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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Denkmalpflege und Museen
sei: möglichst viele, gefüllte und glänzende Museen. Nichts ist
bezeichnender, als daß immer in gleichem Atem gesagt wird:
"Museen und Theater." Hier bleibt noch eine ganz große Auf-
klärungsarbeit zu tun. In bezug auf die monumentale Kunst
haben ja auch schon die weiteren Kreise einigermaßen begriffen,
worauf es ankommt; in bezug auf die mobile ist ihr Gewissen
noch nicht erwacht, und ich kann nicht anders sagen, die Museen
sind mit daran schuld. Das Publikum muß es einsehen lernen,
daß man diese durch den fürstlichen Sammeleifer des 17. und
18. Jahrhunderts geschaffenen Schatzkammern sehr wohl über
alles kostbar halten kann und doch zugleich anerkennen, daß die
Grundsätze, aus denen sie hervorgingen, nicht mehr die unserigen
sein dürfen. Mit ihrem Glanze zu wetteifern, ist in jedem Sinn
ein falscher Ehrgeiz. Wir haben sie als abgeschlossene Bildungen
anzusehen.

Soll unser Museumswesen eine neue Entwicklung erleben, so
wird der fundamentale Satz dafür zu lauten haben: Museen
sind nicht Selbstzweck, Museen sind Glieder
in dem allgemeinen System der Denkmalpflege
.
Sie werden damit alles Zufällige und Willkürliche von sich abtun.
Es wird nicht mehr das Museum zuerst da sein und dann in aller
Welt umher gespürt werden, was man Kostbares und Merkwürdiges
hineinbringen könne. Museen werden nicht mehr gemacht werden,
sie werden entstehen; entstehen, wenn ein Inhalt da ist,
der nach ihrem Schutze verlangt. Den naturgemäß gegebenen
Inhalt bringt die örtliche und landschaftliche Kunstgeschichte.
Die mobile Kunst muß so nahe als möglich bei der monumentalen,
unter deren Dach sie einmal geboren war, erhalten bleiben. Unsere
Kirchen und Rathäuser sind zu einem großen Teil entleert, puri-
fiziert, aber man soll doch nur ein Haus weitergehen müssen,
um wiederzufinden, was sie einst schmückte und belebte. Ein
Museum soll Individualität besitzen, und zwar diejenige seines
Ortes. Die deutsche Kunstgeschichte ist durchaus partikularistisch
verlaufen. Also werden auch die deutschen Kunstmuseen partiku-
laristisch sein müssen. Wir hatten nie und haben auch heute
nicht eine Kulturhauptstadt, ein Paris. Das Leben der Gegen-

19*

Denkmalpflege und Museen
sei: möglichst viele, gefüllte und glänzende Museen. Nichts ist
bezeichnender, als daß immer in gleichem Atem gesagt wird:
»Museen und Theater.« Hier bleibt noch eine ganz große Auf-
klärungsarbeit zu tun. In bezug auf die monumentale Kunst
haben ja auch schon die weiteren Kreise einigermaßen begriffen,
worauf es ankommt; in bezug auf die mobile ist ihr Gewissen
noch nicht erwacht, und ich kann nicht anders sagen, die Museen
sind mit daran schuld. Das Publikum muß es einsehen lernen,
daß man diese durch den fürstlichen Sammeleifer des 17. und
18. Jahrhunderts geschaffenen Schatzkammern sehr wohl über
alles kostbar halten kann und doch zugleich anerkennen, daß die
Grundsätze, aus denen sie hervorgingen, nicht mehr die unserigen
sein dürfen. Mit ihrem Glanze zu wetteifern, ist in jedem Sinn
ein falscher Ehrgeiz. Wir haben sie als abgeschlossene Bildungen
anzusehen.

Soll unser Museumswesen eine neue Entwicklung erleben, so
wird der fundamentale Satz dafür zu lauten haben: Museen
sind nicht Selbstzweck, Museen sind Glieder
in dem allgemeinen System der Denkmalpflege
.
Sie werden damit alles Zufällige und Willkürliche von sich abtun.
Es wird nicht mehr das Museum zuerst da sein und dann in aller
Welt umher gespürt werden, was man Kostbares und Merkwürdiges
hineinbringen könne. Museen werden nicht mehr gemacht werden,
sie werden entstehen; entstehen, wenn ein Inhalt da ist,
der nach ihrem Schutze verlangt. Den naturgemäß gegebenen
Inhalt bringt die örtliche und landschaftliche Kunstgeschichte.
Die mobile Kunst muß so nahe als möglich bei der monumentalen,
unter deren Dach sie einmal geboren war, erhalten bleiben. Unsere
Kirchen und Rathäuser sind zu einem großen Teil entleert, puri-
fiziert, aber man soll doch nur ein Haus weitergehen müssen,
um wiederzufinden, was sie einst schmückte und belebte. Ein
Museum soll Individualität besitzen, und zwar diejenige seines
Ortes. Die deutsche Kunstgeschichte ist durchaus partikularistisch
verlaufen. Also werden auch die deutschen Kunstmuseen partiku-
laristisch sein müssen. Wir hatten nie und haben auch heute
nicht eine Kulturhauptstadt, ein Paris. Das Leben der Gegen-

19*
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[291/0353] Denkmalpflege und Museen sei: möglichst viele, gefüllte und glänzende Museen. Nichts ist bezeichnender, als daß immer in gleichem Atem gesagt wird: »Museen und Theater.« Hier bleibt noch eine ganz große Auf- klärungsarbeit zu tun. In bezug auf die monumentale Kunst haben ja auch schon die weiteren Kreise einigermaßen begriffen, worauf es ankommt; in bezug auf die mobile ist ihr Gewissen noch nicht erwacht, und ich kann nicht anders sagen, die Museen sind mit daran schuld. Das Publikum muß es einsehen lernen, daß man diese durch den fürstlichen Sammeleifer des 17. und 18. Jahrhunderts geschaffenen Schatzkammern sehr wohl über alles kostbar halten kann und doch zugleich anerkennen, daß die Grundsätze, aus denen sie hervorgingen, nicht mehr die unserigen sein dürfen. Mit ihrem Glanze zu wetteifern, ist in jedem Sinn ein falscher Ehrgeiz. Wir haben sie als abgeschlossene Bildungen anzusehen. Soll unser Museumswesen eine neue Entwicklung erleben, so wird der fundamentale Satz dafür zu lauten haben: Museen sind nicht Selbstzweck, Museen sind Glieder in dem allgemeinen System der Denkmalpflege. Sie werden damit alles Zufällige und Willkürliche von sich abtun. Es wird nicht mehr das Museum zuerst da sein und dann in aller Welt umher gespürt werden, was man Kostbares und Merkwürdiges hineinbringen könne. Museen werden nicht mehr gemacht werden, sie werden entstehen; entstehen, wenn ein Inhalt da ist, der nach ihrem Schutze verlangt. Den naturgemäß gegebenen Inhalt bringt die örtliche und landschaftliche Kunstgeschichte. Die mobile Kunst muß so nahe als möglich bei der monumentalen, unter deren Dach sie einmal geboren war, erhalten bleiben. Unsere Kirchen und Rathäuser sind zu einem großen Teil entleert, puri- fiziert, aber man soll doch nur ein Haus weitergehen müssen, um wiederzufinden, was sie einst schmückte und belebte. Ein Museum soll Individualität besitzen, und zwar diejenige seines Ortes. Die deutsche Kunstgeschichte ist durchaus partikularistisch verlaufen. Also werden auch die deutschen Kunstmuseen partiku- laristisch sein müssen. Wir hatten nie und haben auch heute nicht eine Kulturhauptstadt, ein Paris. Das Leben der Gegen- 19*

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/353>, abgerufen am 24.11.2024.