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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
heitsgemäßen, obschon nur magern Überlieferung in dem
der Biographie Albertis eingefügten Satze: "Costui (B. Rossellino),
come volle il papa, da indi inanzi si consiglio sempre con Leon
Batista; onde il pontefice col parere dell' uno di questi duoi, e
coll' eseguire dell' altro, fece (welches Wort auch schon zuviel
sagt) molte cose utili e degne di esser lodate." --

Nicht das Schweigen der Rechnungsbücher über Alberti1),
wohl aber das Schweigen Manettis bleibt immerhin auffällig; auf-
fällig, doch nicht unerklärlich. Es gehört mit zum panegyrischen
Stil seiner Lebensbeschreibung -- man weiß, wie weit in dieser
Hinsicht Humanisten gehen können, -- daß alles Licht auf die
Gestalt des Helden gesammelt, jede Ruhmeskonkurrenz abge-
lenkt wird.2) Und ganz gewiß hat Nikolaus die Entstehung der
Pläne mit lebhaftem Anteil begleitet, dieses oder jenes wohl auch
selbst angegeben. Der geniale erfindende Kopf aber ist er nicht
gewesen. Er war es überhaupt nirgends. Sogar auf seinem eigen-
sten, dem gelehrten Gebiete, zeigte er sich als eine so eminent
unproduktive Natur, daß er selbst nur mit Scheu an die Abfassung
einer Epistel ging. Desto stärker war seine rezeptive Fähigkeit,
die Offenheit seines Sinnes für Interessen aller Art, seine Begabung
aufzunehmen, zu sammeln, zu ordnen. So steht denn unsere, den
emphatischen Übertreibungen des Lobredners entgegengesetzte
Annahme von dem persönlichen Verhältnisse Nikolaus' V. zu
seinen Bauprojekten im Einklang mit dem aus allen andern Be-
obachtungen sich ergebenden Charakterbilde, das G. Voigt so
vortrefflich gezeichnet hat. Sein eigentliches und wahrlich nicht
geringes Verdienst ist: daß er die Intentionen Leon Battistas be-
griffen und mit der ganzen ihm eigenen Begeisterungsfähigkeit
und Energie gefördert hat. "Nicht ablassen! fortbauen! vollenden!"
das war seine letzte Bitte an die um sein Sterbelager versammelten
Kardinäle.

Ich schließe mit einer kurzen Erwägung in betreff Vitruvs;
ist ja doch die Möglichkeit, daß dieser nicht bloß durch Vermitte-

1) S. die plausible Erklärung Janitschek's: Repertorium II, 380.
2) Man vgl. die nicht mindere Bewunderung atmende, jedoch viel
naivere Biographie Nikolaus' V. aus der Feder Vespasianos da Bisticci.


Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
heitsgemäßen, obschon nur magern Überlieferung in dem
der Biographie Albertis eingefügten Satze: »Costui (B. Rossellino),
come volle il papa, da indi inanzi si consigliò sempre con Leon
Batista; onde il pontefice col parere dell' uno di questi duoi, e
coll' eseguire dell' altro, fece (welches Wort auch schon zuviel
sagt) molte cose utili e degne di esser lodate.« —

Nicht das Schweigen der Rechnungsbücher über Alberti1),
wohl aber das Schweigen Manettis bleibt immerhin auffällig; auf-
fällig, doch nicht unerklärlich. Es gehört mit zum panegyrischen
Stil seiner Lebensbeschreibung — man weiß, wie weit in dieser
Hinsicht Humanisten gehen können, — daß alles Licht auf die
Gestalt des Helden gesammelt, jede Ruhmeskonkurrenz abge-
lenkt wird.2) Und ganz gewiß hat Nikolaus die Entstehung der
Pläne mit lebhaftem Anteil begleitet, dieses oder jenes wohl auch
selbst angegeben. Der geniale erfindende Kopf aber ist er nicht
gewesen. Er war es überhaupt nirgends. Sogar auf seinem eigen-
sten, dem gelehrten Gebiete, zeigte er sich als eine so eminent
unproduktive Natur, daß er selbst nur mit Scheu an die Abfassung
einer Epistel ging. Desto stärker war seine rezeptive Fähigkeit,
die Offenheit seines Sinnes für Interessen aller Art, seine Begabung
aufzunehmen, zu sammeln, zu ordnen. So steht denn unsere, den
emphatischen Übertreibungen des Lobredners entgegengesetzte
Annahme von dem persönlichen Verhältnisse Nikolaus' V. zu
seinen Bauprojekten im Einklang mit dem aus allen andern Be-
obachtungen sich ergebenden Charakterbilde, das G. Voigt so
vortrefflich gezeichnet hat. Sein eigentliches und wahrlich nicht
geringes Verdienst ist: daß er die Intentionen Leon Battistas be-
griffen und mit der ganzen ihm eigenen Begeisterungsfähigkeit
und Energie gefördert hat. »Nicht ablassen! fortbauen! vollenden!«
das war seine letzte Bitte an die um sein Sterbelager versammelten
Kardinäle.

Ich schließe mit einer kurzen Erwägung in betreff Vitruvs;
ist ja doch die Möglichkeit, daß dieser nicht bloß durch Vermitte-

1) S. die plausible Erklärung Janitschek's: Repertorium II, 380.
2) Man vgl. die nicht mindere Bewunderung atmende, jedoch viel
naivere Biographie Nikolaus' V. aus der Feder Vespasianos da Bisticci.
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[182/0224] Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti heitsgemäßen, obschon nur magern Überlieferung in dem der Biographie Albertis eingefügten Satze: »Costui (B. Rossellino), come volle il papa, da indi inanzi si consigliò sempre con Leon Batista; onde il pontefice col parere dell' uno di questi duoi, e coll' eseguire dell' altro, fece (welches Wort auch schon zuviel sagt) molte cose utili e degne di esser lodate.« — Nicht das Schweigen der Rechnungsbücher über Alberti 1), wohl aber das Schweigen Manettis bleibt immerhin auffällig; auf- fällig, doch nicht unerklärlich. Es gehört mit zum panegyrischen Stil seiner Lebensbeschreibung — man weiß, wie weit in dieser Hinsicht Humanisten gehen können, — daß alles Licht auf die Gestalt des Helden gesammelt, jede Ruhmeskonkurrenz abge- lenkt wird. 2) Und ganz gewiß hat Nikolaus die Entstehung der Pläne mit lebhaftem Anteil begleitet, dieses oder jenes wohl auch selbst angegeben. Der geniale erfindende Kopf aber ist er nicht gewesen. Er war es überhaupt nirgends. Sogar auf seinem eigen- sten, dem gelehrten Gebiete, zeigte er sich als eine so eminent unproduktive Natur, daß er selbst nur mit Scheu an die Abfassung einer Epistel ging. Desto stärker war seine rezeptive Fähigkeit, die Offenheit seines Sinnes für Interessen aller Art, seine Begabung aufzunehmen, zu sammeln, zu ordnen. So steht denn unsere, den emphatischen Übertreibungen des Lobredners entgegengesetzte Annahme von dem persönlichen Verhältnisse Nikolaus' V. zu seinen Bauprojekten im Einklang mit dem aus allen andern Be- obachtungen sich ergebenden Charakterbilde, das G. Voigt so vortrefflich gezeichnet hat. Sein eigentliches und wahrlich nicht geringes Verdienst ist: daß er die Intentionen Leon Battistas be- griffen und mit der ganzen ihm eigenen Begeisterungsfähigkeit und Energie gefördert hat. »Nicht ablassen! fortbauen! vollenden!« das war seine letzte Bitte an die um sein Sterbelager versammelten Kardinäle. Ich schließe mit einer kurzen Erwägung in betreff Vitruvs; ist ja doch die Möglichkeit, daß dieser nicht bloß durch Vermitte- 1) S. die plausible Erklärung Janitschek's: Repertorium II, 380. 2) Man vgl. die nicht mindere Bewunderung atmende, jedoch viel naivere Biographie Nikolaus' V. aus der Feder Vespasianos da Bisticci.

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/224>, abgerufen am 22.11.2024.