Hymnus auf Zeus, der mit den höchsten und reinsten Vor- stellungen, die wir von Gott zu haben im Stande sind, in bewundernswürdiger Uebereinstimmung ist. *) Die von Epiktet gegebenen Vorschriften hat sein Schüler Arrian, ein kleinasiatischer Grieche und Freund des Kaisers Ha- drian, in einer Schrift zusammengestellt, welche Enchiridion betitelt ist und mit der Sittenlehre des Christenthums so vielfach harmonirt, daß Manche daraus schließen zu dürfen geglaubt haben, Epiktet sei Christ gewesen. Die Stoiker stellten namentlich auch den Grundsatz der Feindesliebe auf. Marc Aurel selbst hat uns ein in diesen Bezie- hungen sehr merkwürdiges Buch hinterlassen, eine Samm- lung von Notizen, Reflexionen und Maximen, welche den Titel: "An sich selbst" führt. Die schönste Seele, die lauterste Gesinnung, der sanfteste Charakter, das ernstlichste Streben nach dem Guten und Edlen, nebst einer großarti- gen, von allem Particularismus, aller inhumanen Aus- schließung und Härte freien Weltanschauung thut sich in diesem Buche kund. **) Höchst interessant sind die Schil- derungen, die hier Marc Aurel von seinem einfach gu- ten und großen Vorgänger im Reiche, Antoninus Pius macht; sie erfüllen uns mit der höchsten Achtung sowohl für den Preisenden, als für den Gepriesenen. Als Marc Aurel im Begriffe war, wider die Scythen zu Felde zu ziehen, versammelten sich vor seinem Palaste die Römer und stellten an ihn die Bitte, er möchte ihnen vor seiner Abreise eine Anleitung zu ächter Lebensführung und Pflicht- erfüllung aufsetzen, damit sie für die Zeit, in welcher er, ihr persönliches Muster und Vorbild, abwesend sei, Etwas
*) Vergl. hierüber die Aeußerungen Tennemann's: Geschichte der Phi- losophie. IV. S. 236.
**) Vergl. im Anhange den Aufsatz: "Stoa und Christenthum."
Hymnus auf Zeus, der mit den höchſten und reinſten Vor- ſtellungen, die wir von Gott zu haben im Stande ſind, in bewundernswürdiger Uebereinſtimmung iſt. *) Die von Epiktet gegebenen Vorſchriften hat ſein Schüler Arrian, ein kleinaſiatiſcher Grieche und Freund des Kaiſers Ha- drian, in einer Schrift zuſammengeſtellt, welche Enchiridion betitelt iſt und mit der Sittenlehre des Chriſtenthums ſo vielfach harmonirt, daß Manche daraus ſchließen zu dürfen geglaubt haben, Epiktet ſei Chriſt geweſen. Die Stoiker ſtellten namentlich auch den Grundſatz der Feindesliebe auf. Marc Aurel ſelbſt hat uns ein in dieſen Bezie- hungen ſehr merkwürdiges Buch hinterlaſſen, eine Samm- lung von Notizen, Reflexionen und Maximen, welche den Titel: „An ſich ſelbſt“ führt. Die ſchönſte Seele, die lauterſte Geſinnung, der ſanfteſte Charakter, das ernſtlichſte Streben nach dem Guten und Edlen, nebſt einer großarti- gen, von allem Particularismus, aller inhumanen Aus- ſchließung und Härte freien Weltanſchauung thut ſich in dieſem Buche kund. **) Höchſt intereſſant ſind die Schil- derungen, die hier Marc Aurel von ſeinem einfach gu- ten und großen Vorgänger im Reiche, Antoninus Pius macht; ſie erfüllen uns mit der höchſten Achtung ſowohl für den Preiſenden, als für den Geprieſenen. Als Marc Aurel im Begriffe war, wider die Scythen zu Felde zu ziehen, verſammelten ſich vor ſeinem Palaſte die Römer und ſtellten an ihn die Bitte, er möchte ihnen vor ſeiner Abreiſe eine Anleitung zu ächter Lebensführung und Pflicht- erfüllung aufſetzen, damit ſie für die Zeit, in welcher er, ihr perſönliches Muſter und Vorbild, abweſend ſei, Etwas
*) Vergl. hierüber die Aeußerungen Tennemann’s: Geſchichte der Phi- loſophie. IV. S. 236.
**) Vergl. im Anhange den Aufſatz: „Stoa und Chriſtenthum.“
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Hymnus auf Zeus, der mit den höchſten und reinſten Vor-
ſtellungen, die wir von Gott zu haben im Stande ſind,
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Epiktet gegebenen Vorſchriften hat ſein Schüler Arrian,
ein kleinaſiatiſcher Grieche und Freund des Kaiſers Ha-
drian, in einer Schrift zuſammengeſtellt, welche Enchiridion
betitelt iſt und mit der Sittenlehre des Chriſtenthums ſo
vielfach harmonirt, daß Manche daraus ſchließen zu dürfen
geglaubt haben, Epiktet ſei Chriſt geweſen. Die Stoiker
ſtellten namentlich auch den Grundſatz der Feindesliebe
auf. Marc Aurel ſelbſt hat uns ein in dieſen Bezie-
hungen ſehr merkwürdiges Buch hinterlaſſen, eine Samm-
lung von Notizen, Reflexionen und Maximen, welche den
Titel: „An ſich ſelbſt“ führt. Die ſchönſte Seele, die
lauterſte Geſinnung, der ſanfteſte Charakter, das ernſtlichſte
Streben nach dem Guten und Edlen, nebſt einer großarti-
gen, von allem Particularismus, aller inhumanen Aus-
ſchließung und Härte freien Weltanſchauung thut ſich in
dieſem Buche kund. **) Höchſt intereſſant ſind die Schil-
derungen, die hier Marc Aurel von ſeinem einfach gu-
ten und großen Vorgänger im Reiche, Antoninus Pius
macht; ſie erfüllen uns mit der höchſten Achtung ſowohl
für den Preiſenden, als für den Geprieſenen. Als Marc
Aurel im Begriffe war, wider die Scythen zu Felde zu
ziehen, verſammelten ſich vor ſeinem Palaſte die Römer
und ſtellten an ihn die Bitte, er möchte ihnen vor ſeiner
Abreiſe eine Anleitung zu ächter Lebensführung und Pflicht-
erfüllung aufſetzen, damit ſie für die Zeit, in welcher er,
ihr perſönliches Muſter und Vorbild, abweſend ſei, Etwas
*) Vergl. hierüber die Aeußerungen Tennemann’s: Geſchichte der Phi-
loſophie. IV. S. 236.
**) Vergl. im Anhange den Aufſatz: „Stoa und Chriſtenthum.“
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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/43>, abgerufen am 18.02.2025.
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