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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Denkmalschutz und Denkmalpflege
Monet binnen 3 Tagen 235 Statuen, wie das amtliche Protokoll
mit Genugtuung feststellt, in Stücke geschlagen; der Münsterturm
selbst sollte abgetragen werden. An ungezählten Kirchen Frank-
reichs wiederholten sich diese Orgien des Vernunftsfanatismus.
Mehrere der allerersten Bauwerke, wie die Abteikirchen zu Cluny
und S. Martin in Tours, wurden dem Erdboden gleichgemacht.

Leider haben die Grundsätze der Revolution sie selbst weit
überdauert. Unter dem Kaiserreich, unter den hergestellten Bour-
bonen, in den deutschen Rheinbundstaaten -- überall blieben in
der Behandlung der Denkmäler die rohesten und niedrigsten Nütz-
lichkeitserwägungen in Kraft. Als typisches Beispiel diene die Ge-
schichte der Abtei Schwarzach unweit Würzburg. Kirche und
Klostergebäude waren erst fünfzig Jahre vor der Säkularisation
neu aufgebaut worden, eine der vornehmsten Schöpfungen Bal-
thasar Neumanns, den wir heute zu den größten deutschen Bau-
künstlern aller Zeiten rechnen, geschmückt mit Deckengemälden
Tiepolos. Die neue bayerische Verwaltung wollte die Unterhaltungs-
kosten der kleinen Dorfgemeinde zuschieben; die Gemeinde wehrte
sich; endlich wurde man einig die Prachtbauten abzubrechen und
ihre Steine als Chausseematerial zu zerklopfen; das wurde langsam
und bedächtig ausgeführt von 1820 - 30. Ungefähr nach diesem
Muster ging es ungezählten anderen. Verlassene Burgen und
Kirchen als Steinbrüche den Umwohnern preiszugeben, war bis
ins 19. Jahrhundert eine verbreitete Sitte, wie es z. B. das Nieder-
münster am Odilienberg erfahren mußte, dessen in Schutt ver-
sunkenen Reste wir in den letzten Jahren wieder ausgegraben haben.
Der englisch-hannoverschen Regierung genügte ein Angebot von
1505 Talern, um den Abbruch des unlängst erst, unter der kurzen
preußischen Verwaltung, ausgebesserten Doms von Goslar zu be-
schließen. Glücklich noch die, die würdig befunden wurden, eine
Fabrik oder eine Strafanstalt aufzunehmen.

Man kann ungefähr die 1830er Jahre als die Zeitgrenze an-
sehen, um welche der von Obrigkeits wegen betriebene Denkmals-
frevel aufhörte als eine gute Verwaltungsmaxime zu gelten. Er
stand schon längst im Widerspruch, man kann nicht sagen mit der
Volksmeinung, aber mit der Meinung aller Gebildeten.

Denkmalschutz und Denkmalpflege
Monet binnen 3 Tagen 235 Statuen, wie das amtliche Protokoll
mit Genugtuung feststellt, in Stücke geschlagen; der Münsterturm
selbst sollte abgetragen werden. An ungezählten Kirchen Frank-
reichs wiederholten sich diese Orgien des Vernunftsfanatismus.
Mehrere der allerersten Bauwerke, wie die Abteikirchen zu Cluny
und S. Martin in Tours, wurden dem Erdboden gleichgemacht.

Leider haben die Grundsätze der Revolution sie selbst weit
überdauert. Unter dem Kaiserreich, unter den hergestellten Bour-
bonen, in den deutschen Rheinbundstaaten — überall blieben in
der Behandlung der Denkmäler die rohesten und niedrigsten Nütz-
lichkeitserwägungen in Kraft. Als typisches Beispiel diene die Ge-
schichte der Abtei Schwarzach unweit Würzburg. Kirche und
Klostergebäude waren erst fünfzig Jahre vor der Säkularisation
neu aufgebaut worden, eine der vornehmsten Schöpfungen Bal-
thasar Neumanns, den wir heute zu den größten deutschen Bau-
künstlern aller Zeiten rechnen, geschmückt mit Deckengemälden
Tiepolos. Die neue bayerische Verwaltung wollte die Unterhaltungs-
kosten der kleinen Dorfgemeinde zuschieben; die Gemeinde wehrte
sich; endlich wurde man einig die Prachtbauten abzubrechen und
ihre Steine als Chausseematerial zu zerklopfen; das wurde langsam
und bedächtig ausgeführt von 1820 - 30. Ungefähr nach diesem
Muster ging es ungezählten anderen. Verlassene Burgen und
Kirchen als Steinbrüche den Umwohnern preiszugeben, war bis
ins 19. Jahrhundert eine verbreitete Sitte, wie es z. B. das Nieder-
münster am Odilienberg erfahren mußte, dessen in Schutt ver-
sunkenen Reste wir in den letzten Jahren wieder ausgegraben haben.
Der englisch-hannoverschen Regierung genügte ein Angebot von
1505 Talern, um den Abbruch des unlängst erst, unter der kurzen
preußischen Verwaltung, ausgebesserten Doms von Goslar zu be-
schließen. Glücklich noch die, die würdig befunden wurden, eine
Fabrik oder eine Strafanstalt aufzunehmen.

Man kann ungefähr die 1830er Jahre als die Zeitgrenze an-
sehen, um welche der von Obrigkeits wegen betriebene Denkmals-
frevel aufhörte als eine gute Verwaltungsmaxime zu gelten. Er
stand schon längst im Widerspruch, man kann nicht sagen mit der
Volksmeinung, aber mit der Meinung aller Gebildeten.

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[266/0328] Denkmalschutz und Denkmalpflege Monet binnen 3 Tagen 235 Statuen, wie das amtliche Protokoll mit Genugtuung feststellt, in Stücke geschlagen; der Münsterturm selbst sollte abgetragen werden. An ungezählten Kirchen Frank- reichs wiederholten sich diese Orgien des Vernunftsfanatismus. Mehrere der allerersten Bauwerke, wie die Abteikirchen zu Cluny und S. Martin in Tours, wurden dem Erdboden gleichgemacht. Leider haben die Grundsätze der Revolution sie selbst weit überdauert. Unter dem Kaiserreich, unter den hergestellten Bour- bonen, in den deutschen Rheinbundstaaten — überall blieben in der Behandlung der Denkmäler die rohesten und niedrigsten Nütz- lichkeitserwägungen in Kraft. Als typisches Beispiel diene die Ge- schichte der Abtei Schwarzach unweit Würzburg. Kirche und Klostergebäude waren erst fünfzig Jahre vor der Säkularisation neu aufgebaut worden, eine der vornehmsten Schöpfungen Bal- thasar Neumanns, den wir heute zu den größten deutschen Bau- künstlern aller Zeiten rechnen, geschmückt mit Deckengemälden Tiepolos. Die neue bayerische Verwaltung wollte die Unterhaltungs- kosten der kleinen Dorfgemeinde zuschieben; die Gemeinde wehrte sich; endlich wurde man einig die Prachtbauten abzubrechen und ihre Steine als Chausseematerial zu zerklopfen; das wurde langsam und bedächtig ausgeführt von 1820 - 30. Ungefähr nach diesem Muster ging es ungezählten anderen. Verlassene Burgen und Kirchen als Steinbrüche den Umwohnern preiszugeben, war bis ins 19. Jahrhundert eine verbreitete Sitte, wie es z. B. das Nieder- münster am Odilienberg erfahren mußte, dessen in Schutt ver- sunkenen Reste wir in den letzten Jahren wieder ausgegraben haben. Der englisch-hannoverschen Regierung genügte ein Angebot von 1505 Talern, um den Abbruch des unlängst erst, unter der kurzen preußischen Verwaltung, ausgebesserten Doms von Goslar zu be- schließen. Glücklich noch die, die würdig befunden wurden, eine Fabrik oder eine Strafanstalt aufzunehmen. Man kann ungefähr die 1830er Jahre als die Zeitgrenze an- sehen, um welche der von Obrigkeits wegen betriebene Denkmals- frevel aufhörte als eine gute Verwaltungsmaxime zu gelten. Er stand schon längst im Widerspruch, man kann nicht sagen mit der Volksmeinung, aber mit der Meinung aller Gebildeten.

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/328>, abgerufen am 27.11.2024.