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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Was wird aus dem Heidelberger Schloß werden?
Untersuchung nicht beteiligte, zu der diesjährigen Kommission hin-
zugezogene Architekt Gabriel Seidl (Erbauer des neuen Münchener
Nationalmuseums) wiederholte es. Ebenso in freiwilligen Äuße-
rungen Oberbaudirektor Dr. Durm und Oberbaurat Dr. Warth.
Der letztere verneint in längerer Auseinandersetzung aufs be-
stimmteste, daß die Ausführung eines Daches Vorteile für die Er-
haltung bringen würde, die sich nicht auch mit anderen technischen
Mitteln erreichen ließen. "Bei dem geplanten Ausbau werden die
Verhältnisse nicht günstiger werden, denn die Fassade des Otto-
Heinrichsbaus erhält durch das Dach keinen Schutz gegen die
Witterungseinflüsse, sie wird in ihrer Ausdehnung nur vergrößert
durch die gewaltigen, die Dachflächen überragenden Doppelgiebel,
die in erhöhtem Maße der Verwitterung und dem Verfall preisge-
geben sind. Der einzige Erfolg wird darin bestehen, daß sich die
Unterhaltungskosten der neuen Fassade verdoppeln." Genug, die
überwiegende Majorität der Techniker ist überzeugt, daß die Er-
haltung der Ruine ohne augenfällige Änderung der äußeren Er-
scheinung auf Jahrhunderte verbürgt werden kann. Und
sollte in ferner Zukunft der Augenblick eintreten, wo das nicht mehr
möglich wäre, so ist durch genaueste Zeichnungen und Messungen
schon jetzt vorgesorgt, daß ein Ersatzbau, wenn man ihn dann
haben will, eintreten kann. Eine Gefahr für den Bestand
des Heidelberger Schlosses, außer der durch
Karl Schäfer ihr drohenden, ist heute nicht
vorhanden
.

Es erübrigt, das Schäfersche Projekt auf seinen archäologischen
Wert zu prüfen. Da das Gebäude selbst für die Restauration keine
Anhaltspunkte gibt, muß man die in ziemlicher Zahl erhaltenen
alten Ansichten um Auskunft fragen (vgl. deren Publikation durch
Zangemeister in den Mitteilungen des Schloßvereins Bd. I). Die-
selben zerfallen in zwei Gruppen: solche, die vor, und solche, die nach
dem Brande im Dreißigjährigen Kriege aufgenommen sind. Es
wird daraus ersichtlich, daß die nach dieser Katastrophe vorge-
nommene Restauration der Dachregion eine wesentliche veränderte
Gestalt gegeben hat; ihr gehören die noch jetzt vorhandenen
Giebelansätze über dem Hauptgesims. Die Grundlage für Schäfers

Was wird aus dem Heidelberger Schloß werden?
Untersuchung nicht beteiligte, zu der diesjährigen Kommission hin-
zugezogene Architekt Gabriel Seidl (Erbauer des neuen Münchener
Nationalmuseums) wiederholte es. Ebenso in freiwilligen Äuße-
rungen Oberbaudirektor Dr. Durm und Oberbaurat Dr. Warth.
Der letztere verneint in längerer Auseinandersetzung aufs be-
stimmteste, daß die Ausführung eines Daches Vorteile für die Er-
haltung bringen würde, die sich nicht auch mit anderen technischen
Mitteln erreichen ließen. »Bei dem geplanten Ausbau werden die
Verhältnisse nicht günstiger werden, denn die Fassade des Otto-
Heinrichsbaus erhält durch das Dach keinen Schutz gegen die
Witterungseinflüsse, sie wird in ihrer Ausdehnung nur vergrößert
durch die gewaltigen, die Dachflächen überragenden Doppelgiebel,
die in erhöhtem Maße der Verwitterung und dem Verfall preisge-
geben sind. Der einzige Erfolg wird darin bestehen, daß sich die
Unterhaltungskosten der neuen Fassade verdoppeln.« Genug, die
überwiegende Majorität der Techniker ist überzeugt, daß die Er-
haltung der Ruine ohne augenfällige Änderung der äußeren Er-
scheinung auf Jahrhunderte verbürgt werden kann. Und
sollte in ferner Zukunft der Augenblick eintreten, wo das nicht mehr
möglich wäre, so ist durch genaueste Zeichnungen und Messungen
schon jetzt vorgesorgt, daß ein Ersatzbau, wenn man ihn dann
haben will, eintreten kann. Eine Gefahr für den Bestand
des Heidelberger Schlosses, außer der durch
Karl Schäfer ihr drohenden, ist heute nicht
vorhanden
.

Es erübrigt, das Schäfersche Projekt auf seinen archäologischen
Wert zu prüfen. Da das Gebäude selbst für die Restauration keine
Anhaltspunkte gibt, muß man die in ziemlicher Zahl erhaltenen
alten Ansichten um Auskunft fragen (vgl. deren Publikation durch
Zangemeister in den Mitteilungen des Schloßvereins Bd. I). Die-
selben zerfallen in zwei Gruppen: solche, die vor, und solche, die nach
dem Brande im Dreißigjährigen Kriege aufgenommen sind. Es
wird daraus ersichtlich, daß die nach dieser Katastrophe vorge-
nommene Restauration der Dachregion eine wesentliche veränderte
Gestalt gegeben hat; ihr gehören die noch jetzt vorhandenen
Giebelansätze über dem Hauptgesims. Die Grundlage für Schäfers

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[255/0317] Was wird aus dem Heidelberger Schloß werden? Untersuchung nicht beteiligte, zu der diesjährigen Kommission hin- zugezogene Architekt Gabriel Seidl (Erbauer des neuen Münchener Nationalmuseums) wiederholte es. Ebenso in freiwilligen Äuße- rungen Oberbaudirektor Dr. Durm und Oberbaurat Dr. Warth. Der letztere verneint in längerer Auseinandersetzung aufs be- stimmteste, daß die Ausführung eines Daches Vorteile für die Er- haltung bringen würde, die sich nicht auch mit anderen technischen Mitteln erreichen ließen. »Bei dem geplanten Ausbau werden die Verhältnisse nicht günstiger werden, denn die Fassade des Otto- Heinrichsbaus erhält durch das Dach keinen Schutz gegen die Witterungseinflüsse, sie wird in ihrer Ausdehnung nur vergrößert durch die gewaltigen, die Dachflächen überragenden Doppelgiebel, die in erhöhtem Maße der Verwitterung und dem Verfall preisge- geben sind. Der einzige Erfolg wird darin bestehen, daß sich die Unterhaltungskosten der neuen Fassade verdoppeln.« Genug, die überwiegende Majorität der Techniker ist überzeugt, daß die Er- haltung der Ruine ohne augenfällige Änderung der äußeren Er- scheinung auf Jahrhunderte verbürgt werden kann. Und sollte in ferner Zukunft der Augenblick eintreten, wo das nicht mehr möglich wäre, so ist durch genaueste Zeichnungen und Messungen schon jetzt vorgesorgt, daß ein Ersatzbau, wenn man ihn dann haben will, eintreten kann. Eine Gefahr für den Bestand des Heidelberger Schlosses, außer der durch Karl Schäfer ihr drohenden, ist heute nicht vorhanden. Es erübrigt, das Schäfersche Projekt auf seinen archäologischen Wert zu prüfen. Da das Gebäude selbst für die Restauration keine Anhaltspunkte gibt, muß man die in ziemlicher Zahl erhaltenen alten Ansichten um Auskunft fragen (vgl. deren Publikation durch Zangemeister in den Mitteilungen des Schloßvereins Bd. I). Die- selben zerfallen in zwei Gruppen: solche, die vor, und solche, die nach dem Brande im Dreißigjährigen Kriege aufgenommen sind. Es wird daraus ersichtlich, daß die nach dieser Katastrophe vorge- nommene Restauration der Dachregion eine wesentliche veränderte Gestalt gegeben hat; ihr gehören die noch jetzt vorhandenen Giebelansätze über dem Hauptgesims. Die Grundlage für Schäfers

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/317>, abgerufen am 24.11.2024.