Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.Die Kunst des Mittelalters bekannte Form einer halb unterirdischen Gewölbehalle, der be-vorzugte Ort der Reliquienverehrung. Besonders den kreuzförmigen Anlagen, deren Chor sie zu einer wirkungsvollen Bühne für den Altardienst emporhebt, fügt sie sich glücklich ein und ist deshalb in Deutschland, aber auch nur hier, ein unentbehrlicher Bestandteil einer romanischen Kirchenanlage geworden. Der burgundisch- kluniazensische Schulkreis (mit Einschluß der Hirsauer) lehnte sie ab; auch im Westfrankenreich war sie wenigstens kein regel- mäßiges Erfordernis. Fünftens: Die Anlage eines zweiten Chors am westlichen Sechstens: Im inneren Aufbau vollziehen sich unter Bei- Siebentens: Die Türme, die dem frühchristlichen Kirchenbau Die Kunst des Mittelalters bekannte Form einer halb unterirdischen Gewölbehalle, der be-vorzugte Ort der Reliquienverehrung. Besonders den kreuzförmigen Anlagen, deren Chor sie zu einer wirkungsvollen Bühne für den Altardienst emporhebt, fügt sie sich glücklich ein und ist deshalb in Deutschland, aber auch nur hier, ein unentbehrlicher Bestandteil einer romanischen Kirchenanlage geworden. Der burgundisch- kluniazensische Schulkreis (mit Einschluß der Hirsauer) lehnte sie ab; auch im Westfrankenreich war sie wenigstens kein regel- mäßiges Erfordernis. Fünftens: Die Anlage eines zweiten Chors am westlichen Sechstens: Im inneren Aufbau vollziehen sich unter Bei- Siebentens: Die Türme, die dem frühchristlichen Kirchenbau <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0024" n="10"/><lb/> <fw place="top" type="header">Die Kunst des Mittelalters</fw><lb/> bekannte Form einer halb unterirdischen Gewölbehalle, der be-<lb/> vorzugte Ort der Reliquienverehrung. Besonders den kreuzförmigen<lb/> Anlagen, deren Chor sie zu einer wirkungsvollen Bühne für den<lb/> Altardienst emporhebt, fügt sie sich glücklich ein und ist deshalb<lb/> in Deutschland, aber auch nur hier, ein unentbehrlicher Bestandteil<lb/> einer romanischen Kirchenanlage geworden. Der burgundisch-<lb/> kluniazensische Schulkreis (mit Einschluß der Hirsauer) lehnte sie<lb/> ab; auch im Westfrankenreich war sie wenigstens kein regel-<lb/> mäßiges Erfordernis.</p><lb/> <p>Fünftens: Die Anlage eines zweiten Chors am westlichen<lb/> Ende des Gebäudes unter Verdrängung des traditionellen Eingangs;<lb/> meist mit eigener Krypta und nicht selten auch mit eigenem Quer-<lb/> schiff. Dieser Typus entfernt sich vom ursprünglichen Gedanken<lb/> der Basilika am weitesten. Nicht allein, aber am häufigsten kommt<lb/> er wieder in deutschen Kloster- und Domkirchen vor. Vom<lb/> 12. Jahrhundert ab ist er im Rückgang.</p><lb/> <p>Sechstens: Im inneren Aufbau vollziehen sich unter Bei-<lb/> behaltung der in der Idee der Basilika liegenden allgemeinen<lb/> Grundsätze folgende Veränderungen: an Stelle der leichten Back-<lb/> steinkonstruktion tritt massiges Bruchsteinmauerwerk; die Ar-<lb/> kadenöffnungen werden weiter, die Stützen niedriger und stärker;<lb/> die Säule wird häufig durch vierseitige Pfeiler ersetzt oder Säulen<lb/> und Pfeiler werden in einem bestimmten rhythmischen Wechsel<lb/> kombiniert; Zahl und Größe der Fenster, die einen Glasverschluß<lb/> nur selten empfangen, muß mit Rücksicht auf das nordische Klima<lb/> erheblich beschränkt werden; die Seitenschiffe erhalten häufig<lb/> ein zweites Geschoß, die Emporen, eine Einrichtung, die nach<lb/> dem Jahre 1000 etwa in vielen Schulen, z. B. fast in allen deut-<lb/> schen, jedoch wieder aufgegeben wird.</p><lb/> <p>Siebentens: Die Türme, die dem frühchristlichen Kirchenbau<lb/> überhaupt gefehlt hatten und, als sie nach und nach in Aufnahme<lb/> kamen, als gesonderte Gebäude neben den Kirchen standen,<lb/> werden angegliedert, bald als Zentraltürme über dem Durch-<lb/> kreuzungspunkt des Querschiffs, bald als Fassadentürme, bald<lb/> in Kombination beider Motive.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [10/0024]
Die Kunst des Mittelalters
bekannte Form einer halb unterirdischen Gewölbehalle, der be-
vorzugte Ort der Reliquienverehrung. Besonders den kreuzförmigen
Anlagen, deren Chor sie zu einer wirkungsvollen Bühne für den
Altardienst emporhebt, fügt sie sich glücklich ein und ist deshalb
in Deutschland, aber auch nur hier, ein unentbehrlicher Bestandteil
einer romanischen Kirchenanlage geworden. Der burgundisch-
kluniazensische Schulkreis (mit Einschluß der Hirsauer) lehnte sie
ab; auch im Westfrankenreich war sie wenigstens kein regel-
mäßiges Erfordernis.
Fünftens: Die Anlage eines zweiten Chors am westlichen
Ende des Gebäudes unter Verdrängung des traditionellen Eingangs;
meist mit eigener Krypta und nicht selten auch mit eigenem Quer-
schiff. Dieser Typus entfernt sich vom ursprünglichen Gedanken
der Basilika am weitesten. Nicht allein, aber am häufigsten kommt
er wieder in deutschen Kloster- und Domkirchen vor. Vom
12. Jahrhundert ab ist er im Rückgang.
Sechstens: Im inneren Aufbau vollziehen sich unter Bei-
behaltung der in der Idee der Basilika liegenden allgemeinen
Grundsätze folgende Veränderungen: an Stelle der leichten Back-
steinkonstruktion tritt massiges Bruchsteinmauerwerk; die Ar-
kadenöffnungen werden weiter, die Stützen niedriger und stärker;
die Säule wird häufig durch vierseitige Pfeiler ersetzt oder Säulen
und Pfeiler werden in einem bestimmten rhythmischen Wechsel
kombiniert; Zahl und Größe der Fenster, die einen Glasverschluß
nur selten empfangen, muß mit Rücksicht auf das nordische Klima
erheblich beschränkt werden; die Seitenschiffe erhalten häufig
ein zweites Geschoß, die Emporen, eine Einrichtung, die nach
dem Jahre 1000 etwa in vielen Schulen, z. B. fast in allen deut-
schen, jedoch wieder aufgegeben wird.
Siebentens: Die Türme, die dem frühchristlichen Kirchenbau
überhaupt gefehlt hatten und, als sie nach und nach in Aufnahme
kamen, als gesonderte Gebäude neben den Kirchen standen,
werden angegliedert, bald als Zentraltürme über dem Durch-
kreuzungspunkt des Querschiffs, bald als Fassadentürme, bald
in Kombination beider Motive.
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