Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II. neue Ideen offene Geist es klar gesehen, daß die französischeArchitektur des 13. Jahrhunderts den größten Fortschritt, der seit dem Ende der Antike im Reiche der Kunst versucht war, verwirklicht hat." Mit alledem ist aber noch nicht gesagt, daß Castel del Monte ein französischer Bau ist. Französisch ist daran nur die Gewölbekonstruktion und die mit dieser zusammen- hängende Detaillierung; die Konzeption im großen, das muß ich meinerseits hervorheben, ist völlig unfranzösisch, unnordisch, ja sie ist völlig singulär. Wie, wenn der Kaiser selbst die allgemeine Disposition entworfen hätte? Der Übergang vom Quadrat, der bisher gebrauchten Grundform der apulischen Burganlagen, zum Oktogon ist für das abstrakte Denken ein kleiner; für den an feste Traditionen gebundenen praktischen Architekten wäre er ein ganz revolutionärer Schritt gewesen, während man ihn einem geistreichen Dilettanten wohl zutrauen kann. Überdies schildert Nikolaus von Ferrara den Kaiser als omniun artium mecanicarum peritissimum. Zur Burg von Capua, heißt es, hat er mit eigener Hand den Riß entworfen (Historische Zeitschrift Bd. 83, S. 26). Es muß doch wohl eine persönliche Ursache haben, daß alle für Friedrich II. errichtete Bauten auf denselben Grundton gestimmt sind, einen Grundton, der von dem, was sonst das 13. Jarhundert liebte, sehr ver- schieden ist. Durchdringender Verstand, unerbittlicher Ordnungs- geist, Verfeinerung und zugleich Zurückhaltung in den Schmuck- formen, das ist ihr durchgehender Charakter. Friedrich, der auf anderen Gebieten so viel Sympathie für die arabische Kultur zeigte, der die schimmernde, phantastisch spielende Dekorations- kunst der Araber von Jugend auf kannte, hat sie an seinen eigenen Bauten, soviel bis jetzt bekannt, nirgends in Anwendung gebracht, während noch unter Karl von Anjou ein Nicola Rufolo in seinem bekannten Palast zu Ravello sich ganz im Banne dieser Reize zeigte. Mag man mit Bertaux in seiner Inklination für die gotische Bauart einen sicheren Instinkt für das zukunftsvolle Neue er- kennen, wie er ihn auf dem Gebiete des Staatslebens so oft be- währt hat: in Castel del Monte geht er schon über die Gotik hinaus. Die friderizianische Architektur ist in ihrer Weltlichkeit und in Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II. neue Ideen offene Geist es klar gesehen, daß die französischeArchitektur des 13. Jahrhunderts den größten Fortschritt, der seit dem Ende der Antike im Reiche der Kunst versucht war, verwirklicht hat.« Mit alledem ist aber noch nicht gesagt, daß Castel del Monte ein französischer Bau ist. Französisch ist daran nur die Gewölbekonstruktion und die mit dieser zusammen- hängende Detaillierung; die Konzeption im großen, das muß ich meinerseits hervorheben, ist völlig unfranzösisch, unnordisch, ja sie ist völlig singulär. Wie, wenn der Kaiser selbst die allgemeine Disposition entworfen hätte? Der Übergang vom Quadrat, der bisher gebrauchten Grundform der apulischen Burganlagen, zum Oktogon ist für das abstrakte Denken ein kleiner; für den an feste Traditionen gebundenen praktischen Architekten wäre er ein ganz revolutionärer Schritt gewesen, während man ihn einem geistreichen Dilettanten wohl zutrauen kann. Überdies schildert Nikolaus von Ferrara den Kaiser als omniun artium mecanicarum peritissimum. Zur Burg von Capua, heißt es, hat er mit eigener Hand den Riß entworfen (Historische Zeitschrift Bd. 83, S. 26). Es muß doch wohl eine persönliche Ursache haben, daß alle für Friedrich II. errichtete Bauten auf denselben Grundton gestimmt sind, einen Grundton, der von dem, was sonst das 13. Jarhundert liebte, sehr ver- schieden ist. Durchdringender Verstand, unerbittlicher Ordnungs- geist, Verfeinerung und zugleich Zurückhaltung in den Schmuck- formen, das ist ihr durchgehender Charakter. Friedrich, der auf anderen Gebieten so viel Sympathie für die arabische Kultur zeigte, der die schimmernde, phantastisch spielende Dekorations- kunst der Araber von Jugend auf kannte, hat sie an seinen eigenen Bauten, soviel bis jetzt bekannt, nirgends in Anwendung gebracht, während noch unter Karl von Anjou ein Nicola Rufolo in seinem bekannten Palast zu Ravello sich ganz im Banne dieser Reize zeigte. Mag man mit Bertaux in seiner Inklination für die gotische Bauart einen sicheren Instinkt für das zukunftsvolle Neue er- kennen, wie er ihn auf dem Gebiete des Staatslebens so oft be- währt hat: in Castel del Monte geht er schon über die Gotik hinaus. Die friderizianische Architektur ist in ihrer Weltlichkeit und in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0129" n="111"/><fw place="top" type="header">Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II.</fw><lb/> neue Ideen offene Geist es klar gesehen, daß die französische<lb/> Architektur des 13. Jahrhunderts den größten Fortschritt, der<lb/> seit dem Ende der Antike im Reiche der Kunst versucht war,<lb/> verwirklicht hat.« Mit alledem ist aber noch nicht gesagt, daß<lb/> Castel del Monte ein französischer Bau ist. 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Architektur des 13. Jahrhunderts den größten Fortschritt, der
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verwirklicht hat.« Mit alledem ist aber noch nicht gesagt, daß
Castel del Monte ein französischer Bau ist. Französisch ist daran
nur die Gewölbekonstruktion und die mit dieser zusammen-
hängende Detaillierung; die Konzeption im großen, das muß ich
meinerseits hervorheben, ist völlig unfranzösisch, unnordisch, ja
sie ist völlig singulär. Wie, wenn der Kaiser selbst die allgemeine
Disposition entworfen hätte? Der Übergang vom Quadrat, der
bisher gebrauchten Grundform der apulischen Burganlagen,
zum Oktogon ist für das abstrakte Denken ein kleiner; für
den an feste Traditionen gebundenen praktischen Architekten
wäre er ein ganz revolutionärer Schritt gewesen, während
man ihn einem geistreichen Dilettanten wohl zutrauen kann.
Überdies schildert Nikolaus von Ferrara den Kaiser als
omniun artium mecanicarum peritissimum. Zur Burg von
Capua, heißt es, hat er mit eigener Hand den Riß entworfen
(Historische Zeitschrift Bd. 83, S. 26). Es muß doch wohl eine
persönliche Ursache haben, daß alle für Friedrich II. errichtete
Bauten auf denselben Grundton gestimmt sind, einen Grundton,
der von dem, was sonst das 13. Jarhundert liebte, sehr ver-
schieden ist. Durchdringender Verstand, unerbittlicher Ordnungs-
geist, Verfeinerung und zugleich Zurückhaltung in den Schmuck-
formen, das ist ihr durchgehender Charakter. Friedrich, der auf
anderen Gebieten so viel Sympathie für die arabische Kultur
zeigte, der die schimmernde, phantastisch spielende Dekorations-
kunst der Araber von Jugend auf kannte, hat sie an seinen eigenen
Bauten, soviel bis jetzt bekannt, nirgends in Anwendung gebracht,
während noch unter Karl von Anjou ein Nicola Rufolo in seinem
bekannten Palast zu Ravello sich ganz im Banne dieser Reize
zeigte. Mag man mit Bertaux in seiner Inklination für die gotische
Bauart einen sicheren Instinkt für das zukunftsvolle Neue er-
kennen, wie er ihn auf dem Gebiete des Staatslebens so oft be-
währt hat: in Castel del Monte geht er schon über die Gotik hinaus.
Die friderizianische Architektur ist in ihrer Weltlichkeit und in
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