Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

den Berührungspunkten, die es mit sonstigen Phänomenen
in Geschichte und Bewußtsein der Menschheit hat, eine
Bedeutung, Größe, Tiefe und Würde zu, die mit nichts
Anderem in der Welt vergleichbar ist. Es handelte sich
und handelt sich fortwährend bei ihm um noch ganz andere
Dinge, als um die Ansichten und Lehren, die es mit der
Stoa und sonstiger Philosophie und Moral gemein hat und
haben kann. Es ist dies namentlich die ganz neue Ein-
senkung und Einverleibung eines höheren Princips in Mensch
und Welt, wie sie in Christus geschehen ist und in der
von ihm gestifteten Kirche perennirend zu geschehen hat.
Durch ihn sollte eine zwischen Welt und Gott entstandene
furchtbare Kluft getilgt *), dem Tode seine Macht genom-
men, der Anfang zu einem ganz neuen Weltalter und Welt-
prozeß gemacht, der zu einer ganz neuen Art von Existenz
hinüberführende Weg eröffnet, ein Institut in's Leben ge-
rufen werden, welches den Zweck und Beruf, so wie die
aus übermenschlicher Sphäre stammende Kraft hat, dieses
ungeheuere Werk durch die Jahrtausende hindurch zu sei-
nem Alles verwandelnden und verklärenden Ende zu füh-
ren. **) Das konnte kein Heros und Genius, keine Re-

*) Coloss. 1, 19 ff. 2. Corinth. 5, 18 f. Ephes. 1, 10. Cap. 2, 14.

**) 1. Corinth. 15, 45 ff. Der erste Adam war nur "eine lebendige
Seele", wie hier mit Bezug auf 1. Mos. 2, 7 gesagt; der zweite aber
ist "ein belebender Geist"; der erste Mensch war irdischer, der zweite ist
himmlischer Natur. Es sind auf diese Weise zweierlei Schöpfungen un-
terschieden, wovon die erste eine noch unvollkommene, auf relativ niedri-
ger Stufe stehende war; diese Stufe muß überschritten werden, damit
die zweite, höhere Schöpfung, die aus dem Geiste, zu Stande komme.
Das ist der Inhalt und die Bewegung der ganzen Weltgeschichte und
Paulus der wahrhafte Geschichtsphilosoph. Vergl. Galat.
6, 15: "In Christo Jesu ist weder Beschneidung Etwas, noch Vorhaut,
sondern eine neue Schöpfung." 2. Corinth. 5, 17: "So Jemand in
Christo ist, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen,
siehe, es ist Alles neu geworden." 2. Petr. 3, 13: "Wir war-

den Berührungspunkten, die es mit ſonſtigen Phänomenen
in Geſchichte und Bewußtſein der Menſchheit hat, eine
Bedeutung, Größe, Tiefe und Würde zu, die mit nichts
Anderem in der Welt vergleichbar iſt. Es handelte ſich
und handelt ſich fortwährend bei ihm um noch ganz andere
Dinge, als um die Anſichten und Lehren, die es mit der
Stoa und ſonſtiger Philoſophie und Moral gemein hat und
haben kann. Es iſt dies namentlich die ganz neue Ein-
ſenkung und Einverleibung eines höheren Princips in Menſch
und Welt, wie ſie in Chriſtus geſchehen iſt und in der
von ihm geſtifteten Kirche perennirend zu geſchehen hat.
Durch ihn ſollte eine zwiſchen Welt und Gott entſtandene
furchtbare Kluft getilgt *), dem Tode ſeine Macht genom-
men, der Anfang zu einem ganz neuen Weltalter und Welt-
prozeß gemacht, der zu einer ganz neuen Art von Exiſtenz
hinüberführende Weg eröffnet, ein Inſtitut in’s Leben ge-
rufen werden, welches den Zweck und Beruf, ſo wie die
aus übermenſchlicher Sphäre ſtammende Kraft hat, dieſes
ungeheuere Werk durch die Jahrtauſende hindurch zu ſei-
nem Alles verwandelnden und verklärenden Ende zu füh-
ren. **) Das konnte kein Heros und Genius, keine Re-

*) Coloſſ. 1, 19 ff. 2. Corinth. 5, 18 f. Epheſ. 1, 10. Cap. 2, 14.

**) 1. Corinth. 15, 45 ff. Der erſte Adam war nur „eine lebendige
Seele“, wie hier mit Bezug auf 1. Moſ. 2, 7 geſagt; der zweite aber
iſt „ein belebender Geiſt“; der erſte Menſch war irdiſcher, der zweite iſt
himmliſcher Natur. Es ſind auf dieſe Weiſe zweierlei Schöpfungen un-
terſchieden, wovon die erſte eine noch unvollkommene, auf relativ niedri-
ger Stufe ſtehende war; dieſe Stufe muß überſchritten werden, damit
die zweite, höhere Schöpfung, die aus dem Geiſte, zu Stande komme.
Das iſt der Inhalt und die Bewegung der ganzen Weltgeſchichte und
Paulus der wahrhafte Geſchichtsphiloſoph. Vergl. Galat.
6, 15: „In Chriſto Jeſu iſt weder Beſchneidung Etwas, noch Vorhaut,
ſondern eine neue Schöpfung.“ 2. Corinth. 5, 17: „So Jemand in
Chriſto iſt, ſo iſt er eine neue Schöpfung; das Alte iſt vergangen,
ſiehe, es iſt Alles neu geworden.“ 2. Petr. 3, 13: „Wir war-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0094" n="72"/>
den Berührungspunkten, die es mit &#x017F;on&#x017F;tigen Phänomenen<lb/>
in Ge&#x017F;chichte und Bewußt&#x017F;ein der Men&#x017F;chheit hat, eine<lb/>
Bedeutung, Größe, Tiefe und Würde zu, die mit nichts<lb/>
Anderem in der Welt vergleichbar i&#x017F;t. Es handelte &#x017F;ich<lb/>
und handelt &#x017F;ich fortwährend bei ihm um noch ganz andere<lb/>
Dinge, als um die An&#x017F;ichten und Lehren, die es mit der<lb/>
Stoa und &#x017F;on&#x017F;tiger Philo&#x017F;ophie und Moral gemein hat und<lb/>
haben kann. Es i&#x017F;t dies namentlich die ganz neue Ein-<lb/>
&#x017F;enkung und Einverleibung eines höheren Princips in Men&#x017F;ch<lb/>
und Welt, wie &#x017F;ie in Chri&#x017F;tus ge&#x017F;chehen i&#x017F;t und in der<lb/>
von ihm ge&#x017F;tifteten Kirche perennirend zu ge&#x017F;chehen hat.<lb/>
Durch ihn &#x017F;ollte eine zwi&#x017F;chen Welt und Gott ent&#x017F;tandene<lb/>
furchtbare Kluft getilgt <note place="foot" n="*)">Colo&#x017F;&#x017F;. 1, 19 ff. 2. Corinth. 5, 18 f. Ephe&#x017F;. 1, 10. Cap. 2, 14.</note>, dem Tode &#x017F;eine Macht genom-<lb/>
men, der Anfang zu einem ganz neuen Weltalter und Welt-<lb/>
prozeß gemacht, der zu einer ganz neuen Art von Exi&#x017F;tenz<lb/>
hinüberführende Weg eröffnet, ein In&#x017F;titut in&#x2019;s Leben ge-<lb/>
rufen werden, welches den Zweck und Beruf, &#x017F;o wie die<lb/>
aus übermen&#x017F;chlicher Sphäre &#x017F;tammende Kraft hat, die&#x017F;es<lb/>
ungeheuere Werk durch die Jahrtau&#x017F;ende hindurch zu &#x017F;ei-<lb/>
nem Alles verwandelnden und verklärenden Ende zu füh-<lb/>
ren. <note xml:id="note-0094" next="#note-0095" place="foot" n="**)">1. Corinth. 15, 45 ff. Der er&#x017F;te Adam war nur &#x201E;eine lebendige<lb/>
Seele&#x201C;, wie hier mit Bezug auf 1. Mo&#x017F;. 2, 7 ge&#x017F;agt; der zweite aber<lb/>
i&#x017F;t &#x201E;ein belebender Gei&#x017F;t&#x201C;; der er&#x017F;te Men&#x017F;ch war irdi&#x017F;cher, der zweite i&#x017F;t<lb/>
himmli&#x017F;cher Natur. Es &#x017F;ind auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e zweierlei Schöpfungen un-<lb/>
ter&#x017F;chieden, wovon die er&#x017F;te eine noch unvollkommene, auf relativ niedri-<lb/>
ger Stufe &#x017F;tehende war; die&#x017F;e Stufe muß über&#x017F;chritten werden, damit<lb/>
die zweite, höhere Schöpfung, die aus dem Gei&#x017F;te, zu Stande komme.<lb/>
Das i&#x017F;t der Inhalt und die Bewegung der ganzen Weltge&#x017F;chichte und<lb/>
Paulus der <hi rendition="#g">wahrhafte Ge&#x017F;chichtsphilo&#x017F;oph</hi>. Vergl. Galat.<lb/>
6, 15: &#x201E;In Chri&#x017F;to Je&#x017F;u i&#x017F;t weder Be&#x017F;chneidung Etwas, noch Vorhaut,<lb/>
&#x017F;ondern eine <hi rendition="#g">neue Schöpfung</hi>.&#x201C; 2. Corinth. 5, 17: &#x201E;So Jemand in<lb/>
Chri&#x017F;to i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t er eine <hi rendition="#g">neue Schöpfung</hi>; das Alte i&#x017F;t vergangen,<lb/>
&#x017F;iehe, <hi rendition="#g">es i&#x017F;t Alles neu geworden</hi>.&#x201C; 2. Petr. 3, 13: &#x201E;<hi rendition="#g">Wir war-</hi></note> Das konnte kein Heros und Genius, keine Re-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[72/0094] den Berührungspunkten, die es mit ſonſtigen Phänomenen in Geſchichte und Bewußtſein der Menſchheit hat, eine Bedeutung, Größe, Tiefe und Würde zu, die mit nichts Anderem in der Welt vergleichbar iſt. Es handelte ſich und handelt ſich fortwährend bei ihm um noch ganz andere Dinge, als um die Anſichten und Lehren, die es mit der Stoa und ſonſtiger Philoſophie und Moral gemein hat und haben kann. Es iſt dies namentlich die ganz neue Ein- ſenkung und Einverleibung eines höheren Princips in Menſch und Welt, wie ſie in Chriſtus geſchehen iſt und in der von ihm geſtifteten Kirche perennirend zu geſchehen hat. Durch ihn ſollte eine zwiſchen Welt und Gott entſtandene furchtbare Kluft getilgt *), dem Tode ſeine Macht genom- men, der Anfang zu einem ganz neuen Weltalter und Welt- prozeß gemacht, der zu einer ganz neuen Art von Exiſtenz hinüberführende Weg eröffnet, ein Inſtitut in’s Leben ge- rufen werden, welches den Zweck und Beruf, ſo wie die aus übermenſchlicher Sphäre ſtammende Kraft hat, dieſes ungeheuere Werk durch die Jahrtauſende hindurch zu ſei- nem Alles verwandelnden und verklärenden Ende zu füh- ren. **) Das konnte kein Heros und Genius, keine Re- *) Coloſſ. 1, 19 ff. 2. Corinth. 5, 18 f. Epheſ. 1, 10. Cap. 2, 14. **) 1. Corinth. 15, 45 ff. Der erſte Adam war nur „eine lebendige Seele“, wie hier mit Bezug auf 1. Moſ. 2, 7 geſagt; der zweite aber iſt „ein belebender Geiſt“; der erſte Menſch war irdiſcher, der zweite iſt himmliſcher Natur. Es ſind auf dieſe Weiſe zweierlei Schöpfungen un- terſchieden, wovon die erſte eine noch unvollkommene, auf relativ niedri- ger Stufe ſtehende war; dieſe Stufe muß überſchritten werden, damit die zweite, höhere Schöpfung, die aus dem Geiſte, zu Stande komme. Das iſt der Inhalt und die Bewegung der ganzen Weltgeſchichte und Paulus der wahrhafte Geſchichtsphiloſoph. Vergl. Galat. 6, 15: „In Chriſto Jeſu iſt weder Beſchneidung Etwas, noch Vorhaut, ſondern eine neue Schöpfung.“ 2. Corinth. 5, 17: „So Jemand in Chriſto iſt, ſo iſt er eine neue Schöpfung; das Alte iſt vergangen, ſiehe, es iſt Alles neu geworden.“ 2. Petr. 3, 13: „Wir war-

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/94
Zitationshilfe:	Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/94>, abgerufen am 22.11.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.