sten Art aufgefaßt und dargestellt werden, das dann auch die entsprechenden Opfer empfängt, wie es im Reiche der Barbarei überall auf eine rücksichts- und schonungslose, für gebildetere Völker und Zeitalter oft ganz unbegreifliche Weise zur Erscheinung kommt. Die fürchterlichsten Götzen des Heidenthums mit ihren barbarischen Opferculten sind nichts Anderes, als der in so rein verneinender Weise vor- gestellte, verehrte und geltend gemachte Geist gewesen. Der Geist ist die Negation der Natur; er ist der zweite Schöpfer, der die erste, natürliche Schöpfung, als solche, aufzuheben und eine neue daraus zu gestalten hat, die dem zu reali- sirenden göttlichen Ideale entspricht. Wenn das Bewußt- sein hierüber in dem übrigens noch rohen Menschen auf- zugehen beginnt, so wird der Geist nur ganz abstrakt und einseitig, als Feind der Natur und des Lebens, als Zer- störer und Vernichter gefaßt und sein Cult ist dieser Auf- fassung conform, d. h. grausam und gräuelhaft. Das ist aber nicht die Schuld des großen, göttlichen Princips selbst, sondern die des subjektiven menschlichen Verhaltens zu ihm, für welches die positive Natur und Tendenz desselben eine noch fremde, dunkle, verschlossene Sphäre ist, und welches daher bei dem Negativen stehen bleibt, wozu es keines Aufwandes schaffender und gestaltender Kräfte bedarf und wo man in der einfachsten und unmittelbarsten Weise, wie namentlich durch Tödtung des Lebendigen, zu Werke gehen kann. Für den Naturmenschen ist nur die Natur positiv; der Geist ist ihm nur das verhaßte und gefürchtete Gegen- theil, oder wenn er denselben, zu einer höheren Stufe über- gehend, zum eigenen Principe macht, ihn in seine Gesin- nung aufnimmt, ihm als seiner Gottheit zu huldigen und zu dienen beginnt, so entsteht zunächst nur eine fanatische Feindschaft gegen das Natürliche, die ebenfalls wieder zu bekämpfen und zu bewältigen ist. Erst dem gebildeten
7*
ſten Art aufgefaßt und dargeſtellt werden, das dann auch die entſprechenden Opfer empfängt, wie es im Reiche der Barbarei überall auf eine rückſichts- und ſchonungsloſe, für gebildetere Völker und Zeitalter oft ganz unbegreifliche Weiſe zur Erſcheinung kommt. Die fürchterlichſten Götzen des Heidenthums mit ihren barbariſchen Opferculten ſind nichts Anderes, als der in ſo rein verneinender Weiſe vor- geſtellte, verehrte und geltend gemachte Geiſt geweſen. Der Geiſt iſt die Negation der Natur; er iſt der zweite Schöpfer, der die erſte, natürliche Schöpfung, als ſolche, aufzuheben und eine neue daraus zu geſtalten hat, die dem zu reali- ſirenden göttlichen Ideale entſpricht. Wenn das Bewußt- ſein hierüber in dem übrigens noch rohen Menſchen auf- zugehen beginnt, ſo wird der Geiſt nur ganz abſtrakt und einſeitig, als Feind der Natur und des Lebens, als Zer- ſtörer und Vernichter gefaßt und ſein Cult iſt dieſer Auf- faſſung conform, d. h. grauſam und gräuelhaft. Das iſt aber nicht die Schuld des großen, göttlichen Princips ſelbſt, ſondern die des ſubjektiven menſchlichen Verhaltens zu ihm, für welches die poſitive Natur und Tendenz deſſelben eine noch fremde, dunkle, verſchloſſene Sphäre iſt, und welches daher bei dem Negativen ſtehen bleibt, wozu es keines Aufwandes ſchaffender und geſtaltender Kräfte bedarf und wo man in der einfachſten und unmittelbarſten Weiſe, wie namentlich durch Tödtung des Lebendigen, zu Werke gehen kann. Für den Naturmenſchen iſt nur die Natur poſitiv; der Geiſt iſt ihm nur das verhaßte und gefürchtete Gegen- theil, oder wenn er denſelben, zu einer höheren Stufe über- gehend, zum eigenen Principe macht, ihn in ſeine Geſin- nung aufnimmt, ihm als ſeiner Gottheit zu huldigen und zu dienen beginnt, ſo entſteht zunächſt nur eine fanatiſche Feindſchaft gegen das Natürliche, die ebenfalls wieder zu bekämpfen und zu bewältigen iſt. Erſt dem gebildeten
7*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0121"n="99"/>ſten Art aufgefaßt und dargeſtellt werden, das dann auch<lb/>
die entſprechenden Opfer empfängt, wie es im Reiche der<lb/>
Barbarei überall auf eine rückſichts- <choice><corr>und</corr><sic>nnd</sic></choice>ſchonungsloſe, für<lb/>
gebildetere Völker und Zeitalter oft ganz unbegreifliche<lb/>
Weiſe zur Erſcheinung kommt. Die fürchterlichſten Götzen<lb/>
des Heidenthums mit ihren barbariſchen Opferculten ſind<lb/>
nichts Anderes, als der in ſo rein verneinender Weiſe vor-<lb/>
geſtellte, verehrte und geltend gemachte Geiſt geweſen. Der<lb/>
Geiſt iſt die Negation der Natur; er iſt der zweite Schöpfer,<lb/>
der die erſte, natürliche Schöpfung, als ſolche, aufzuheben<lb/>
und eine neue daraus zu geſtalten hat, die dem zu reali-<lb/>ſirenden göttlichen Ideale entſpricht. Wenn das Bewußt-<lb/>ſein hierüber in dem übrigens noch rohen Menſchen auf-<lb/>
zugehen beginnt, ſo wird der Geiſt nur ganz abſtrakt und<lb/>
einſeitig, als Feind der Natur und des Lebens, als Zer-<lb/>ſtörer und Vernichter gefaßt und ſein Cult iſt dieſer Auf-<lb/>
faſſung conform, d. h. grauſam und gräuelhaft. Das iſt<lb/>
aber nicht die Schuld des großen, göttlichen Princips ſelbſt,<lb/>ſondern die des ſubjektiven menſchlichen Verhaltens zu ihm,<lb/>
für welches die poſitive Natur und Tendenz deſſelben eine<lb/>
noch fremde, dunkle, verſchloſſene Sphäre iſt, und welches<lb/>
daher bei dem Negativen ſtehen bleibt, wozu es keines<lb/>
Aufwandes ſchaffender und geſtaltender Kräfte bedarf und<lb/>
wo man in der einfachſten und unmittelbarſten Weiſe, wie<lb/>
namentlich durch Tödtung des Lebendigen, zu Werke gehen<lb/>
kann. Für den Naturmenſchen iſt nur die Natur poſitiv;<lb/>
der Geiſt iſt ihm nur das verhaßte und gefürchtete Gegen-<lb/>
theil, oder wenn er denſelben, zu einer höheren Stufe über-<lb/>
gehend, zum eigenen Principe macht, ihn in ſeine Geſin-<lb/>
nung aufnimmt, ihm als ſeiner Gottheit zu huldigen und<lb/>
zu dienen beginnt, ſo entſteht zunächſt nur eine fanatiſche<lb/>
Feindſchaft gegen das Natürliche, die ebenfalls wieder zu<lb/>
bekämpfen und zu bewältigen iſt. Erſt dem gebildeten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">7*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[99/0121]
ſten Art aufgefaßt und dargeſtellt werden, das dann auch
die entſprechenden Opfer empfängt, wie es im Reiche der
Barbarei überall auf eine rückſichts- und ſchonungsloſe, für
gebildetere Völker und Zeitalter oft ganz unbegreifliche
Weiſe zur Erſcheinung kommt. Die fürchterlichſten Götzen
des Heidenthums mit ihren barbariſchen Opferculten ſind
nichts Anderes, als der in ſo rein verneinender Weiſe vor-
geſtellte, verehrte und geltend gemachte Geiſt geweſen. Der
Geiſt iſt die Negation der Natur; er iſt der zweite Schöpfer,
der die erſte, natürliche Schöpfung, als ſolche, aufzuheben
und eine neue daraus zu geſtalten hat, die dem zu reali-
ſirenden göttlichen Ideale entſpricht. Wenn das Bewußt-
ſein hierüber in dem übrigens noch rohen Menſchen auf-
zugehen beginnt, ſo wird der Geiſt nur ganz abſtrakt und
einſeitig, als Feind der Natur und des Lebens, als Zer-
ſtörer und Vernichter gefaßt und ſein Cult iſt dieſer Auf-
faſſung conform, d. h. grauſam und gräuelhaft. Das iſt
aber nicht die Schuld des großen, göttlichen Princips ſelbſt,
ſondern die des ſubjektiven menſchlichen Verhaltens zu ihm,
für welches die poſitive Natur und Tendenz deſſelben eine
noch fremde, dunkle, verſchloſſene Sphäre iſt, und welches
daher bei dem Negativen ſtehen bleibt, wozu es keines
Aufwandes ſchaffender und geſtaltender Kräfte bedarf und
wo man in der einfachſten und unmittelbarſten Weiſe, wie
namentlich durch Tödtung des Lebendigen, zu Werke gehen
kann. Für den Naturmenſchen iſt nur die Natur poſitiv;
der Geiſt iſt ihm nur das verhaßte und gefürchtete Gegen-
theil, oder wenn er denſelben, zu einer höheren Stufe über-
gehend, zum eigenen Principe macht, ihn in ſeine Geſin-
nung aufnimmt, ihm als ſeiner Gottheit zu huldigen und
zu dienen beginnt, ſo entſteht zunächſt nur eine fanatiſche
Feindſchaft gegen das Natürliche, die ebenfalls wieder zu
bekämpfen und zu bewältigen iſt. Erſt dem gebildeten
7*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/121>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.