geſündiget hat. Denn es ſtehet geſchrieben: Qvia repuliſtiſcien-
tiam meam, repellam te. Jtem/ Clamabunt, & non exaudi-
am. Und wie das Sprichwort lautet: Wer auf Gnad ſündiget/
dem ſoll mit Unbarmhertzigkeit gelohnet werden. Und der alte Leh-
rer Bernhardus ſaget: Serò qværitur ſalutis remedium,
cum mortis imminet periculum.
Was hat denn ein Chriſt für Nutz davon/ wenn er
alſo in täglicher Bußfertiger Bereitſchafft ſtehet?
Daß er ſich ob des Todesbild nicht entſetzet/
ſondern gern ſtirbet/ und das zeitliche Leben willig
und mit Freuden übergiebt. Das iſt zwar gewis/
das keiner unter uns gern ſtirbet/ und ob wol viel
Leute ſagen: Ach wer nur geſtorben wäre/ ich wol-
te gerne ſterben: So iſt doch daſſelbe Schimpff/
kein Ernſt dabey/ wir fürchten uns fürm Todt/ weñ
wir davon hören reden/ oder ſehen eine todte Leich/
und dörffen wol die jenigen/ welche das ſagen/ wo
der Todt käme/ ſo wol thun/ wie jener bey dem Eſo-
po/ der ſich mit Holtze und Waſſertragen ſehr abar-
beitet/ darüm er ihm oft den Todt wünſchet/ da er
aber kam/ wolte lieber länger Stein tragen/ damit
er ein Zeitlang noch leben möchte.
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Deucer, Johann: Nützliches Gebet-Buch. Zittau, 1665, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/deucer_gebetbuch_1665/353>, abgerufen am 02.07.2024.
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