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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
läßt die Geistesrichtung Nikolaus' V. ganz rein zum Ausdruck
kommen, daß er unter allen gerade Alberti sich nun zum Bau-
berater ausersieht: nicht einen der berühmten und bewährten
Praktiker, sondern den durch die Schriften der Alten gebildeten
Theoretiker. Der humanistische Bauherr und der humanistische
Baumeister gehören eben zueinander, nur von einem solchen
erwartete jener befriedigt werden zu können. Nach Vasari wäre
Leon Battista erst in Rom und erst durch Vermittelung Flavio
Biondos mit dem Papst bekannt geworden. Es fällt schwer, diese
Notiz für richtig zu halten. Denn nahezu undenkbar ist mir,
daß dem ehemaligen Tommaso Parentucelli während des in Florenz
als tätiger Mitbürger der Musenrepublik verlebten Jahrzehntes
der in diesem Kreise wie im Hause der Medici und bei der damals
in der Arnostadt im Exil weilenden Kurie bereits hoch geltende
Alberti, der Neffe eines Kardinals, fremd geblieben sein sollte;
sie müßten sich denn fast geflissentlich gemieden haben. Genug,
wenn etwa wirklich nicht Albertis Person, so doch gewiß Albertis
Ruhm kannte Nikolaus. Und so kannte Alberti seinerseits so
viel von der Gesinnung des Papstes, daß er, die Heimat und den
soeben (1451) ihm angetragenen Bau der Annunziatenkirche hinter
sich lassend, alsbald dem Rufe nach Rom folgte. Seine zehn Bücher
"De re aedificatoria" nahm er mit sich, gewiß nicht ein mit rascher
Hand hingeworfenes Werk, sondern in langer Arbeit vorbereitet;
er schloß es jetzt ab, überreichte es dem Papst: das Programm
seines Wissens und Wollens. Der Eindruck war gewaltig, durch-
schlagend, bezwingend. Die Aussage Palmieris, verglichen nach
der einen Seite mit den in den Baurechnungen der früheren Jahre
liegenden Zeugnissen, nach der andern mit der Schilderung Ma-
nettis, setzt es außer Zweifel: das Studium dieses Buches, in seinem
Eindruck, wie man sich denken kann, gesteigert durch die münd-
liche Beredsamkeit seines Verfassers, wurde die Peripetie in
Nikolaus' V. Bauintentionen. Ich brauche nicht eingänglich zu
begründen, wie sehr die Lehren des Künstler-Philosophen dem
Papste kongenial erscheinen mußte, die Erfüllung vielleicht schon
lange unreif und gestaltlos gehegter eigner Wünsche und Phan-
tasien: -- die Tatsache steht fest, daß der alte Konservierungs-

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Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
läßt die Geistesrichtung Nikolaus' V. ganz rein zum Ausdruck
kommen, daß er unter allen gerade Alberti sich nun zum Bau-
berater ausersieht: nicht einen der berühmten und bewährten
Praktiker, sondern den durch die Schriften der Alten gebildeten
Theoretiker. Der humanistische Bauherr und der humanistische
Baumeister gehören eben zueinander, nur von einem solchen
erwartete jener befriedigt werden zu können. Nach Vasari wäre
Leon Battista erst in Rom und erst durch Vermittelung Flavio
Biondos mit dem Papst bekannt geworden. Es fällt schwer, diese
Notiz für richtig zu halten. Denn nahezu undenkbar ist mir,
daß dem ehemaligen Tommaso Parentucelli während des in Florenz
als tätiger Mitbürger der Musenrepublik verlebten Jahrzehntes
der in diesem Kreise wie im Hause der Medici und bei der damals
in der Arnostadt im Exil weilenden Kurie bereits hoch geltende
Alberti, der Neffe eines Kardinals, fremd geblieben sein sollte;
sie müßten sich denn fast geflissentlich gemieden haben. Genug,
wenn etwa wirklich nicht Albertis Person, so doch gewiß Albertis
Ruhm kannte Nikolaus. Und so kannte Alberti seinerseits so
viel von der Gesinnung des Papstes, daß er, die Heimat und den
soeben (1451) ihm angetragenen Bau der Annunziatenkirche hinter
sich lassend, alsbald dem Rufe nach Rom folgte. Seine zehn Bücher
»De re aedificatoria« nahm er mit sich, gewiß nicht ein mit rascher
Hand hingeworfenes Werk, sondern in langer Arbeit vorbereitet;
er schloß es jetzt ab, überreichte es dem Papst: das Programm
seines Wissens und Wollens. Der Eindruck war gewaltig, durch-
schlagend, bezwingend. Die Aussage Palmieris, verglichen nach
der einen Seite mit den in den Baurechnungen der früheren Jahre
liegenden Zeugnissen, nach der andern mit der Schilderung Ma-
nettis, setzt es außer Zweifel: das Studium dieses Buches, in seinem
Eindruck, wie man sich denken kann, gesteigert durch die münd-
liche Beredsamkeit seines Verfassers, wurde die Peripetie in
Nikolaus' V. Bauintentionen. Ich brauche nicht eingänglich zu
begründen, wie sehr die Lehren des Künstler-Philosophen dem
Papste kongenial erscheinen mußte, die Erfüllung vielleicht schon
lange unreif und gestaltlos gehegter eigner Wünsche und Phan-
tasien: — die Tatsache steht fest, daß der alte Konservierungs-

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[179/0221] Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti läßt die Geistesrichtung Nikolaus' V. ganz rein zum Ausdruck kommen, daß er unter allen gerade Alberti sich nun zum Bau- berater ausersieht: nicht einen der berühmten und bewährten Praktiker, sondern den durch die Schriften der Alten gebildeten Theoretiker. Der humanistische Bauherr und der humanistische Baumeister gehören eben zueinander, nur von einem solchen erwartete jener befriedigt werden zu können. Nach Vasari wäre Leon Battista erst in Rom und erst durch Vermittelung Flavio Biondos mit dem Papst bekannt geworden. Es fällt schwer, diese Notiz für richtig zu halten. Denn nahezu undenkbar ist mir, daß dem ehemaligen Tommaso Parentucelli während des in Florenz als tätiger Mitbürger der Musenrepublik verlebten Jahrzehntes der in diesem Kreise wie im Hause der Medici und bei der damals in der Arnostadt im Exil weilenden Kurie bereits hoch geltende Alberti, der Neffe eines Kardinals, fremd geblieben sein sollte; sie müßten sich denn fast geflissentlich gemieden haben. Genug, wenn etwa wirklich nicht Albertis Person, so doch gewiß Albertis Ruhm kannte Nikolaus. Und so kannte Alberti seinerseits so viel von der Gesinnung des Papstes, daß er, die Heimat und den soeben (1451) ihm angetragenen Bau der Annunziatenkirche hinter sich lassend, alsbald dem Rufe nach Rom folgte. Seine zehn Bücher »De re aedificatoria« nahm er mit sich, gewiß nicht ein mit rascher Hand hingeworfenes Werk, sondern in langer Arbeit vorbereitet; er schloß es jetzt ab, überreichte es dem Papst: das Programm seines Wissens und Wollens. Der Eindruck war gewaltig, durch- schlagend, bezwingend. Die Aussage Palmieris, verglichen nach der einen Seite mit den in den Baurechnungen der früheren Jahre liegenden Zeugnissen, nach der andern mit der Schilderung Ma- nettis, setzt es außer Zweifel: das Studium dieses Buches, in seinem Eindruck, wie man sich denken kann, gesteigert durch die münd- liche Beredsamkeit seines Verfassers, wurde die Peripetie in Nikolaus' V. Bauintentionen. Ich brauche nicht eingänglich zu begründen, wie sehr die Lehren des Künstler-Philosophen dem Papste kongenial erscheinen mußte, die Erfüllung vielleicht schon lange unreif und gestaltlos gehegter eigner Wünsche und Phan- tasien: — die Tatsache steht fest, daß der alte Konservierungs- 12*

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/221>, abgerufen am 25.11.2024.