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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Der Meister des Gemmingendenkmals im Mainzer Dom
Der Mantelzipfel des letzteren von einem schwebenden Putto
in die Luft gehoben. Ein zweiter, auf der Mandoline klimpernd,
hinter Thomas. Die phantastisch verwegene Komposition könnte
noch auf Backofen selbst zurückgehen. Die Bildung der Putten
und das Ornament lassen einen jüngeren Künstler erkennen, der in
die Renaissance schon tiefer eingedrungen ist als der Meister.
Der Kopf Christi unverkennbar inspiriert von dem großartigen
romanischen Weltenrichter aus der Schule des Naumburger Meisters
(jetzt über dem Ostportal).

Noch unveränderter ist Backofens Art in zwei hervorragend
schönen Bildnisepitaphen der Liebfrauenkirche in Oberwesel.
Das ältere derselben ist für mich unzweifelhaft sogar ein eigen-
händiges Werk Backofens. Ich meine das Epitaph des 1515 ver-
storbenen Kanonikus Petrus Lutern. Alle Qualitäten der Mainzer
Kurfürstengräber kehren gleichartig und gleichwertig wieder.
Zweitens das Ottensteinische Doppelepitaph gleich nach 1520.
Die Anlehnung an Backofen sehr ausgeprägt (s. die Faltenmotive
S. 136); aber die weichere Anmut des Ganzen verbietet, wie schon
das Datum, an den Meister selbst zu denken.

Die große Statuenfolge an den Hochwänden des Domes zu
Halle a. S., Christus und die Apostel. Einen Schüler Backofens
hier zu finden, hat nichts Überraschendes. Denn der Bauherr
war der Kurfürst von Mainz, Albrecht von Brandenburg. Die
Kirche ist sehr schnell zu Ende gebaut, 1520 - 1523; die Aus-
stattung trägt die Daten der nächsten Jahre. Hände, Gewandstil,
dekoratives Beiwerk lassen keinen Zweifel über die Herkunft.
Ich würde nicht widersprechen, wenn man denselben Schüler wieder-
erkennen wollte, der die Kreuzigung bei St. Ignatius nach des
Meisters Tode auszuführen bestimmt wurde.

Backofensche Anklänge bei Bildschnitzern fand ich auf dem
(irrig Riemenschneider zugeschriebenen) Marienaltar der Jakobs-
kirche in Rothenburg o. T., auf einem Altar in Wimpfen am
Berg und besonders im Mainzer Dom in den drei ganz ausge-
zeichneten Schnitzbildern des vorderen Altars in der ersten (von
West gerechnet) Kapelle am nördlichen Seitenschiff. Die Back-
ofenschen Elemente verbinden sich hier aber überall mit fremden.

Der Meister des Gemmingendenkmals im Mainzer Dom
Der Mantelzipfel des letzteren von einem schwebenden Putto
in die Luft gehoben. Ein zweiter, auf der Mandoline klimpernd,
hinter Thomas. Die phantastisch verwegene Komposition könnte
noch auf Backofen selbst zurückgehen. Die Bildung der Putten
und das Ornament lassen einen jüngeren Künstler erkennen, der in
die Renaissance schon tiefer eingedrungen ist als der Meister.
Der Kopf Christi unverkennbar inspiriert von dem großartigen
romanischen Weltenrichter aus der Schule des Naumburger Meisters
(jetzt über dem Ostportal).

Noch unveränderter ist Backofens Art in zwei hervorragend
schönen Bildnisepitaphen der Liebfrauenkirche in Oberwesel.
Das ältere derselben ist für mich unzweifelhaft sogar ein eigen-
händiges Werk Backofens. Ich meine das Epitaph des 1515 ver-
storbenen Kanonikus Petrus Lutern. Alle Qualitäten der Mainzer
Kurfürstengräber kehren gleichartig und gleichwertig wieder.
Zweitens das Ottensteinische Doppelepitaph gleich nach 1520.
Die Anlehnung an Backofen sehr ausgeprägt (s. die Faltenmotive
S. 136); aber die weichere Anmut des Ganzen verbietet, wie schon
das Datum, an den Meister selbst zu denken.

Die große Statuenfolge an den Hochwänden des Domes zu
Halle a. S., Christus und die Apostel. Einen Schüler Backofens
hier zu finden, hat nichts Überraschendes. Denn der Bauherr
war der Kurfürst von Mainz, Albrecht von Brandenburg. Die
Kirche ist sehr schnell zu Ende gebaut, 1520 - 1523; die Aus-
stattung trägt die Daten der nächsten Jahre. Hände, Gewandstil,
dekoratives Beiwerk lassen keinen Zweifel über die Herkunft.
Ich würde nicht widersprechen, wenn man denselben Schüler wieder-
erkennen wollte, der die Kreuzigung bei St. Ignatius nach des
Meisters Tode auszuführen bestimmt wurde.

Backofensche Anklänge bei Bildschnitzern fand ich auf dem
(irrig Riemenschneider zugeschriebenen) Marienaltar der Jakobs-
kirche in Rothenburg o. T., auf einem Altar in Wimpfen am
Berg und besonders im Mainzer Dom in den drei ganz ausge-
zeichneten Schnitzbildern des vorderen Altars in der ersten (von
West gerechnet) Kapelle am nördlichen Seitenschiff. Die Back-
ofenschen Elemente verbinden sich hier aber überall mit fremden.

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[143/0175] Der Meister des Gemmingendenkmals im Mainzer Dom Der Mantelzipfel des letzteren von einem schwebenden Putto in die Luft gehoben. Ein zweiter, auf der Mandoline klimpernd, hinter Thomas. Die phantastisch verwegene Komposition könnte noch auf Backofen selbst zurückgehen. Die Bildung der Putten und das Ornament lassen einen jüngeren Künstler erkennen, der in die Renaissance schon tiefer eingedrungen ist als der Meister. Der Kopf Christi unverkennbar inspiriert von dem großartigen romanischen Weltenrichter aus der Schule des Naumburger Meisters (jetzt über dem Ostportal). Noch unveränderter ist Backofens Art in zwei hervorragend schönen Bildnisepitaphen der Liebfrauenkirche in Oberwesel. Das ältere derselben ist für mich unzweifelhaft sogar ein eigen- händiges Werk Backofens. Ich meine das Epitaph des 1515 ver- storbenen Kanonikus Petrus Lutern. Alle Qualitäten der Mainzer Kurfürstengräber kehren gleichartig und gleichwertig wieder. Zweitens das Ottensteinische Doppelepitaph gleich nach 1520. Die Anlehnung an Backofen sehr ausgeprägt (s. die Faltenmotive S. 136); aber die weichere Anmut des Ganzen verbietet, wie schon das Datum, an den Meister selbst zu denken. Die große Statuenfolge an den Hochwänden des Domes zu Halle a. S., Christus und die Apostel. Einen Schüler Backofens hier zu finden, hat nichts Überraschendes. Denn der Bauherr war der Kurfürst von Mainz, Albrecht von Brandenburg. Die Kirche ist sehr schnell zu Ende gebaut, 1520 - 1523; die Aus- stattung trägt die Daten der nächsten Jahre. Hände, Gewandstil, dekoratives Beiwerk lassen keinen Zweifel über die Herkunft. Ich würde nicht widersprechen, wenn man denselben Schüler wieder- erkennen wollte, der die Kreuzigung bei St. Ignatius nach des Meisters Tode auszuführen bestimmt wurde. Backofensche Anklänge bei Bildschnitzern fand ich auf dem (irrig Riemenschneider zugeschriebenen) Marienaltar der Jakobs- kirche in Rothenburg o. T., auf einem Altar in Wimpfen am Berg und besonders im Mainzer Dom in den drei ganz ausge- zeichneten Schnitzbildern des vorderen Altars in der ersten (von West gerechnet) Kapelle am nördlichen Seitenschiff. Die Back- ofenschen Elemente verbinden sich hier aber überall mit fremden.

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/175>, abgerufen am 25.11.2024.