Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.Was wird aus dem Heidelberger Schloß werden? derherstellung heute nicht mehr vorhandenerTeile, allein Erhaltung des Bestehenden. Dieses Votum wurde allgemein beifällig aufgenommen, ebenso in dem großen Kreise der Gebildeten wie in dem engeren der Fach- leute. So z. B. verwies auf der Versammlung der deutschen Archi- tekten und Ingenieurvereine des Jahres 1896 Steinbrecht, der hoch- geschätzte Restaurator der Marienburg, auf das Heidelberger Schloß als auf ein typisches Beispiel für jene Fälle, in denen eine über die Erhaltungsarbeiten hinausgehende Restauration nicht statthaft sei. Warum nun ist in diesem Herbst eine neue Kom- mission berufen worden? Sind neue Tatsachen bekannt geworden, welche eine Revision des Votums von 1891 nötig machten? Keines- wegs -- das Neue, das eingetreten ist, liegt nicht im Kreise der Sachen, sondern in dem der Personen. Die treibende Kraft der neuen Projekte war der neue, um die Mitte der 90er Jahre als Lehrer an die Technische Hochschule in Karlsruhe berufene Archi- tekt, Oberbaurat Schäfer. Derselbe übernahm die Ausbesserung des Friedrichsbaues, des einzigen Gebäudes in der Heidelberger Schloßgruppe, das nicht als Ruine auf uns gekommen ist. Die Kommission, der er selbst angehörte, gab ihm als Richtschnur, den altertümlichen Charakter des Bauwerks durchaus zu schonen. In welchem Maße er seinen Auftrag überschritten hat, ist bekannt. Wie es dabei geschehen konnte, daß die bisher verantwortliche Instanz, das ist die badische Oberbaubehörde, von jeder Mitwirkung und Kritik ausgeschlossen wurde, braucht uns als eine interne An- gelegenheit nicht zu beschäftigen. Inzwischen ist Herrn Schäfer, dessen künstlerische Begabung ebenso allgemein anerkannt wird wie seine Tatkraft, beim Essen der Appetit gewachsen. Er will den Otto-Heinrichsbau (der bekanntlich in ganz anderem Sinn und Maß als der Friedrichsbau Ruine ist) so wiederherstellen, wie er, Schäfer, glaubt, daß er gewesen ist. Sein Projekt zu begutachten, war der Anlaß zur Berufung der zweiten großen Kommission. Ihr gehörten von den Mitgliedern der ersten von 1891 nur ganz wenige an, und ihr Ergebnis war ein Zwiespalt. Die Architekten G. v. Seidl (München) und Oberbaurat Kircher (Karlsruhe) sowie die Kunst- historiker Thode (Heidelberg) und v. Oechelhäuser (Karlsruhe) er- Was wird aus dem Heidelberger Schloß werden? derherstellung heute nicht mehr vorhandenerTeile, allein Erhaltung des Bestehenden. Dieses Votum wurde allgemein beifällig aufgenommen, ebenso in dem großen Kreise der Gebildeten wie in dem engeren der Fach- leute. So z. B. verwies auf der Versammlung der deutschen Archi- tekten und Ingenieurvereine des Jahres 1896 Steinbrecht, der hoch- geschätzte Restaurator der Marienburg, auf das Heidelberger Schloß als auf ein typisches Beispiel für jene Fälle, in denen eine über die Erhaltungsarbeiten hinausgehende Restauration nicht statthaft sei. Warum nun ist in diesem Herbst eine neue Kom- mission berufen worden? Sind neue Tatsachen bekannt geworden, welche eine Revision des Votums von 1891 nötig machten? Keines- wegs — das Neue, das eingetreten ist, liegt nicht im Kreise der Sachen, sondern in dem der Personen. Die treibende Kraft der neuen Projekte war der neue, um die Mitte der 90er Jahre als Lehrer an die Technische Hochschule in Karlsruhe berufene Archi- tekt, Oberbaurat Schäfer. Derselbe übernahm die Ausbesserung des Friedrichsbaues, des einzigen Gebäudes in der Heidelberger Schloßgruppe, das nicht als Ruine auf uns gekommen ist. Die Kommission, der er selbst angehörte, gab ihm als Richtschnur, den altertümlichen Charakter des Bauwerks durchaus zu schonen. In welchem Maße er seinen Auftrag überschritten hat, ist bekannt. Wie es dabei geschehen konnte, daß die bisher verantwortliche Instanz, das ist die badische Oberbaubehörde, von jeder Mitwirkung und Kritik ausgeschlossen wurde, braucht uns als eine interne An- gelegenheit nicht zu beschäftigen. Inzwischen ist Herrn Schäfer, dessen künstlerische Begabung ebenso allgemein anerkannt wird wie seine Tatkraft, beim Essen der Appetit gewachsen. Er will den Otto-Heinrichsbau (der bekanntlich in ganz anderem Sinn und Maß als der Friedrichsbau Ruine ist) so wiederherstellen, wie er, Schäfer, glaubt, daß er gewesen ist. Sein Projekt zu begutachten, war der Anlaß zur Berufung der zweiten großen Kommission. Ihr gehörten von den Mitgliedern der ersten von 1891 nur ganz wenige an, und ihr Ergebnis war ein Zwiespalt. Die Architekten G. v. Seidl (München) und Oberbaurat Kircher (Karlsruhe) sowie die Kunst- historiker Thode (Heidelberg) und v. Oechelhäuser (Karlsruhe) er- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0312" n="250"/><fw place="top" type="header">Was wird aus dem Heidelberger Schloß werden?</fw><lb/><hi rendition="#g">derherstellung heute nicht mehr vorhandener<lb/> Teile, allein Erhaltung des Bestehenden.</hi><lb/> Dieses Votum wurde allgemein beifällig aufgenommen, ebenso in<lb/> dem großen Kreise der Gebildeten wie in dem engeren der Fach-<lb/> leute. So z. B. verwies auf der Versammlung der deutschen Archi-<lb/> tekten und Ingenieurvereine des Jahres 1896 Steinbrecht, der hoch-<lb/> geschätzte Restaurator der Marienburg, auf das Heidelberger<lb/> Schloß als auf ein typisches Beispiel für jene Fälle, in denen eine<lb/> über die Erhaltungsarbeiten hinausgehende Restauration <hi rendition="#g">nicht</hi><lb/> statthaft sei. Warum nun ist in diesem Herbst eine neue Kom-<lb/> mission berufen worden? 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Was wird aus dem Heidelberger Schloß werden?
derherstellung heute nicht mehr vorhandener
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Dieses Votum wurde allgemein beifällig aufgenommen, ebenso in
dem großen Kreise der Gebildeten wie in dem engeren der Fach-
leute. So z. B. verwies auf der Versammlung der deutschen Archi-
tekten und Ingenieurvereine des Jahres 1896 Steinbrecht, der hoch-
geschätzte Restaurator der Marienburg, auf das Heidelberger
Schloß als auf ein typisches Beispiel für jene Fälle, in denen eine
über die Erhaltungsarbeiten hinausgehende Restauration nicht
statthaft sei. Warum nun ist in diesem Herbst eine neue Kom-
mission berufen worden? Sind neue Tatsachen bekannt geworden,
welche eine Revision des Votums von 1891 nötig machten? Keines-
wegs — das Neue, das eingetreten ist, liegt nicht im Kreise der
Sachen, sondern in dem der Personen. Die treibende Kraft der
neuen Projekte war der neue, um die Mitte der 90er Jahre als
Lehrer an die Technische Hochschule in Karlsruhe berufene Archi-
tekt, Oberbaurat Schäfer. Derselbe übernahm die Ausbesserung
des Friedrichsbaues, des einzigen Gebäudes in der Heidelberger
Schloßgruppe, das nicht als Ruine auf uns gekommen ist. Die
Kommission, der er selbst angehörte, gab ihm als Richtschnur, den
altertümlichen Charakter des Bauwerks durchaus zu schonen. In
welchem Maße er seinen Auftrag überschritten hat, ist bekannt.
Wie es dabei geschehen konnte, daß die bisher verantwortliche
Instanz, das ist die badische Oberbaubehörde, von jeder Mitwirkung
und Kritik ausgeschlossen wurde, braucht uns als eine interne An-
gelegenheit nicht zu beschäftigen. Inzwischen ist Herrn Schäfer,
dessen künstlerische Begabung ebenso allgemein anerkannt wird
wie seine Tatkraft, beim Essen der Appetit gewachsen. Er will den
Otto-Heinrichsbau (der bekanntlich in ganz anderem Sinn und
Maß als der Friedrichsbau Ruine ist) so wiederherstellen, wie er,
Schäfer, glaubt, daß er gewesen ist. Sein Projekt zu begutachten,
war der Anlaß zur Berufung der zweiten großen Kommission. Ihr
gehörten von den Mitgliedern der ersten von 1891 nur ganz wenige
an, und ihr Ergebnis war ein Zwiespalt. Die Architekten G. v. Seidl
(München) und Oberbaurat Kircher (Karlsruhe) sowie die Kunst-
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