Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.Zusammenhang zwischen entfernteren Zeiten und der Ge- Der Schluss des Capitels von S. 84 an führt uns wieder Zusammenhang zwischen entfernteren Zeiten und der Ge- Der Schluss des Capitels von S. 84 an führt uns wieder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032" n="27"/> Zusammenhang zwischen entfernteren Zeiten und der Ge-<lb/> genwart her, in viel höherem Grade, als es die mündliche<lb/> Ueberlieferung thut, welche ein weit kürzeres Gedächt -<lb/> niss hat.<lb/></p> <p> Der Schluss des Capitels von S. 84 an führt uns wieder<lb/> zu der Erörterung des Begriffes Lautgesetz zurück. Auf<lb/> einen Punkt — die Verkürzung von <hi rendition="#i">ἡμιμέδιμνον</hi> zu <hi rendition="#i">ἡμέδιμ-<lb/> νον </hi>— bin ich oben schon mit einigen Worten eingegangen.<lb/> Hier bespreche ich zwei andere Verkürzungserscheinungen,<lb/> welche nach Curtius' Ansicht in durchaus sporadischer, nicht<lb/> unter die Begriffe Gesetz oder Analogie zu bringender Weise<lb/> auftreten. Es betrifft die Comparativ- und Superlativbildung<lb/> und die sog. Koseformen. Von den ersteren heisst es bei<lb/> Curtius S. 87: »Hierher gehören wahrscheinlich auch die<lb/> Stammkürzungen in den Comparativen und Superlativen,<lb/> die zu den merkwürdigsten Ausnahmen von der allgemeinen<lb/> Regel zu rechnen sind, dass die abgeleitete Stammbildung<lb/> aus dem vollen Stamme des primitiveren Wortes hervorgeht.<lb/> Man erinnere sich solcher Formen wie <hi rendition="#i">ῥίγιον</hi>. <hi rendition="#i">ἄλγιστος,<lb/> αἰσχίων, ἡδίων</hi>. Man sagt wohl, der Comparativ werde hier<lb/> »aus der Wurzel« gebildet, allein mit welchem Rechte kann man<lb/> z. B. das aus Wurzel (?) <hi rendition="#i">aἰδ</hi> (<hi rendition="#i">αἴδομαι αἰδώς</hi>) hervorgegangene<lb/><hi rendition="#i"> αἰσχ</hi> von <hi rendition="#i">αἰαχίων</hi> eine Wurzel nennen, und was hat begriff-<lb/> lich die Wurzel mit der Comparation der Adjectiva zu thun?<lb/> Die Steigerung setzt unbedingt den Begriff einer Eigen-<lb/> schaft, also eines Nomens voraus; <hi rendition="#i">ἡδίων, ῥίγιον</hi> haben schwer-<lb/> lich von Haus aus ohne einen Positiv bestanden, vielleicht<lb/> nur nicht von Anfang an neben dem später üblichen.« Da<lb/> die Comparative auf <hi rendition="#i">ιων</hi> und die Superlative auf <hi rendition="#i">ιστος</hi> im<lb/> Griechischen nur noch als Reste vorhanden sind, wird es,<lb/> wenn man das ursprüngliche Verhalten dieser Bildungen<lb/> kennen lernen will, gerathen sein, sich an eine Sprache zu<lb/> wenden, wo dieselben noch lebendig sind, d. i. das Sanskrit.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [27/0032]
Zusammenhang zwischen entfernteren Zeiten und der Ge-
genwart her, in viel höherem Grade, als es die mündliche
Ueberlieferung thut, welche ein weit kürzeres Gedächt -
niss hat.
Der Schluss des Capitels von S. 84 an führt uns wieder
zu der Erörterung des Begriffes Lautgesetz zurück. Auf
einen Punkt — die Verkürzung von ἡμιμέδιμνον zu ἡμέδιμ-
νον — bin ich oben schon mit einigen Worten eingegangen.
Hier bespreche ich zwei andere Verkürzungserscheinungen,
welche nach Curtius' Ansicht in durchaus sporadischer, nicht
unter die Begriffe Gesetz oder Analogie zu bringender Weise
auftreten. Es betrifft die Comparativ- und Superlativbildung
und die sog. Koseformen. Von den ersteren heisst es bei
Curtius S. 87: »Hierher gehören wahrscheinlich auch die
Stammkürzungen in den Comparativen und Superlativen,
die zu den merkwürdigsten Ausnahmen von der allgemeinen
Regel zu rechnen sind, dass die abgeleitete Stammbildung
aus dem vollen Stamme des primitiveren Wortes hervorgeht.
Man erinnere sich solcher Formen wie ῥίγιον. ἄλγιστος,
αἰσχίων, ἡδίων. Man sagt wohl, der Comparativ werde hier
»aus der Wurzel« gebildet, allein mit welchem Rechte kann man
z. B. das aus Wurzel (?) aἰδ (αἴδομαι αἰδώς) hervorgegangene
αἰσχ von αἰαχίων eine Wurzel nennen, und was hat begriff-
lich die Wurzel mit der Comparation der Adjectiva zu thun?
Die Steigerung setzt unbedingt den Begriff einer Eigen-
schaft, also eines Nomens voraus; ἡδίων, ῥίγιον haben schwer-
lich von Haus aus ohne einen Positiv bestanden, vielleicht
nur nicht von Anfang an neben dem später üblichen.« Da
die Comparative auf ιων und die Superlative auf ιστος im
Griechischen nur noch als Reste vorhanden sind, wird es,
wenn man das ursprüngliche Verhalten dieser Bildungen
kennen lernen will, gerathen sein, sich an eine Sprache zu
wenden, wo dieselben noch lebendig sind, d. i. das Sanskrit.
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