Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

Satans hielt. *) Daran reihen sich auch die Quäker.
Ihre gottesdienstlichen Uebungen und Versammlungen sind
von der subjektivsten und abstraktesten Art. In einem
schmucklosen, kahlen, nur mit Bänken angefüllten Saale,
wo kein äußerer Gegenstand irgend eine Wirkung thun
darf, sitzen sie im tiefsten Schweigen, um sich von aller
irdischen Zerstreuung in sich selbst zurückzuziehen und
zum Vernehmen innerer himmlischer Einsprache zu be-
fähigen. Wer sich endlich nach langem Harren dazu an-
getrieben fühlt, läßt sich in einer Rede oder einem Ge-
bete vernehmen; es geschieht auch wohl, daß die Ver-
sammlung auseinander geht, ohne daß es zu einer sol-
chen Aeußerung gekommen ist. Nicht nur Romanenlektüre,
Theaterbesuch, Tanz und Spiel jeder Art, sondern auch
Musik, sowohl Gesang, als Instrumentalmusik, ist von
diesen Leuten verworfen worden. **) "Die Quäker", sagt
Thomas Paine, "würden, wenn man ihren Geschmack
bei der Schöpfung zu Rathe gezogen hätte, die ganze Na-
tur lautlos gemacht und in trübe Farben gekleidet haben.
Nicht eine Blume hätte ihre Farbenpracht entfalten, nicht
ein Vogel sein Lied singen dürfen." Das sind die Con-
sequenzen dieser Richtung. "Alle menschliche Herrlichkeit
ist Kinderspott; der Mensch ist nicht dazu da, Paläste zu
bauen und schöne Bilder zu malen, und Gott hat kein
Wohlgefallen an dem Betrieb irgend einer eitlen, irdischen
Kunst." So läßt Jung-Stilling in seinen "Scenen
aus dem Geisterreiche" einen Engel im Himmel sprechen.
Ich erinnere mich aus meiner Jugendzeit, wie weh mir
einmal der pietistische Professor Kanne in Erlangen that,
als er über alle Poesie den Stab brach. Auch das nega-

*) Möhler, Symbolik, Mainz und Wien 1838. S. 483.
**) Daselbst S. 516 f. 519 ff.

Satans hielt. *) Daran reihen ſich auch die Quäker.
Ihre gottesdienſtlichen Uebungen und Verſammlungen ſind
von der ſubjektivſten und abſtrakteſten Art. In einem
ſchmuckloſen, kahlen, nur mit Bänken angefüllten Saale,
wo kein äußerer Gegenſtand irgend eine Wirkung thun
darf, ſitzen ſie im tiefſten Schweigen, um ſich von aller
irdiſchen Zerſtreuung in ſich ſelbſt zurückzuziehen und
zum Vernehmen innerer himmliſcher Einſprache zu be-
fähigen. Wer ſich endlich nach langem Harren dazu an-
getrieben fühlt, läßt ſich in einer Rede oder einem Ge-
bete vernehmen; es geſchieht auch wohl, daß die Ver-
ſammlung auseinander geht, ohne daß es zu einer ſol-
chen Aeußerung gekommen iſt. Nicht nur Romanenlektüre,
Theaterbeſuch, Tanz und Spiel jeder Art, ſondern auch
Muſik, ſowohl Geſang, als Inſtrumentalmuſik, iſt von
dieſen Leuten verworfen worden. **) „Die Quäker“, ſagt
Thomas Paine, „würden, wenn man ihren Geſchmack
bei der Schöpfung zu Rathe gezogen hätte, die ganze Na-
tur lautlos gemacht und in trübe Farben gekleidet haben.
Nicht eine Blume hätte ihre Farbenpracht entfalten, nicht
ein Vogel ſein Lied ſingen dürfen.“ Das ſind die Con-
ſequenzen dieſer Richtung. „Alle menſchliche Herrlichkeit
iſt Kinderſpott; der Menſch iſt nicht dazu da, Paläſte zu
bauen und ſchöne Bilder zu malen, und Gott hat kein
Wohlgefallen an dem Betrieb irgend einer eitlen, irdiſchen
Kunſt.“ So läßt Jung-Stilling in ſeinen „Scenen
aus dem Geiſterreiche“ einen Engel im Himmel ſprechen.
Ich erinnere mich aus meiner Jugendzeit, wie weh mir
einmal der pietiſtiſche Profeſſor Kanne in Erlangen that,
als er über alle Poeſie den Stab brach. Auch das nega-

*) Möhler, Symbolik, Mainz und Wien 1838. S. 483.
**) Daſelbſt S. 516 f. 519 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0091" n="69"/><hi rendition="#g">Satans</hi> hielt. <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Möhler</hi>, Symbolik, Mainz und Wien 1838. S. 483.</note> Daran reihen &#x017F;ich auch die Quäker.<lb/>
Ihre gottesdien&#x017F;tlichen Uebungen und Ver&#x017F;ammlungen &#x017F;ind<lb/>
von der &#x017F;ubjektiv&#x017F;ten und ab&#x017F;trakte&#x017F;ten Art. In einem<lb/>
&#x017F;chmucklo&#x017F;en, kahlen, nur mit Bänken angefüllten Saale,<lb/>
wo kein äußerer Gegen&#x017F;tand irgend eine Wirkung thun<lb/>
darf, &#x017F;itzen &#x017F;ie im tief&#x017F;ten Schweigen, um &#x017F;ich von aller<lb/>
irdi&#x017F;chen Zer&#x017F;treuung in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zurückzuziehen und<lb/>
zum Vernehmen innerer himmli&#x017F;cher Ein&#x017F;prache zu be-<lb/>
fähigen. Wer &#x017F;ich endlich nach langem Harren dazu an-<lb/>
getrieben fühlt, läßt &#x017F;ich in einer Rede oder einem Ge-<lb/>
bete vernehmen; es ge&#x017F;chieht auch wohl, daß die Ver-<lb/>
&#x017F;ammlung auseinander geht, ohne daß es zu einer &#x017F;ol-<lb/>
chen Aeußerung gekommen i&#x017F;t. Nicht nur Romanenlektüre,<lb/>
Theaterbe&#x017F;uch, Tanz und Spiel jeder Art, &#x017F;ondern auch<lb/>
Mu&#x017F;ik, &#x017F;owohl Ge&#x017F;ang, als In&#x017F;trumentalmu&#x017F;ik, i&#x017F;t von<lb/>
die&#x017F;en Leuten verworfen worden. <note place="foot" n="**)">Da&#x017F;elb&#x017F;t S. 516 f. 519 ff.</note> &#x201E;Die Quäker&#x201C;, &#x017F;agt<lb/><hi rendition="#g">Thomas Paine</hi>, &#x201E;würden, wenn man ihren Ge&#x017F;chmack<lb/>
bei der Schöpfung zu Rathe gezogen hätte, die ganze Na-<lb/>
tur lautlos gemacht und in trübe Farben gekleidet haben.<lb/>
Nicht eine Blume hätte ihre Farbenpracht entfalten, nicht<lb/>
ein Vogel &#x017F;ein Lied &#x017F;ingen dürfen.&#x201C; Das &#x017F;ind die Con-<lb/>
&#x017F;equenzen die&#x017F;er Richtung. &#x201E;Alle men&#x017F;chliche Herrlichkeit<lb/>
i&#x017F;t Kinder&#x017F;pott; der Men&#x017F;ch i&#x017F;t nicht dazu da, Palä&#x017F;te zu<lb/>
bauen und &#x017F;chöne Bilder zu malen, und Gott hat kein<lb/>
Wohlgefallen an dem Betrieb irgend einer eitlen, irdi&#x017F;chen<lb/>
Kun&#x017F;t.&#x201C; So läßt <hi rendition="#g">Jung-Stilling</hi> in &#x017F;einen &#x201E;Scenen<lb/>
aus dem Gei&#x017F;terreiche&#x201C; einen Engel im Himmel &#x017F;prechen.<lb/>
Ich erinnere mich aus meiner Jugendzeit, wie weh mir<lb/>
einmal der pieti&#x017F;ti&#x017F;che Profe&#x017F;&#x017F;or <hi rendition="#g">Kanne</hi> in Erlangen that,<lb/>
als er über alle Poe&#x017F;ie den Stab brach. Auch das nega-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0091] Satans hielt. *) Daran reihen ſich auch die Quäker. Ihre gottesdienſtlichen Uebungen und Verſammlungen ſind von der ſubjektivſten und abſtrakteſten Art. In einem ſchmuckloſen, kahlen, nur mit Bänken angefüllten Saale, wo kein äußerer Gegenſtand irgend eine Wirkung thun darf, ſitzen ſie im tiefſten Schweigen, um ſich von aller irdiſchen Zerſtreuung in ſich ſelbſt zurückzuziehen und zum Vernehmen innerer himmliſcher Einſprache zu be- fähigen. Wer ſich endlich nach langem Harren dazu an- getrieben fühlt, läßt ſich in einer Rede oder einem Ge- bete vernehmen; es geſchieht auch wohl, daß die Ver- ſammlung auseinander geht, ohne daß es zu einer ſol- chen Aeußerung gekommen iſt. Nicht nur Romanenlektüre, Theaterbeſuch, Tanz und Spiel jeder Art, ſondern auch Muſik, ſowohl Geſang, als Inſtrumentalmuſik, iſt von dieſen Leuten verworfen worden. **) „Die Quäker“, ſagt Thomas Paine, „würden, wenn man ihren Geſchmack bei der Schöpfung zu Rathe gezogen hätte, die ganze Na- tur lautlos gemacht und in trübe Farben gekleidet haben. Nicht eine Blume hätte ihre Farbenpracht entfalten, nicht ein Vogel ſein Lied ſingen dürfen.“ Das ſind die Con- ſequenzen dieſer Richtung. „Alle menſchliche Herrlichkeit iſt Kinderſpott; der Menſch iſt nicht dazu da, Paläſte zu bauen und ſchöne Bilder zu malen, und Gott hat kein Wohlgefallen an dem Betrieb irgend einer eitlen, irdiſchen Kunſt.“ So läßt Jung-Stilling in ſeinen „Scenen aus dem Geiſterreiche“ einen Engel im Himmel ſprechen. Ich erinnere mich aus meiner Jugendzeit, wie weh mir einmal der pietiſtiſche Profeſſor Kanne in Erlangen that, als er über alle Poeſie den Stab brach. Auch das nega- *) Möhler, Symbolik, Mainz und Wien 1838. S. 483. **) Daſelbſt S. 516 f. 519 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/91
Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/91>, abgerufen am 24.11.2024.