Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.Zur Geschichte der Buchstaben-Reform in der Renaissance dient, ja sie sei zu den verschiedensten Nationen, als Kolonistingleichsam, ausgewandert. Erst im Verlaufe der Zeiten habe sie sich in eine Mehrheit von Gattungen gespalten, sie sei entstellt und barbarisiert worden. Dies habe dann verschuldet, daß fast in allen griechischen wie lateinischen Codices schlimmste Verderbnis der Lesart Platz gegriffen. Nur der bare Unverstand könne jetzt, wo man zum Verfahren des Druckes überginge, die korrumpierten, häßlichen, verworrenen Lettern beibehalten wollen, da doch die alten und echten in ihrer Einfachheit, Schönheit und Majestät soviel leichter zu formen und wegen ihrer gleichen Höhe soviel bequemer zusammenzusetzen sind. O daß man doch die Hand der Drucker dazu zu zwingen vermöchte! . . . ." Nun folgen Aus- einandersetzungen über die einzelnen Buchstaben, eine ziemlich wüste Gelehrsamkeit, mit der ich den Leser nicht behelligen möchte. Das bemerkenswerte ist, daß neben dem antiqua- rischen das Schönheitsinteresse mit Nachdruck zu Worte kommt, und daß mit der Realisierung der verkündeten Grundsätze gleich Ernst gemacht wird. Das ganze Buch, der griechische Epigrammentext wie die lateinische Epistel, ist durchweg in Kapitalen gedruckt, ohne Vergleich die bis dahin glänzendste und nicht so bald übertroffene Leistung der jungen typographi- schen Kunst. Ich wende mich dem zweiten Traktate zu. Ob derselbe auf Zur Geschichte der Buchstaben-Reform in der Renaissance dient, ja sie sei zu den verschiedensten Nationen, als Kolonistingleichsam, ausgewandert. Erst im Verlaufe der Zeiten habe sie sich in eine Mehrheit von Gattungen gespalten, sie sei entstellt und barbarisiert worden. Dies habe dann verschuldet, daß fast in allen griechischen wie lateinischen Codices schlimmste Verderbnis der Lesart Platz gegriffen. Nur der bare Unverstand könne jetzt, wo man zum Verfahren des Druckes überginge, die korrumpierten, häßlichen, verworrenen Lettern beibehalten wollen, da doch die alten und echten in ihrer Einfachheit, Schönheit und Majestät soviel leichter zu formen und wegen ihrer gleichen Höhe soviel bequemer zusammenzusetzen sind. O daß man doch die Hand der Drucker dazu zu zwingen vermöchte! . . . .« Nun folgen Aus- einandersetzungen über die einzelnen Buchstaben, eine ziemlich wüste Gelehrsamkeit, mit der ich den Leser nicht behelligen möchte. Das bemerkenswerte ist, daß neben dem antiqua- rischen das Schönheitsinteresse mit Nachdruck zu Worte kommt, und daß mit der Realisierung der verkündeten Grundsätze gleich Ernst gemacht wird. Das ganze Buch, der griechische Epigrammentext wie die lateinische Epistel, ist durchweg in Kapitalen gedruckt, ohne Vergleich die bis dahin glänzendste und nicht so bald übertroffene Leistung der jungen typographi- schen Kunst. Ich wende mich dem zweiten Traktate zu. Ob derselbe auf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0254" n="202"/><lb/> <fw place="top" type="header">Zur Geschichte der Buchstaben-Reform in der Renaissance</fw><lb/> dient, ja sie sei zu den verschiedensten Nationen, als Kolonistin<lb/> gleichsam, ausgewandert. Erst im Verlaufe der Zeiten habe sie sich<lb/> in eine Mehrheit von Gattungen gespalten, sie sei entstellt und<lb/> barbarisiert worden. Dies habe dann verschuldet, daß fast in allen<lb/> griechischen wie lateinischen Codices schlimmste Verderbnis der<lb/> Lesart Platz gegriffen. 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Zur Geschichte der Buchstaben-Reform in der Renaissance
dient, ja sie sei zu den verschiedensten Nationen, als Kolonistin
gleichsam, ausgewandert. Erst im Verlaufe der Zeiten habe sie sich
in eine Mehrheit von Gattungen gespalten, sie sei entstellt und
barbarisiert worden. Dies habe dann verschuldet, daß fast in allen
griechischen wie lateinischen Codices schlimmste Verderbnis der
Lesart Platz gegriffen. Nur der bare Unverstand könne jetzt,
wo man zum Verfahren des Druckes überginge, die korrumpierten,
häßlichen, verworrenen Lettern beibehalten wollen, da doch die
alten und echten in ihrer Einfachheit, Schönheit und Majestät
soviel leichter zu formen und wegen ihrer gleichen Höhe soviel
bequemer zusammenzusetzen sind. O daß man doch die Hand der
Drucker dazu zu zwingen vermöchte! . . . .« Nun folgen Aus-
einandersetzungen über die einzelnen Buchstaben, eine ziemlich
wüste Gelehrsamkeit, mit der ich den Leser nicht behelligen
möchte. Das bemerkenswerte ist, daß neben dem antiqua-
rischen das Schönheitsinteresse mit Nachdruck zu Worte kommt,
und daß mit der Realisierung der verkündeten Grundsätze
gleich Ernst gemacht wird. Das ganze Buch, der griechische
Epigrammentext wie die lateinische Epistel, ist durchweg in
Kapitalen gedruckt, ohne Vergleich die bis dahin glänzendste
und nicht so bald übertroffene Leistung der jungen typographi-
schen Kunst.
Ich wende mich dem zweiten Traktate zu. Ob derselbe auf
Anregung von Lascaris' Sendschreiben entstanden ist oder sonst
irgendwie in positiver Beziehung dazu steht, kann, wie gesagt,
vorerst nicht beantwortet werden. Dagegen steht ein anderer Weg
der Untersuchung uns offen, ich meine die Vergleichung mit den
übrigen aus jener Zeit erhaltenen Lehrschriften verwandten Inhalts.
Von Schedel führt der nächste Gedanke auf seinen großen Mitbürger,
Freund und Nachbar Albrecht Dürer. Der den Buchstaben ge-
widmete Abschnitt in dessen Buch von der »Underweysung der
messung mit dem zirckel und richtscheyt« ist allbekannt. Wir wissen
jetzt, daß Dürer nicht, wofür er lange gegolten hatte, der erste über-
haupt auf dieser Bahn ist, sondern daß er, wie in den anderen,
so auch in diesem Teile seiner Kunstlehre die Arbeit seiner italieni-
schen Vorläufer nach Kräften sich zunutze gemacht hat. R. Schöne,
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