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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II.
baute eine Kirche in Barletta, die der St. Annenkirche in Jeru-
salem ungemein ähnlich ist; Augustiner von St. Jean d'Acre
bauten in Matera; so mögen auch sonst einzelne zurückkehrende
Baumeister aus Burgund oder der Provence hier Beschäftigung
gefunden haben.1)

Eine dritte Gruppe -- bei der mein Bericht länger zu ver-
weilen hat -- ist gegeben in den Bauten, die auf unmittelbaren
Befehl des Kaisers entstanden sind. Bertaux faßt sie mit gutem
Grund unter der Kapitelüberschrift "l'art imperial" zusammen.
Es fiel schon den Zeitgenossen auf, daß sich keine Kirche (mit
einer einzigen, durch besondere Umstände motivierten Ausnahme)
darunter befand. Sehr groß ist dagegen die Zahl der Schloß-
bauten. Sie gehörten zu den immer wiederkehrenden Anklage-
punkten der Päpste: Friedrich habe die Einkünfte der Bistümer
zu ihren Gunsten mißbraucht, ja es sei seine böse Gewohnheit
gewesen, diese oder jene Kirche für baufällig zu erklären, um ihre
Steine seinen Zwingburgen zuzuführen. Am dichtesten stehen die
Schlösser in Apulien, eine kleinere Anzahl besaßen die Basilikata
und Kampanien. Über die sizilischen sind wir noch nicht genauer
unterrichtet, doch haben auch für sie französische Forscher (Join-
Lambert und Chaussemiche) Aufnahmen vorbereitet. Interessant
ist zu hören, daß sie von wesentlich anderem Habitus sind als
die bekannten arabisierenden Normannenschlösser bei Palermo, die
Cuba und Ziza.

Auf dem Festlande können heute noch 18 von Friedrich er-
baute Kastelle nachgewiesen werden, einige reine Wehrbauten,
andere zugleich Lustschlösser ,"loca solatiorum nostrorum".
Heute noch in ihrer Anlage erkennbar, in einzelnen Teilen sogar
gut erhalten, sind die Kastelle zu Bari, Trani, Foggia, Gioja,

1) In diesem Zusammenhang ist auch ein merkwürdiger deutscher
Bau zu beachten: die Krypta der südlich von Eßlingen gelegenen Stifts-
kirche Denkendorf. Sie erinnert in Konstruktion und Zierformen ganz
lebhaft an Südfranzösisches! Die Erklärung kann ich nur in der Tat-
sache finden, daß das Stift mit Chorherrn vom hl. Grabe, gerade wie in
Barletta, besetzt war. Auf Grund dieser Beziehung können sehr leicht
Werkleute des Klosters nach Palästina gekommen, oder auch umgekehrt
palästinensische Franken nach Denkendorf berufen worden sein.


Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II.
baute eine Kirche in Barletta, die der St. Annenkirche in Jeru-
salem ungemein ähnlich ist; Augustiner von St. Jean d'Acre
bauten in Matera; so mögen auch sonst einzelne zurückkehrende
Baumeister aus Burgund oder der Provence hier Beschäftigung
gefunden haben.1)

Eine dritte Gruppe — bei der mein Bericht länger zu ver-
weilen hat — ist gegeben in den Bauten, die auf unmittelbaren
Befehl des Kaisers entstanden sind. Bertaux faßt sie mit gutem
Grund unter der Kapitelüberschrift »l'art impérial« zusammen.
Es fiel schon den Zeitgenossen auf, daß sich keine Kirche (mit
einer einzigen, durch besondere Umstände motivierten Ausnahme)
darunter befand. Sehr groß ist dagegen die Zahl der Schloß-
bauten. Sie gehörten zu den immer wiederkehrenden Anklage-
punkten der Päpste: Friedrich habe die Einkünfte der Bistümer
zu ihren Gunsten mißbraucht, ja es sei seine böse Gewohnheit
gewesen, diese oder jene Kirche für baufällig zu erklären, um ihre
Steine seinen Zwingburgen zuzuführen. Am dichtesten stehen die
Schlösser in Apulien, eine kleinere Anzahl besaßen die Basilikata
und Kampanien. Über die sizilischen sind wir noch nicht genauer
unterrichtet, doch haben auch für sie französische Forscher (Join-
Lambert und Chaussemiche) Aufnahmen vorbereitet. Interessant
ist zu hören, daß sie von wesentlich anderem Habitus sind als
die bekannten arabisierenden Normannenschlösser bei Palermo, die
Cuba und Ziza.

Auf dem Festlande können heute noch 18 von Friedrich er-
baute Kastelle nachgewiesen werden, einige reine Wehrbauten,
andere zugleich Lustschlösser ,»loca solatiorum nostrorum«.
Heute noch in ihrer Anlage erkennbar, in einzelnen Teilen sogar
gut erhalten, sind die Kastelle zu Bari, Trani, Foggia, Gioja,

1) In diesem Zusammenhang ist auch ein merkwürdiger deutscher
Bau zu beachten: die Krypta der südlich von Eßlingen gelegenen Stifts-
kirche Denkendorf. Sie erinnert in Konstruktion und Zierformen ganz
lebhaft an Südfranzösisches! Die Erklärung kann ich nur in der Tat-
sache finden, daß das Stift mit Chorherrn vom hl. Grabe, gerade wie in
Barletta, besetzt war. Auf Grund dieser Beziehung können sehr leicht
Werkleute des Klosters nach Palästina gekommen, oder auch umgekehrt
palästinensische Franken nach Denkendorf berufen worden sein.
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[106/0124] Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II. baute eine Kirche in Barletta, die der St. Annenkirche in Jeru- salem ungemein ähnlich ist; Augustiner von St. Jean d'Acre bauten in Matera; so mögen auch sonst einzelne zurückkehrende Baumeister aus Burgund oder der Provence hier Beschäftigung gefunden haben. 1) Eine dritte Gruppe — bei der mein Bericht länger zu ver- weilen hat — ist gegeben in den Bauten, die auf unmittelbaren Befehl des Kaisers entstanden sind. Bertaux faßt sie mit gutem Grund unter der Kapitelüberschrift »l'art impérial« zusammen. Es fiel schon den Zeitgenossen auf, daß sich keine Kirche (mit einer einzigen, durch besondere Umstände motivierten Ausnahme) darunter befand. Sehr groß ist dagegen die Zahl der Schloß- bauten. Sie gehörten zu den immer wiederkehrenden Anklage- punkten der Päpste: Friedrich habe die Einkünfte der Bistümer zu ihren Gunsten mißbraucht, ja es sei seine böse Gewohnheit gewesen, diese oder jene Kirche für baufällig zu erklären, um ihre Steine seinen Zwingburgen zuzuführen. Am dichtesten stehen die Schlösser in Apulien, eine kleinere Anzahl besaßen die Basilikata und Kampanien. Über die sizilischen sind wir noch nicht genauer unterrichtet, doch haben auch für sie französische Forscher (Join- Lambert und Chaussemiche) Aufnahmen vorbereitet. Interessant ist zu hören, daß sie von wesentlich anderem Habitus sind als die bekannten arabisierenden Normannenschlösser bei Palermo, die Cuba und Ziza. Auf dem Festlande können heute noch 18 von Friedrich er- baute Kastelle nachgewiesen werden, einige reine Wehrbauten, andere zugleich Lustschlösser ,»loca solatiorum nostrorum«. Heute noch in ihrer Anlage erkennbar, in einzelnen Teilen sogar gut erhalten, sind die Kastelle zu Bari, Trani, Foggia, Gioja, 1) In diesem Zusammenhang ist auch ein merkwürdiger deutscher Bau zu beachten: die Krypta der südlich von Eßlingen gelegenen Stifts- kirche Denkendorf. Sie erinnert in Konstruktion und Zierformen ganz lebhaft an Südfranzösisches! Die Erklärung kann ich nur in der Tat- sache finden, daß das Stift mit Chorherrn vom hl. Grabe, gerade wie in Barletta, besetzt war. Auf Grund dieser Beziehung können sehr leicht Werkleute des Klosters nach Palästina gekommen, oder auch umgekehrt palästinensische Franken nach Denkendorf berufen worden sein.

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/124>, abgerufen am 26.11.2024.